Helmut Ortner, Gastautor / 24.05.2023 / 16:00 / Foto: Pixabay / 18 / Seite ausdrucken

Beamte? Ja, aber doch nicht für alles!

Unsere Beamten: Mal werden sie beneidet, mal verspottet. Fest steht: ohne staatliche Beamtenschaft geht es nicht. Aber brauchen wir so viele? 

Schon Carl Ludwig Börne (1786 bis 1837) wusste, dass man "ohne Witz nicht auf die Menschen wirken kann". Also, kennen Sie den? Woran merkt man, wenn Beamte ­streiken? Daran, dass alles viel ­schneller und besser funktioniert! – Daraus wird vorerst nichts. Beamte dürfen auch zukünftig nicht streiken, das entschied schon vor Jahren das Bundesverfassungs­gericht. Die Richter ­wiesen damit die Klage von vier beamteten Lehrern zurück. Diese hatten argumentiert, das Streikrecht sei ein Menschenrecht. Um einen handlungsfähigen Staat zu gewährleisten, könne man deshalb nicht allen Beamten den Streik verbieten, sondern allenfalls den "hoheitlich Tätigen", also etwa Polizisten, Richtern und Soldaten. Dem erteilten die Karlsruher Richter eine Absage: Lehrer dürften schon allein deshalb nicht streiken, weil das Bildungssystem einen hohen Stellenwert habe. Schließlich würden auch nicht alle Gewerkschaftstätigkeiten verboten, sondern nur das Streiken.

Warum aber sollen Abteilungs­leiter in der städtischen Personalab­teilung oder Sachbearbeiter am kommuna­len Bauhof eigentlich nicht streiken ­dürfen? Auch nicht überlastete ­Lehrer und gestresste Gerichtsvoll­zieher? Gönnen wir nicht allen bessere ­Ar­beitsplätze und bessere Bezahlung? Sicher, die Frage ist nur, ob Lehrer, Sachbearbeiter und Gerichtsvoll­zieher Beamte sein müssen. Und da ist die Antwort eindeutig: Nein, müssen sie nicht. Im Gegenteil.

Unsere Beamten: Mal werden sie beneidet, mal verspottet. Fest steht: Ihr Job ist sicher. Egal ob sie ein Sabbatical einlegen, Eltern- und später Teilzeit beanspruchen oder sich gleich für ein paar Jahre beurlauben lassen: Ihr Arbeitsplatz steht unter so etwas wie Denkmalschutz. Etwa 1,8 Millionen Beamte in Deutschland profitieren von solcherlei Privilegien. Laut Jobbeschreibung sollen sie "hoheitliche Staatsaufgaben" wahrnehmen. Hohle ­Phrasen, monieren Kritiker, denn was "hoheitliche Aufgaben" sind, werde zunehmend mit Blick auf den klammen Haushalt definiert.

Gehorsamspflicht gegen Sicherheit 

Der Staat mag durchaus etwas von dieser Form des stabilen Arbeitsverhältnisses mit loyalen Arbeitnehmern haben. Wer Beamter sein möchte, muss schließlich bereit sein, Einschränkungen seiner Grundrechte zu akzep­tieren. Zu Beginn der Laufbahn legt er oder sie einen Diensteid ab und schwört, stets die Weisungen Vorgesetzter zu befolgen – das nennt sich nüchtern Gehorsamspflicht. Das Recht auf freie Meinungsäußerung gibt es, bezogen auf den eigenen Job, nur auf dem Dienstweg. Wer sich ungefragt und öffentlich zu ­brisanten Behördenthemen äußert, dem droht Ungemach.

Auch nach Feierabend und abseits des Arbeitsplatzes besteht für Beamte die Pflicht zum Wohlverhalten. Ein vorbildlicher Bürger soll er oder sie sein, also unauffällig und gesetzes­treu. Verstöße werden je nach Verfehlung im außer­gerichtlichen Disziplinarverfahren oder auch mal in gerichtlichen Disziplinarverfahren vor den Verwaltungsgerichten geahndet. Im Extremfall kann das zur Entfernung aus dem Dienst führen. Polemiker sagen, Beamte tauschen diese Vasallentreue gegen Sicherheit ein.

