Ulli Kulke / 19.11.2022 / 12:00 / Foto: Fortepan/ Urbán Tamás / 64 / Seite ausdrucken

Berlin: Neue Wahl für die alte Lebenslüge

Nach dem Wahldesaster in Berlin gibt es offenbar keine Bestrebungen, den Verantwortlichen einen Denkzettel zu verpassen. Milieubedingt wählt man unverdrossen Links, SPD oder Grün. Alles andere wäre Verrat, Verlassen des Lebenszusammenhangs, abhauen aus der Familie, Scheidung, Todsünde, das volle Programm.

In Berlin wird vehement die Übernahme von politischer Verantwortung wegen des Wahldesasters und der deshalb nötigen kompletten Neuwahl gefordert. Völlig zu Recht. Insbesondere der letztes Jahr zuständige Innensenator Geisel (heute Bausenator) steht im Blickpunkt. Auch zu Recht.

Andererseits: Warum soll überhaupt jemand Verantwortung übernehmen, wenn jetzt schon laut allen Umfragen so gut wie sicher davon auszugehen ist, dass die Berliner denselben Parteien (rotgrünrot), die heute díe Landesregierung bilden, erneut eine satte Mehrheit geben werden. Wie immer.

In einer Stadt, in der nichts mehr funktioniert, Verwaltung nicht, innere Sicherheit schon gar nicht, in der alle großmäulig angekündigten Projekte (Wohnungsbau, Verkehrswende, Schulsanierung) auf Null heruntergefahren wurden, in der der öffentliche Dienst sich in Ausmaßen wie in keiner anderen Stadt in die Krankschreibung flüchtet, eine Stadt auch, in der ebenfalls laut Umfragen alle unzufrieden mit der Landespolitik sind, in dieser Stadt also hat die Regierung ihre Mehrheit so felsenfest sicher wie einst die SED-Bonzen drüben (auch wenn jetzt natürlich Demokratie herrscht, im Ergebnis aber macht es keinen Unterschied).

Es stimmt ja: Es gibt empirisch keinerlei Hinweise darauf, dass CDU, FDP oder AfD Berlin besser regieren könnten. Dass es die jetzigen Kräfte nicht können, ist allerdings bestens dokumentiert und vor allem hochaktuell. Dennoch gibt es offenbar keinerlei Bestreben in der Stadt, den Verantwortlichen hier mal einen Denkzettel zu verpassen.

Wer laut genug „Klima“ oder „Gender“ ruft...

Es ist leider so: Milieubedingt könnten in der Stadt sich sehr, sehr viele nicht mehr im Spiegel anschauen, wenn sie was anderes als Links, SPD oder Grün wählen würden. Es wäre für sie Verrat, Verlassen ihres Lebenszusammenhangs, abhauen aus der Familie, Scheidung, schlaflose Nächte, Todsünde, das volle Programm.

Eines immerhin funktioniert ja auch: Der Senat bedient bestens seine Klientel, frönt mit vollen Händen – obwohl sie tatsächlich leer sind – der Umverteilung auf Landesebene, subventioniert auf Pump, alimentiert, fördert jede Menge NGOs und Vereine und lässt sich von denen in politisch-planerischen Sandkastenspielen und Wolkenkuckucksheimen gegen Bares teuer beraten, beschäftigt Heerscharen von Beauftragten. Wer laut genug „Klima" oder „Gender" ruft, hat schon einen Vertrag.

Auf Bezirksebene aber, leider, leider, da wo die Kleinarbeit geleistet wird, sind die Taschen völlig leer, weil alles zu 70, eher zu 80 oder 90 Prozent in die Sozialhaushalte fließt. Natürlich will man mit seinen leeren Portenmonnaies auch noch die ganze Welt zu sich einladen. Und die Gäste sollen dann nach dem Willen von Vertretern der Koalitionsfraktionen am besten auch gleich wählen dürfen. Dann stimmt die Richtung.

Warum also bitteschön soll unter solchen Bedingungen der arme Senator Geisel wegen der läppischen Wahl-Katastrophe zurücktreten? Sowieso hat die SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe ja auch darauf hingewiesen, dass für das Wahldesaster vor einem Jahr die Berliner schließlich selbst verantwortlich seien: „Die Wahlen werden von den Bürgerinnen in Selbstorganisation durchgeführt. Es ist ein Trauerspiel, dass die CDU versucht, diese Schwierigkeiten parteipolitisch zu instrumentalisieren.“ Selbst schuld also. Auch wenn das natürlich bodenloser Quatsch ist – irgendwie stimmt es ja. Was das Wahlverhalten angeht, sowieso.

Foto: Fortepan/ Urbán Tamás CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

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Gudrun Meyer / 19.11.2022

Na und . . .?  Alle genannten und einige noch nicht genannte Probleme bestehen doch nur, weil die Coronen so tödlich sind, weil die Rechten in jedem zerfallenden Hauseingang die Entscheidungen der Obrigkeit sabotieren, weil die Erderhitzung mal wieder dafür sorgt, dass Novemberwetter Novemberwetter ist, weil die wuchernde “N"GO-Szenerie immer noch nicht alles und jeden in der Hand oder unter der eisernen Faust hält, kurz, weil die Berliner Politik immer noch nicht rotgrünrot genug ist.

S. Andersson / 19.11.2022

Lacher am Sa: ” Politiker .... Verantwortung übernehmen” .... das dürfen die doch gar nicht. Wenn ich mich auf der Strasse umhöre dann ist das ausschliesslche sehr Böses was ich höre. Aber mal ganz ehrlich ... uns ist es egal wer da von welcher Partei sich berufen fühlt. Es zählt nur was der/ die macht! Und das ganze muss beim Volk ankommen .... das BARGELD ...nix E_Kröten .... sonst knallt es bestimmt in absehbarer Zeit ... aber mit Sicherheit nicht so wie die “Experten” sich das erhoffen. Also einfache Botschaft an die Polit-Genossen samt Anhängerschaft - HÖRT MIT DEM KRIEG, auch gegen das eigene Volk, SOFORT auf. Alles andere geht den Bach runter. Verschont uns mit Klimawandel, Energiewende und Gender dich Dumm Quark auf ... wir brauchen in D einen funktionierenden Staat und kein Quark aus Lobby oder EU Abteilungen.

Marcel Seiler / 19.11.2022

Die Strategie der anti-links-grünen Opposition, den materiellen und sozialen Verfall Berlins anzuprangern, greift nicht. Die Wähler wählen gemäß ihren Überzeugungen, nämlich dass Rot-Grün eine absolute moralische Überlegenheit besitzt. Den Konservativen ist es nicht gelungen, das links-grüne Gefühl der “absoluten moralischen Suprematie” in Frage zu stellen – weder in Berlin, noch im Rest Deutschlands. Das ist das konservative Versagen.

S. Wietzke / 19.11.2022

“Es wäre für sie Verrat, Verlassen ihres Lebenszusammenhangs, abhauen aus der Familie, Scheidung, schlaflose Nächte, Todsünde, das volle Programm.” Nö, sie wollen genau die Zustände die sie immer wieder herbeiwählen, Und natürlich würde ich auch an Stelle der Politiker nicht zurücktreten. Setzt man den Wählerwillen doch konsequent und absolut exakt um. Und die winzige Minderheit die das nicht will ist ja nicht gezwungen in Shithole Town zu bleiben.

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