Archi W. Bechlenberg / 09.06.2019 / 06:00 / 36 / Seite ausdrucken

Das Antidepressivum: Die treibende Insel

Die treibende Insel

Das Dessert, weiß der Gourmet,
Ob Tarte Tatin, ob Crème brûlée
Beschließt vortrefflich ein Menü
Und hält oft satt bis morgen früh.

Die Insel, fernab jeder Norm,
Ist mir die liebste Grundstücksform.
Rundum nur Ozean und See
Und Wind, dem ich im Wege steh'.

Vereint man beides mit Verstand
Entsteht daraus die Ile Flottant.
Reicht Crème Anglais und Schnee vom Ei –
Dann bin ich immer mit dabei.

Und seh' ich sanft die Insel treiben
Auf sonn'ger Soße oben bleiben,
Nehm ich ergriffen mein Besteck
Und putz den ganzen Teller weg. 

Archi W. Bechlenberg

Il Flottant besteht aus zwei Teilen: der Crème Anglais und dem pochierten Eischnee.

Und so geht es: Man kocht 3/4 l Vollmilch zusammen mit 1 Vanillestange. Die Milch wird langsam zum Kochen gebracht und ab und zu umgerührt, damit sie nicht ansetzt.

Zur gleichen Zeit trennt man 6 Eier, nichts von dem Eigelb darf ins Eiweiß geraten. Dieses wird mit 50 Gramm Zucker sehr steif geschlagen, was mit dem Handbesen besser geht als mit einem elektrischen Quirl. Tipp: Zu Beginn streut man eine Prise Salz ins Eiweiß, der Zucker kommt später nach und nach hinzu.

Aus der siedenden Milch wird die Vanillestange entfernt. Nun entstehen die Schneeinseln; die Milch darf dabei nicht kochen, Man nimmt einen Esslöffel und sticht aus dem steifen Eischnee einen Batzen heraus; diesen setzt man auf die heiße Milch. Ist genug Platz setzt man einen zweiten daneben oder gar einen dritten. Nach etwa einer Minute werden die Inseln umgedreht, um auch auf der Rückseite noch einmal steif zu werden. Danach hebt man sie heraus und legt sie auf ein sauberes Tuch. So verfährt man auch mit dem weiteren Eischnee.

Nach und nach kommen die nächsten Inseln auf die Milch.

Nun die Crème Anglais. Man kontrolliert zunächst, ob eventuell noch Eischnee in der Milch ist. Falls ja, muss sie gesiebt und erneut aufgeköchelt werden.

Die Eigelbe werden mit 50 Gramm Zucker zu einer hellgelben Creme geschlagen. In diese schüttet man unter ständigem Rühren vorsichtig etwas von der heißen Milch, um schließlich die übrige Milch zügig zuzugießen. Man setzt das Ganze wieder aufs Feuer und erhitzt unter ständigem Rühren, bis die Masse sämig wird. Die Milch darf auf keinen Fall kochen, sonst wird das nämlich nichts.

Die Vanillesauce muss auf Zimmertemperatur abkühlen. Dann werden die Schnee-Inseln auf ihre Oberfläche gesetzt. Bon appetit! 

Ein Abschied

Liebe Leser, sofern Sie keine liebevolle Tante haben, die Ihnen diesen vorzüglichen Proviant für eine zumindest temporäre Flucht aus dem Hier und Jetzt zubereitet – scheuen Sie sich nicht, es selber zu versuchen. Kein Fertigprodukt, auf dem Ile Flottant steht, kommt dem Original auch nur im Ansatz nahe, Sie kennen das vermutlich von Crème brûlée. Herd und Küche müssen eventuell danach einmal kurz durchgewischt werden, aber das ist der Genuss allemal wert, vielleicht haben Sie ja wenigstens dafür eine verständnisvolle Tante.

