Manfred Haferburg / 02.02.2024 / 10:00 / Foto: Imago / 24 / Seite ausdrucken

Bauernproteste in Frankreich: Regierung gibt nach

In Frankreich gibt es einen massiven Bauern-Protest. So heftig, dass sich die Regierung in Paris jetzt gezwungen sieht, nachzugeben. So weit ist man in Berlin noch nicht.

Die französischen Bauern sind nicht zimperlich, wenn man sie einmal in Wut gebracht hat. Sie machen auf den Autobahnen die „Aktion Schnecke“, die ob ihres Namens hier wohl nicht erläutert werden muss. Sie blockieren Verteilerzentren, leeren auch mal einen LKW mit Importgemüse mitten auf der Straße aus, und des Öfteren geht, ausgerechnet wenn sie mit ihren Traktoren an der lokalen Präfektur vorbeifahren, das Ablassventil eines Gülletransporters so unglücklich kaputt, dass die Brühe bis aufs Dach des Gebäudes über die ganze Fassade spritzt. Mit einem Lader heben sie fuhrenweise saftigen Mist über den Zaun der Behörde auf die Grünanlage oder vor die Bürokratentür. Es wurden sogar Ratten aus Käfigen auf dem Mist im behördlichen Vorgarten ausgesetzt, was ich hier ausdrücklich nicht gutheiße. 

Im Gegensatz zu Deutschland, wo eher verdruckst über die Proteste der deutschen Landwirte berichtet wird, sind die Bauernproteste in Frankreich in den französischen Medien das Thema Nummer eins auf der Agenda. Berichte, Interviews und Reportagen laufen in Dauerschleife. Und wie das in Frankreich so ist, zeigt sich die Mehrheit der Franzosen mit den Protestierenden solidarisch – auch wenn’s mal unbequem wird. 

Präsident Macron hat keine Mehrheit im Parlament, und seine Regierung wurstelte sich zwei Jahre lang mit Tricks und Finten durch, bis vor Kurzem die Premierministerin zurücktrat. Die Angst ist groß, dass es bei der Europawahl für die Macron-Partei ein Fiasko gibt. Und es ist unwahrscheinlich, dass die französische Regierung Massenproteste gegen die Opposition auf die Beine stellen kann. So ist er eben nicht, der Franzose. Also heißt es für die Politik schnell und entschlossen handeln. Der neue französische Premierminister Gabriel Attal hat daher am Donnerstag von Matignon aus neue Maßnahmen vorgestellt, um auf die Wut der Landwirte zu reagieren. 

Der Premierminister räumte Fehler ein, die die Regierung in den letzten Jahren angesichts der Agrarkrise gemacht hatte, und stellte eine neue Reihe von Maßnahmen vor, die darauf abzielen, „den Beruf des Landwirts besser anzuerkennen, unseren Landwirten wieder ein Einkommen zu verschaffen und unseren Lebensmitteln wieder einen Wert zu verleihen oder die Bauern vor unlauterem Wettbewerb zu schützen“. Seine Minister präzisierten anschließend einige Punkte, insbesondere die Möglichkeit für Landwirte, ab Donnerstag eine teilweise Rückerstattung der Steuer auf Dieselkraftstoff für nicht für den Straßenverkehr bestimmten Fahrzeuge zu beantragen.

Nach diesen Ankündigungen riefen die Mehrheitsgewerkschaften FNSEA und Jeunes agriculteurs (Junge Landwirte) dazu auf, die Blockaden auszusetzen und „in eine neue Form der Mobilisierung einzutreten“, wie der JA-Vorsitzende Arnaud Gaillot neben dem FNSEA-Chef Arnaud Rousseau erklärte. Sie stellen mehrere Bedingungen, um die Bewegung nicht wieder aufzunehmen: erste Ergebnisse bis zur Landwirtschaftsmesse (24. Februar bis 3. März) und dann die Verabschiedung eines Gesetzes zur Ausrichtung und Zukunft der Landwirtschaft sowie von europäischen Maßnahmen bis Juni.

Die Regierung gibt schrittweise nach

Die Regierungserklärung am Donnerstag war bereits die dritte in einer Reihe von Ankündigungen innerhalb einer Woche, mit denen versucht werden sollte, die wütende Bewegung der Landwirte zu beenden. Die Hilfs- und Vereinfachungsmaßnahmen vom vergangenen Freitag, die am Dienstag in der Grundsatzrede vorgestellten Hilfen und die am Mittwoch von der Regierung freigegebenen Hilfen sowie die Zugeständnisse der Europäischen Kommission in Bezug auf Brachflächen und ukrainische Importe hatten den gesamten Bauernstand nicht überzeugt. Die Protestierenden legten noch eine Schippe drauf.

Um „unseren Landwirten wieder Einkommen zu verschaffen, werden wir das Gesetz Egalim verschärfen“, kündigte der Premierminister an. Die ersten beiden Gesetze namens Egalim 1 und 2, die 2018 und 2021 verabschiedet wurden, sollten verhindern, dass die Erzeuger die Kosten des Preiskriegs zwischen Supermärkten einerseits und Händlern und Lieferanten der Agrarindustrie andererseits tragen müssen.

