Stefan Frank / 20.01.2020 / 12:00 / Foto: Martin Gorman / 43 / Seite ausdrucken

Börsen-Prognosen: Wüstenbildung in den Köpfen

Unter der Gagaüberschrift „Kursziel null. Wegen Klima“ veröffentlichte die Tageszeitung Die Welt am vergangenen Freitag eine spektakuläre Warnung:  

„Finanzexperten warnen vor großer Kapitalvernichtung von Unternehmen, deren Produkte mit der Erderwärmung in Zusammenhang gebracht werden.“ 

Da denke ich spontan an die Kapitalvernichtung, die manche Zeitungsunternehmen betreiben: Sie binden Kapitalgüter an sich, ohne Wert zu schaffen, holzen Wälder für Zeitungspapier ab, das noch am Tag des Erscheinens zu Altpapier wird, produzieren Unmengen von heißer Luft und sind nach Meinung vieler Experten maßgeblich verantwortlich für die Wüstenbildung in den Köpfen. Doch die hat der Autor, Finanzredakteur Daniel Eckert, nicht im Visier. Es geht ihm um die verhassten Produzenten von Öl, Gas und Kohle: Einen gewissen Stefan Rädler, „Direktor Portfoliomanagement der Deutsche Oppenheim Family Office, die das Vermögen wohlhabender Familien verwaltet“, zitiert er mit den Worten: 

„Unternehmen, die mit der Produktion von Kohle zu tun haben und ihr Geschäftsmodell nicht umstellen, könnten in den nächsten Jahren massiv an Wert verlieren.“

Kohle ist immer noch der wichtigste Energieträger der Welt

Da mag Herr Rädler recht haben. Doch um eine solche Aussage zu machen, braucht man nicht in die Zukunft zu blicken. In den letzten zehn Jahren haben zahlreiche Kohleunternehmen bankrott gemacht, was zum einen an dem von der Politik in manchen Ländern erklärten Krieg gegen die Kohle liegt („Wir werden viele Kohlebergarbeiter arbeitslos machen“, drohte Hillary Clinton im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016), zum anderen daran, dass vielerorts auf der Welt billiges Erdgas die Kohle in Kraftwerken verdrängt hat (nicht aber natürlich bei der Stahlherstellung – und Kohle ist trotz allem immer noch der wichtigste Energieträger der Welt). Kohle ist indessen für Welt-Redakteur Eckert nur der erste Schritt; bald braucht die Welt angeblich auch kaum noch Öl:

„[…] Der sehr viel wichtigere und größere Öl- und Gassektor (wo viele bekannte Dividendenzahler zu finden sind) ist vor Klima-Disruption ebenfalls nicht gefeit: Stellen die Energiekonzerne ihr Business nicht auf nachhaltigere Geschäftsmodelle um, könnte Aktionären im Extremfall ein Wertverlust von bis zu 95 Prozent drohen, haben die Experten von Mercer Deutschland ausgerechnet.“

Tatsächlich hat die Unternehmensberatungsfirma Mercer vor einem knappen Jahr eine entsprechende Prophezeiung gemacht, für so etwas wird sie ja auch bezahlt. Sie wird sich wohl einreihen in eine Reihe ähnlicher berühmter Vorhersagen der Geschichte wie etwa: 

  • „Ich denke, es gibt einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer.“ (IBM-Chef Thomas Watson im Jahr 1943)
  • „Das Fernsehen wird nicht in der Lage sein, nach den ersten sechs Monaten die gewonnenen Marktanteile zu halten. Die Leute werden es schnell langweilig finden, jeden Abend auf eine Sperrholzkiste zu starren.“ (Darryl Zanuck, Mitgründer der Filmproduktionsfirma 20th Century Fox, im Jahr 1946)
  •  „Atombetriebene Staubsauger werden wahrscheinlich schon innerhalb von zehn Jahren Wirklichkeit werden.“ (Alex Lewyt, Präsident des Staubsaugerherstellers Lewyt, 1955)
  • „Es gibt keinen Grund, warum irgendjemand einen Computer in seiner Wohnung würde haben wollen.“ (Ken Olsen, Gründer des Computerherstellers Digital Equipment Corporation, 1977)
  • „Fast alle Vorhersagen, die für 1996 gemacht werden, hängen davon ab, dass das Internet weiterhin exponentiell wachsen wird. Doch ich sage voraus, dass das Internet schon bald zu einer spektakulären Supernova werden und 1996 auf katastrophale Weise kollabieren wird.“ (Robert Metcalfe, Gründer des Kommunikationstechnologiekonzerns 3Com, 1995).