Ich allerdings bin reif für die abgelegenste Insel der Welt – mein Inneres. Dorthin werde ich nun entschwinden. Gut möglich, dass ich wiederkomme. Bleiben Sie der Achse im höchsten Maße gewogen.

Ihr Archi W. Bechlenberg 

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S.Niemeyer / 09.06.2019

Großes Dankeschön, Archi W. Bechlenberg, für Ihre Kabinettstücke und Capricen auf der Achse!!! Und bitte kommen Sie bald wieder! Wir derweil im Entzug mit Karl Valentin: “Und ich wartete und wartete immer schneller”. Von Herzen alle guten Wünsche für Sie!!!

Gertraude Wenz / 09.06.2019

Hüpfe auch mit, bis die Erde wackelt! Lieber Herr Bechlenberg, machen Sie Urlaub, gehen Sie in ihr Inneres, aber entschwinden Sie uns nicht! Ihre Achse -Fan - Gemeinde liebt Sie! Ich trinke nie einen Whisky, aber jetzt könnt ich vor Schreck einen gebrauchen!

Wilfried Cremer / 09.06.2019

Um die Stimmung Ihrer Bilder zu atmen, brauchen Sie nicht nach Tristan da Cunha zu reisen. Geheimtipp: Besuchen Sie den alten Friedhof von Hürth-Knapsack (garantiert tourifrei)!

Sandie Nieburg / 09.06.2019

Lieber Archi, dich nun auch nicht mehr auf der Achse zu lesen ist wahrlich ein Verlust. Vermutlich werde ich sowie viele anderer deiner Leser, Sonntags gewohnheitsmäßig noch das Antidepressivum suchen… ich hoffe auch sehr, daß wir bald wieder fündig werden…Pass gut auf dich auf.

Archi W Bechlenberg / 09.06.2019

Wäre es nur ein Urlaub. Glauben Sie mir, nach jahrelangem Kampf an vorderster Front, ohne mir jemals eine Unterbrechung gestattet zu haben (einmal schrieb ich gar mit porösem Blinddarm aus der Intensivstation), macht man nicht einfach so Urlaub. Es ist viel unglamouröser. Ich brauche dringender den je selber das in hochdosierter, retardierter Form, was ich Ihnen sonntäglich servierte. Oder verabreichte. Daher: Bitte kein Hüpfen, keine Schulschwänzereien, keine Gelichterketten und keine Autocorsos. Es ist vergebens. P. S. Sollten aus Protest in den kommenden 7 Tagen sagen wir 1000 neue Abos für die Achse eintrudeln (Betreff: Saint Tropez) würde ich mir das mit dem Urlaub ernsthaft durch den Kopf gehen lassen.

Anders Dairie / 09.06.2019

Danke, lieber ARCHI,  ich habe ihr famoses Rezept an eine Kollegin im Schützenverein geschickt.  Eine “wilde Hilde” beim Kochen.  Habe um Vollzug gebeten und die Kostenübernahme erklärt.  Nun warte ich auf die Antwort und erhoffe den Erfolg.  Ich habe heute “vegan” gegessen;  Kartoffelpuffer.  Als es mir beim Braten bewusst wurde, kam schnell noch ein Ei an den Brei.  Denen keinen Fußbreit Erfolg !  Schönes Pfingsten,  Ihr Anders

Brils Brigitte / 09.06.2019

Besser tatsächlich auf eine Insel im Meer! Und machen Sie dort schön Ihre Atemübungen, das weitet die Brust. Bis später in alter Frische!

Andreas Rochow / 09.06.2019

Bei aller Begeisterung für derartige sündhafte Genüsse aus der bodenständigen Küche irritiert mich der melancholisch-resignierte Ton, mit dem Sie dafür werben. Möge Ihre Reise ins Innere, “auf die Insel”, nicht heißen, dass wir achgut-Leser und Antidepressivum-Abhängigen uns nach einem anderen Seelentröster umschauen müssen. Frohe Pfingsten und gute Reise, verehrter Archi W. Berchlenberg!

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