Stefan war einkaufen und hat den Balsamico vergessen. Nadja ist sauer und beklagt, dass es jetzt zum zweiten Mal hintereinander (!) Yoghurtdressing geben wird. Stefan kann nicht nur nicht einkaufen, er rückt auch seinen Stuhl am Computertisch nicht ordnungsgemäß an seinen Platz. Das muss natürlich geahndet werden, sofort verhängt Nadja 50 Cent Strafgebühr.
Stefan ist nicht etwa ein Siebenjähriger, den man mit drastischen Maßnahmen kleinkriegen will, Stefan ist ein erwachsener Mann. Und Strafgebühren kriegt auch Ehefrau Nadja schwuppsdiwupps aufgebrummt, wenn sie ihre Haare nicht aus dem Sieb aus der Badewanne entfernt. Und, damit das klar ist: Das Bett macht jeder für sich. Jeder seine Seite. Und bitte ordentlich. Unter welchen Bedingungen das Kind gezeugt wurde, das Nadja auf dem Arm hält, möchte man sich en detail gar nicht ausmalen. Im Idealfall im Reagenzglas. Da entsteht kein Schmutz, niemand gibt Laute von sich und man kommt einander nicht zu nahe. Und die Zeit, die man durch künstliche Befruchtung spart, kann man dazu nutzen, Balsamico zu kaufen.
Woher ich das Paar kenne? Zum Glück nur aus dem Fernsehen. Nicht RTL8 oder Pro9-Randgruppen-TV, sondern das sogenannte „Seriöse“. Die ARD beglückt ihre Zuschauer derzeit mit einer sonderbaren Serie über Paare. Nicht die vielbesungenen, von Fernsehteams von oben herab behandelten HartzIV-Bezieher ohne jeglichen Antrieb erzählen hier von ihren Problemen, sondern Menschen mit auf den ersten Blick normalen, durchschnittlichen Biografien. Sympathische Menschen eigentlich. Wenn sie nur nicht auf die Idee gekommen wären, auch einmal im Fernsehen erscheinen zu müssen!
Nadja, Sachbearbeiterin in einer Bank, ist „einfach nur so enttäuscht dann“, wenn ihr Ehemann den Balsamico vergessen hat. Und Stefan, Lektor, steht verzagt da (in seinem eigenen Wohnzimme!) und sagt: „Ich hätte einfach gern einen eigenen Stuhl.“ Kauf Dir einen, sei ein Mann, nimm‘ Deinen Mut zusammen!- haben wir ihm zugerufen. Aber natürlich wissen wir, dass Stefan uns nicht hören konnte.
Eine andere Frau herrscht vor laufender Kamera ihren Mann an, der in der Küche hilft, sagen wir besser, er versucht es: „Du machst es, wie ich es Dir sage, sonst bist Du gefeuert!“ Es geht darum, Zitronen zu verarbeiten. Versteht man sich mit seinem Partner, gehört es zu den schönen Dingen des Lebens, gemeinsam zu kochen. Warum man sich dabei anbrüllen muss, erschließt sich mir nicht.
In Wohnung drei leben Moritz, Maler und Grafiker und Katja, eine Journalistin. Man kann nur hoffen, dass die Interviewpartner der ARD-Sendung ordentlich Infohonorar bekommen haben; anders kann man es sich nämlich nicht erklären, warum sie ihr Leben entblättern in Situationen, die einfach nur lächerlich sind. Wir kennen alle die kleinen und großen Kämpfe zwischen Männern und Frauen, aber dass man ohne seine hausinterne Rechtsabteilung zu informieren, dies auch noch einem Millionenpublikum präsentiert, wirft Fragen auf.
Ich konnte nur 18 Minuten dieser Reportage ertragen, den Rest können Sie unter diesem Link gucken:
http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=5079466
Demnächst bezahlen wir ja alle zwangsbeglückt die Fernsehgebühren. Dann hilft es leider gar nichts mehr, kein Fernsehgerät zu haben oder es in den Keller zu verbannen. Natürlich muss auch künftig niemand den Schwachsinn gucken, aber dass bald alle dafür bezahlen müssen, ist wirklich ungerecht.
Ich gucke jetzt mal den Simpson-Kino-Film. DVD. Ohne Gebühr. Bart, don’t be a cow man, und rette mich!
Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de