Oder auch: „In 50 Jahren wird London neun Fuß tief in Pferdemist begraben sein“ – so ein Kommentator der Londoner Times im Jahr 1894. Die Älteren können sich auch noch daran erinnern, dass es einmal hieß, der Welt gehe das Erdöl aus. Der Club of Rome machte 1972 die Vorhersage, das werde innerhalb von „30 Jahren“ passieren. Das war so etwas wie die zeitgemäße Fassung einer Theorie des britischen Ökonomen William Stanley Jevons (1835–1882), der hundert Jahre zuvor, im Jahr 1865, behauptet hatte, Großbritannien werde seine wirtschaftliche Leistung wegen Kohleknappheit nicht mehr länger steigern können und in der Folge in eine permanente Krise geraten.

Die Lust an Halbleitern vergangen?

Die Auguren, die das Ende des Öls vorhersagten, wurden später vorsichtiger und sprachen nur noch davon, dass der „Gipfel“ der Ölproduktion bald erreicht sei. Doch auch von diesem „Peak Oil“ habe ich schon seit Jahren nichts mehr gehört. Zurück zu dem Artikel unseres Welt-Autors. Er kann nicht nur in die Zukunft sehen, sondern glaubt das Menetekel schon in der Gegenwart vor Augen zu haben:

„Schon jetzt werden Firmen, die ihr Geschäft mit fossilen Energieträgern machen, von vielen Investoren gemieden. Der größte westliche Ölkonzern ExxonMobil hat per saldo in den letzten fünf Jahren keinen Wertzuwachs an der Börse erzielen können, während der weltweite Aktienmarkt um mehr als 60 Prozent zulegte. Der chinesische Ölriese Petrochina verlor in der gleichen Zeit sogar rund die Hälfte seiner Marktkapitalisierung. ‚An den Kapitalmärkten verlagert sich die Nachfrage in Richtung von Unternehmen, die ‚auf der richtigen Seite der Klimagesetzgebung stehen’, sagt UniCredit Chefökonom Erik Nielsen voraus.“

Dass der Finanzredakteur das mit ernster Miene (so müssen wir annehmen, da ja nicht der 1. April ist) vorträgt, ist erstaunlich. Denn natürlich hängen die Aktienkurse von Unternehmen mit der Entwicklung ihrer Gewinne zusammen, die bei Ölförderern maßgeblich vom Ölpreis abhängen. Der lag zwischen 2014 und heute weitaus niedriger als zu den Rekordzeiten von 2005 bis 2008, was vor allem daran liegt, dass die amerikanische Ölindustrie so erfolgreich ist: Durch neue Fördertechniken und die dadurch möglich gewordene riesige Produktionssteigerung seit Beginn des letzten Jahrzehnts wurden die Vereinigten Staaten von Amerika zum größten Ölproduzenten der Welt (was wieder einmal beweist, dass es kein besseres Mittel gegen hohe Preise gibt als hohe Preise).

Die auf die Entwicklung der Aktienkurse zweier (!) Unternehmen gestützte Behauptung, Investoren würden den Ölsektor meiden, hält einer Überprüfung nicht stand. Ebenso gut könnte Eckert den mauen Aktienkurs von Infineon als Beleg dafür nehmen, dass den Investoren – und der Welt – die Lust an Halbleitern vergangen sei. Schaut man sich einmal die Aktien der Raffineriebetreiber (deren Gewinne nicht vom Ölpreis, sondern von den cracking spreads abhängen, das ist die Preisdifferenz zwischen Öl und Fertigprodukten) an, bricht die These vom angeblich nachlassenden Interesse am Ölsektor schnell zusammen: Der Aktienkurs von Marathon Petroleum hat sich zwischen 2011 und 2019 verfünffacht, der von Valero Energy sogar versechsfacht. Und der Aktienkurs des Ölförderers Apache Oil kletterte kürzlich an einem einzigen Tag, dem 7. Januar 2020, um 26 Prozent, nachdem der Konzern einen großen Ölfund vor der Küste Surinams gemeldet hatte. Wenn Investoren keine Lust mehr auf Öl hätten, wäre das wohl kaum der Fall, oder?

Warum hat der Windturbinenhersteller Senvion gerade bankrott gemacht?