Dass sich die Rechnung auch für den Staat als Arbeitgeber wirklich lohnt, ist inzwischen mehr als zweifelhaft. Beamte sind teuer, und zwar insbesondere dann, wenn die Staatsdiener (klar… auch Staatdienerinnen…) schon gar nicht mehr arbeiten, sondern ihren Ruhestand genießen. Denn für ihre Pensionen steht der Staat gerade. Weil in einer ohnehin stark alternden Gesellschaft nun ein geburtenstarker Pensionisten-Jahrgang bereitsteht, werden in der Folge die Pensionslasten durch Beamte von Bund und Ländern rasant steigen. 

Was sind hoheitliche Aufgaben?

Beamte sollen „hoheitliche Staatsaufgaben“ wahrnehmen. Doch was „hoheitliche Aufgaben“ sind, ob wirklich so viele Aufgaben des Staates mit einem hoheitlichen Beamtenstatus einhergehen müssen – mit den entsprechenden Folgerisiken für die Staatsfinanzen – darüber darf gestritten werden. Braucht es das für den Lehrerberuf, für eine Hochschul-Professur oder eine Karriere beim Zoll?

Beispiel Lehrer: Dort, wo die Kassenlage angespannt ist – also in allen Bundesländern –, war in der Vergangenheit auf die Verbeamtung von Lehrkräften großzügig verzichtet worden. Stattdessen vergab der Staat Angestelltenverträge, häufig in Form kurzfristiger Anstellungen, oft nur von Schuljahr zu Schuljahr. Das sparte Geld. Nicht selten entstand daraus eine Zweiklassenzunft mit ungleicher Bezahlung für gleiche Arbeit und einseitigen Privilegien. Gift für das Betriebsklima im Lehrerzimmer. Mittlerweile überbieten sich die Bundesländer im harten Wettbewerb um Lehrkräfte mit der Aussicht auf zeitnahe Übernahme in den Beamten-Status – samt vieler Privilegien. 

Dass Lehrkräfte in unserem Land dringend benötigt werden, daran erinnern uns regelmäßig alarmierende Meldungen aus den Niederungen deutscher Schul- und Bildungswirklichkeit, wie etwa die aktuellen Ergebnisse der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU).  Jedes vierte Kind, hei0t es dort, kann nach vier Grundschuljahren nicht richtig lesen und erreicht nicht das Mindestniveau beim internationalen Standard. Ein besorgniserregender Befund.

Wir sind uns einig: es braucht aller Orten mehr Lehrerinnen und Lehrer, kleinere Klassen, bessere Ausstattung. Es braucht gute Bezahlung, gute Arbeitsplätze und Wertschätzung – aber das geht auch ohne Beamten-Status. Schließlich sind 60 Prozent der im öffentlichen Dienst Beschäftigten keine Beamten – und trotzdem bekommt man zuverlässig Steuerbescheide und Strafzettel, Schulzeugnisse und Sozialhilfe.

Wo Regeln sind, ist Bürokratie

Klar ist: Wo Regeln sind, braucht es Bürokratie. Ohne Gesetze geht es nicht, auch nicht ohne eine Verwaltung, die die Gesetze anwendet, managt und kontrolliert. In Deutschland gelten mehr als 2.000 Bundesgesetze und mehr als 3.000 Bundesrechtsverordnungen. Ständig kommen Änderungen, Erweiterungen und neue Gesetze hinzu. Alles will staatlich geregelt werden in diesen fragilen Zeiten. Aber braucht es dazu ein Heer von Beamten? Von den 4,9 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Jahr 2020 waren 61,6 Prozent Arbeitnehmer, 34,9 Prozent Beamte und Richter sowie 3,5 Prozent Berufs- und Zeitsoldaten. 

Zum Vergleich: in Frankreich ist der Anteil der Staatsbediensteten 24,3 Prozent, in Finnland 22.9 Prozent, in den Niederlanden 21,4 Prozent, in Spanien bei 12,0 Prozent. Die Japaner zeigen, wie ein schlanker Staat aussieht: gerade mal 7,9 Prozent Beamtentum. Und man kann nicht behaupten, dass das Land dadurch zum Stillstand kommt.

Kein Politiker legt sich mit den Beamten-Lobbyisten an

Dass die Quote an Beamten stabil bleibt, dafür sorgt hierzulande der mächtige Deutsche Beamtenbund. Kein Politiker legt sich freiwillig mit ihm an. Staat und Beamtenschaft – das ist eine Allianz mit Tradition. Als Vater des deutschen Berufsbeamtentums gilt Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der „Soldatenkönig“ (1713 bis 1740). Er berief ausgediente Soldaten zu Beamten und schuf die Treuepflicht als Pendant zum Gehorsam beim Militär. Die Beamten sollten ihrem König mit voller Hingabe dienen. Er war es, der Rangordnungen einführte, aber auch Pflichtbewusstsein, Loyalität und Unbestechlichkeit verlangte.