Das Irrwitzige an der ganzen Geschichte ist, dass uns jahrelang erzählt worden ist, uns gehe das Öl aus; so meldete tagesschau.de noch im Jahr 2012, „bis 2035“ werde 

„die Ölförderung um mehr als 50 Millionen Barrel pro Tag sinken – mit unabsehbaren Folgen. Experten befürchten neue politische und militärische Konflikte. Sie diskutieren auf einer Konferenz in Wien darüber, was man dagegen tun kann, wenn das Öl zur Neige geht.“

Dies sei eine „reale Bedrohung“. Jetzt, da solche Prophezeiungen keine Konjunktur mehr haben, soll die Gefahr plötzlich aus der entgegengesetzten Richtung kommen: Dem Öl gehe die Nachfrage aus, heißt es nun, niemand wolle es mehr haben, angeblich. Mit dem „Kursziel null“ müssten dann auch immer weiter fallende Öl-, Gas- und Benzinpreise korrespondieren. Wäre das tatsächlich der Fall, wäre das freilich kein Grund zur Sorge, sondern zur Freude. Es steht aber zu befürchten, dass man Eckerts Prophetengabe nicht ganz trauen kann. Er schreibt nämlich auch:

„Nutznießer der Transformation hin zu ‚zero emissions’ (null Emissionen) sind die Hersteller von Windkraftanlagen.“

Das ist merkwürdig. Wie kommt es, dass der Hamburger Windturbinenhersteller Senvion – immerhin laut einem Welt-Beitrag von Juli 2019 „einer der Pioniere der Windkraftindustrie“ – gerade bankrott gemacht hat? Nach Eckerts Logik kann das nur heißen, dass Windkraftanlagenhersteller „von Investoren gemieden“ werden. Anders als bei Ölaktien gäbe es dazu ja auch gute Gründe. Angesichts einer langen Geschichte von Bankrotten von Unternehmen wie Prokon, Windreich, Solarworld und anderen windigen und sonnigen Geschäftemachern sollte ein Wirtschaftsjournalist wie Eckert seine Leser davor warnen, Betrügern in der EEG-Branche auf den Leim zu gehen. Stattdessen versucht er die These plausibel zu machen, Energiekonzerne wie ExxonMobil würden mit der angeblich von ihnen verursachten „Erderwärmung“ „Kapital vernichten“ und der Kurs ihrer Aktien könne (sozusagen als Strafe dafür) auf „null“ fallen. Das ist mehr als nur Riesenblödsinn; es ist – wie schon bei der Hetze gegen den Siemenskonzern wegen der Signalanlagen für eine Kohlebahn – der Versuch, alle, die dem neuen deutschen Geist zuwider sind, weil sie verdächtigt werden, entweder selbst unrein zu sein (ExxonMobil) oder volksfremde Klimazersetzer zu begünstigen (Siemens), an einen großen Pranger zu stellen. 

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Michael Sachs / 20.01.2020

Nicht die Erdölproduzenten bald werden diese Linken Klimapropheten gegen die Wand fahren ich kann es kaum erwarten, demnächst kaufe ich eines dieser fantastischen deutschen Dieselautos die inzwischen sauberer sind als die ganze Linke Regierung in Berlin, wenn diese eAutos so toll sind u. jeder eines kaufen muß dann frage ich mich wieso alle Regierungsmitglieder immer noch diese furchtbaren Diesel u. Benzinautos fahren, wollen die uns verarschxxxx oder was läuft da, ganz ähnlich dauernd erzählen die Linken Abgeordneten das sich die moslemischen Frauen unter dem Kopftuch sicher führen dann frage ich mich warum in der Regierung unter den Frauen keiner ein Kopftuch trägt einfach aus Sicherheit, außerdem warum schmeißen sich denn die deutsche Männer da oben nicht schon mal zur Probe jeden Tag 5 mal gen Mekka in den Staub sie wollen doch alle den Islam dann geht man doch am besten damit voran u. zeigt wie es geht, oder wollen sie nur das die kleinen Arbeiterinnen Kopftuch tragen u. der Müllmann sich in den Abfall schmeißt.

Claudius Pappe / 20.01.2020

Ich habe gerade meine Stromrechnung bekommen: Der reine Strompreis beträgt rund 30 %, der Rest sind unzählige Abgaben und die Mehrwertsteuer. Trotz Allzeithoch haben fast alle Aktien in meinem Depot Rückschläge erlitten. Nur die Konzerne die mit Nichts ( Luft) handeln wie Amazon, Google, Alibaba usw., d.h. nichts herstellen haben exorbitante Zuwächse . Auch hier sieht man das ehrliche Arbeit nicht belohnt wird.