Damals hatte der Monarch sicher nicht vorhergesehen, wie sich das System in den folgenden drei Jahrhunderten entwickeln würde und dass es wegen der Pensionslasten für die Staatsfinanzen richtig teuer werden könnte. Beamte erhalten als Pension maximal ca. 72 Prozent ihres Bruttogehalts, das sie während der zwei Jahre vor dem Ruhestand bezogen haben. Der genaue Satz ist abhängig von der geleisteten Dienstzeit – pro Jahr erhöht er sich um rund 1,79 Prozent. Um den maximalen Satz zu bekommen, müssen sie eine Dienstzeit von 40 Jahren erreichen. Da viele wegen Beurlaubung oder Teilzeit mit weniger Dienstjahren in den Ruhestand gehen, liegt laut Versorgungsbericht der Bundesregierung der durchschnittliche Ruhegehaltssatz zum Stichtag 1. Januar 2022 bei 68 Prozent. 

In absoluten Zahlen bedeutet das: Beamte erhielten im Schnitt eine Pension von ca. 3100 Euro, wobei Männer durchschnittlich 3.300 Euro bekamen, Frauen 2.770 Euro. Spitzenbeamte des Bundes (auch der Länder) kamen auf durchschnittlich 4840 Euro. Von solchen Summen können normale Rentner nur träumen. Ihr Versorgungsniveau liegt im Vergleich dazu, gemessen am Einkommen, um mehr als 20 Prozentpunkte niedriger. Ein eklatantes Missverhältnis.

Doch so gut wie die rüstigen Pensionäre der Jetztzeit werden es künftige nicht mehr haben. Auch wenn Lobby-Funktionäre gerne den Untergang des Behörden-Abendlandes an die Wand malen, wird es dem flächendeckenden Beamtenstaat und den anachronistischen Privilegien an den Kragen gehen. Das Beamtentum ist aus der Zeit gefallen und gehört abgeschafft. ­Beamte sollten allein hoheitliche ­Aufgaben übernehmen, etwa in der Justiz, als Polizisten oder beim Zoll. Alle anderen sind Angestellte des öffentlichen Dienstes. Das spart viel Geld, hilft den Rentenkassen, befriedet Konflikte über Privilegien – und ermöglicht das Streikrecht.

Helmut Ortner hat bislang mehr als zwanzig Bücher, überwiegend politische Sachbücher und Biografien veröffentlicht. Zuletzt erschienen: „Widerstreit: Über Macht, Wahn und Widerstand“ und „Volk im Wahn – Hitlers Deutsche oder Die Gegenwart der Vergangenheit“. Seine Bücher wurden bislang in 14 Sprachen übersetzt.

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

W. Renner / 24.05.2023

Warum nicht? Die Schweiz hat das Beamtentum schon lange abgeschafft.

Sam Lowry / 24.05.2023

“ES GEHT NICHT!” Genau so ist es… Nichts geht mehr vor lauter Vorschriften und Papierkram und sinnloser Arbeitsbeschaffung. Ich erlebe es live und höre es fast täglich. Zudem sind die Beamten ja ständig krank, vermutlich wegen Überarbeitung. Oder mangelnder Bewegung?

Torsten Hopp / 24.05.2023

Auf Beamte können wir als zweites verzichten. Als erstes auf Berufspolitiker. Und wer hier meint, Beamte bringen mehr Lehrer in den Beruf, dann geht es demjenigen hier um Masse und nicht um Klasse. Dabei steht außer Frage, dass eine gute Arbeit im öffentlichen Dienst auch gut bezahlt werden soll.

Ralf Pöhling / 24.05.2023

Natürlich muss nicht jeder im Staatsapparat Beamter sein. Da geht es in der Tat nur um die Kernaufgaben. Ursprünglich war das bei den Preußen ja so. Und wenn man mal genau hinschaut, geht es auch seit geraumer Zeit wieder in diese Richtung. Im öffentlichen Dienst nimmt der prozentuale Anteil an Beamten ja schon lange ab. Man denke z.B. ans damalige Postamt: Wenn man früher zur Post ging, um sich dort ein paar Briefmarken zu kaufen, wurden diese einem von einem Postbeamten ausgehändigt. Heutzutage erledigt das ein privat betriebener DHL Shop. Das gleiche gilt für die Brief- und Paketzustellung, Das war früher alles “amtlich” heute ist es durchgehend privatisiert. Bei Lehrern das gleiche: Früher waren das alles immer Beamte, heute geht Lehrer auch ohne Verbeamtung. Im Sicherheitsbereich sieht man das selbe: Private-Public Partnership zwischen Ordnungsbehörde, Polizei und privaten Sicherheitsdiensten. Insofern kann ich die Dauerkritik an dem angeblich ausufernden “Beamtenstaat” wirklich nicht mehr nachvollziehen. Insbesondere deshalb nicht, weil gerade dort, wo Beamte wegen des rechtlichen Zwangs zu hoheitlichen Aufgaben unersetzbar sind, eher Mangel herrscht. Ich denke da an Polizei nebst Umfeld. Genau darum wird da ja bereits von privaten Diensten unterstützt. Jetzt kann man sich wohl fragen, warum der Öffentliche Dienst generell, also Beamte UND Angestellte, unter den Arbeitgebern in Deutschland so einen großen Raum einnimmt. Und da ist die Antwort einfach: Der gesteigerte Bedarf nach Regulierung/Steuerung der Gesellschaft durch die Verwaltung ist offensichtlich da. Und das hat damit zu tun, dass die Fähigkeit zur Selbstverantwortung der Menschen in Deutschland immer mehr nachlässt. Je kompetenter und zivilisierter sich die Menschen in einer Gesellschaft benehmen, desto weniger muss man sie regulieren und unterstützen. Und da spielen das Versagen unseres Bildungssystems und die Massenzuwanderung ungebildeter Menschen zu uns die entscheidenden Rollen.

Anna-Lilli Vorberg / 24.05.2023

80/90iger Jahre gab es Angebote für Lehrer, unbezahlten Urlaub ohne Begründung zu beantragen. Ständig entzündete Stimmbänder liessen mich zu dem Angebot greifen. Das Überangebot an Lehrern machte es möglich. Also ging ich nach Irland in den Westen Mayos, klare Luft, einfaches Leben, gute ärztliche Versorgung. Ein paar Jahre später war ich keine Beamtin mehr:  ich hatte nicht um Erlaubnis!! gebeten, in ein anderes EU Land zu gehen. Als Angestellte hätte man mich gern wieder eingestellt! Ein gutes halbes Jahr später wurde dieses “Gesetz” gestrichen, die Pension wurde in eine kleine , mit 65 Jahren,  auszuzahlende Rente,  umgerechnet.

Ralf.Michael / 24.05.2023

Wenn diese Republik den Bach runtergeht, wer bezahlt dann die Jungs ?  Ich mit Sicherheit nicht !

Moritz Ramtal / 24.05.2023

“Wir sind uns einig: es braucht aller Orten mehr Lehrerinnen und Lehrer, kleinere Klassen, bessere Ausstattung.” Auf Grundlage absoluter Behauptungen ergibt eine Analyse keinen Sinn, wir sind uns da nämlich nicht einig. Das immerwährende Schreien nach mehr Lehrer, besserer Ausstattung und kleineren Klassen ist falsch und nutzlos, es soll nur die Folgen der Wahnsinnspolitik überdecken. Es gibt von allem genug, bringt aber nichts weil es einfach viel mehr dumme Schüler als früher sind. Das kann man verbieten, leugnen und canceln wollen, Populationen sind aber nun mal unterschiedlich. Die Leistungen von Malte, dem Sohn von Klaus, dem Sohn von Wolfgang haben sich nicht groß zu seinen Vorfahren verändert, daran ändern auch die Forderungen nichts.

Gus Schiller / 24.05.2023

@Sabine Erdmann: Wenn nur der Beamtenstatus, die Privilegien und die dicke Pension den Ausschlag für einen Lehrerberuf ausmachen, ist es kein Wunder, dass die Motivation nicht sehr hoch ist.  Wegen der “unerträglichen Bedingungen”  ist man viel krank und geht dann früh auf Teilzeit oder lässt sich pensionieren, damit man vom Wohnmobil noch etwas hat. Die Kinder bleiben doof und bekommen dennoch das Abi, wurden aber gründlich durchideologisiert im Sinne der 15% Herrschaftspartei.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com