Steffen Rascher / 20.01.2020

Um sich dagegen zu wehren kann man bei Klimafragen.org unterschreiben. Da stehen Fragen zur „Klimapolitik“, die den Fraktionen im Bundestag vorgelegt werden. Die Antworten werden dann veröffentlicht. Das ist dann das Ende der Wehrlosigkeit. Wer einen besseren Weg kennt, der melde sich.

Walter Neumann / 20.01.2020

Wirklich erschreckend, welche schwachsinnige Artikel selbst im Wirtschaftsteil einer einst renommierten Zeitung erscheinen, nur um dem Zeitgeist zu gefallen. Was sagt denn der smarte WELT-ChRed dazu? Glauben die wirklich, so bekommen sie neue Abonnenten ?

beat schaller / 20.01.2020

Ja, Herr Frank. ich bin überzeugt von dem was Sie sagen und man kann es ja auch nach verfolgen! Wo aber ist denn eigentlich die Triebfeder für solchen Unsinn? Warum erwacht denn niemand? Warum geht niemand auf die Strasse und warum bietet niemand dem ruinösen, Geld vernichtenden Verhalten Deutschlands oder der EU eine Front? Wie lange kann Migration noch um Milliarden teurer werden? Wieso werden die Öffentlichen Desinformationsanstalten nicht mal einfach ausgeknipst oder Boykottiert? Fragen über Fragen, und je länger das so weiter geht, desto vernichtender wird das Erwachen. b.schaller

Jürgen Fischer / 20.01.2020

»Nutznießer der Transformation hin zu ‚zero emissions‘ (null Emissionen) sind die Hersteller von Windkraftanlagen.« Genau. Auch hier soll so lange es geht bis zur wohl kaum vermeidbaren Pleite noch kräftig abkassiert werden. Stecken ja hauptsächlich die Gelder der Grünen Welt- und Klimaretter drinnen. Was hab ich da letztens bei Prof. Bolz auf twitter gelesen? »Den Weltrettern steht die Demokratie im Weg.« (16.10.2019) - ich möchte ergänzen »und die Realität.«

Bernhard Freiling / 20.01.2020

Seit der krachend gescheiterten Prognose des Club of Rome sind die Prognostiker vorsichtig geworden. Seitdem sind die Nostradamisierungen nur noch im Konjunktiv verpackt. Journalisten haben sich dieser Schreibe schon immer gerne bedient. ++ Excel mit seiner wunderbaren “wenn-dann”-Möglichkeit eröffnete ganz neue Horizonte. Insbesondere den Leuten, die sich mit Algorithmen einem Problem anzunähern versuchen, dem nicht nur mit Algorithmen nicht beizukommen ist. Wie groß die zur Verfügung stehende Rechnerkapazität auch immer sein sollte. ++ Mit “wenn-dann” läßt sich heute eine goldene Nase verdienen. Die Einzigen, die “wenn-dann” für bare Münze und nicht nur als eine Möglichkeit unter vielen sehen, sind unsere Politiker. Die richten ihr Handeln an der Prognose, “wenn wir so weitermachen, dann wird London in 50 Jahren 9 Fuß tief im Pferdemist stecken” aus. Und alle “wenn-dann”-Prognostiker freuen sich wie Bolle auf dem Misthaufen, daß sie über Jahrzente ein derart bevorzugtes und geachtetes Leben führen können.  Die sind nämlich klüger (oder einfach nur dreister?) als ihre “Club of-Rome”-Vorgänger: Sie verschieben die Ergebnispräsentation des von ihnen prognostizierten Mülls soweit in die Zukunft, daß sie sich hierfür zu ihren Lebzeiten nicht verlachen oder zur Verantwortung ziehen lassen müssen. ++ Das nenne ich mal einen “cleveren Schachzug”.  Darauf muß man erstmal kommen.

Georg Dobler / 20.01.2020

Am laufenden Band tauchen Artikel von Wirtschafts- und sonstigen Redakteuren auf, die genau wissen mit welchen 10 Aktien man in 10 Jahren Millionär wird und so weiter und fort. Wären diese Schreiber von fundiertem Voraus-Wissen beseelt, wären sie schon längst selbst Millionäre und müssten nicht vom Artikel-Schreiben leben.  Wer also genau das Gegenteil von dem tut, was die Schreiber empfehlen,  liegt mit größerer Wahrscheinlichkeit richtig als wenn er dem Geschriebenen folgt.

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