Um die Einhaltung dieses Egalim-Gesetzes zu überprüfen, kündigte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire daraufhin „eine Phase massiver Kontrollen bei Industrieunternehmen und Einzelhändlern an. Zu diesem Zweck werden 150 Beamte der Betrugsbekämpfung in ganz Frankreich mobilisiert, um Kontrollen durchzuführen und gegebenenfalls Sanktionen zu verhängen. Diese Sanktionen können bis zu 2 Prozent des Umsatzes betragen. Alle größeren Supermarktketten werden in den nächsten Tagen ohne Ausnahme kontrolliert", sagte Bruno Le Maire. Außerdem kündigte er „10.000 Kontrollen über die französische Herkunft der Produkte" an, mit Sanktionen, die bis zu 10 Prozent des Umsatzes der Industrie oder der Händler, die betrogen haben, betragen könnten.

Agrardiesel und Maßnahmen für „Ernährungssouveränität“

Angesichts der besonderen Notlage der Viehzüchter stellte Gabriel Attal außerdem einen Betrag von 150 Millionen Euro für steuerliche und soziale Unterstützung ab diesem Jahr und auf Dauer zur Verfügung. Die Regierung wird auch die Schwellenwerte für die Steuerbefreiung bei landwirtschaftlichen Erbschaften anheben, und Gabriel Attal versprach außerdem, das Rentensystem für Landwirte zu überarbeiten.

Um den Beruf des Landwirts besser anzuerkennen, will Attal das Ziel der Ernährungssouveränität im Gesetz verankern. „Wir wollen souverän sein, souverän, um anzubauen, souverän, um zu ernten, souverän, um uns zu ernähren", erläuterte der Premierminister. Er möchte auch einen jährlichen Bericht über die Ernährungssouveränität veröffentlichen, den ersten davon noch vor der Landwirtschaftsmesse. Zudem soll ein Souveränitätsplan in jeder Branche, die ihn braucht, aufgestellt werden, um die Landwirtschaft zu stärken.

Landwirtschaftsminister Marc Fesneau kündigte an, dass die Regierung auch den Ecophyto-Plan, der Ziele für die Verringerung des Pestizideinsatzes festlegen sollte, aussetzen wird. Der hatte die Wut der Ackerbauern angefacht. „Wir werden den Ecophyto-Plan erneut auflegen, ihn also in eine Pause schicken, während wir einige Aspekte überarbeiten und ihn vereinfachen", erklärte der Minister.

Bruno Le Maire erklärte außerdem, dass Landwirte ab Donnerstag (!) eine teilweise Rückerstattung der Steuer auf Dieselkraftstoff beantragen können, der nicht für den Straßenverkehr bestimmt ist. Die Auszahlungen würden „innerhalb von 10 bis maximal 15 Tagen" erfolgen. Die Regierung hat versprochen, dass ab Juli die Steuerrückerstattung, die Landwirte auf Agrardiesel erhalten, bereits beim Kauf (!) erfolgt und nicht erst im Nachhinein auf Beleg. In der Zwischenzeit könnten die Landwirte einen Vorschuss von 50 Prozent auf die Rückerstattung in Anspruch nehmen.

Schutzklauseln und Regel-Lockerungen

Der Premierminister will eine klare Definition von synthetischem Fleisch auf europäischer Ebene. „Nein, synthetisches Fleisch entspricht nicht unserer Vorstellung von Ernährung à la française", rief Gabriel Attal ins Mikrofon. Er möchte auch die Kennzeichnung der Herkunft von Produkten massiv fördern, insbesondere auf europäischer Ebene. „Das ist eine Frage der Transparenz für unsere Verbraucher und eine Frage der Gerechtigkeit und Wahrheit für unsere Landwirte", sagte er.

Gabriel Attal möchte außerdem die Einfuhr von Obst und Gemüse nach Frankreich verhindern, das mit dem in Europa verbotenen Pestizid Thiacloprid behandelt wurde. Diese Entscheidung stellt seiner Meinung nach ein Beispiel für eine Schutzklausel dar – ein Mechanismus, bei dem importierte Produkte die gleichen Regeln einhalten müssen wie die europäischen Landwirte –, die Frankreich ergreifen kann, um unlauteren Wettbewerb zu verhindern.

Gabriel Attal versprach außerdem, die Regeln, die Landwirten vorschreiben, Grünlandflächen zu erhalten, zu lockern, indem er eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Wiederbepflanzung für ein Jahr anwendet, wie er in einer Rede sagte. „Wir müssen uns wieder an den Tisch setzen, um unser für unsere Landschaften und den Kampf gegen den Klimawandel wichtiges Grünland besser zu schützen und gleichzeitig völlig absurde Situationen zu überwinden, in denen Landwirte gezwungen sind, Grünland neu anzulegen, obwohl sie ihre Viehzucht eingestellt haben", begründete er.

Macron fordert Maßnahmen auf europäischer Ebene 

Am Ende des Tages meldete sich Emmanuel Macron seinerseits aus Brüssel zu Wort, um eine Bestandsaufnahme der auf europäischer Ebene diskutierten Punkte vorzunehmen. Rund 1.000 Traktoren blockierten am Donnerstag mehrere Straßen in Brüssel, während in der belgischen Hauptstadt ein EU-Gipfel stattfand.

Macron erklärte, er habe die Einführung einheitlicher Kontrollen auf europäischer Ebene gefordert, mit der Schaffung einer europäischen Kontrolltruppe für Gesundheit und Landwirtschaft, die unlauteren Wettbewerb zwischen den EU-Mitgliedsländern verhindern kann. Der Staatschef forderte die Präsidentin der Europäischen Kommission außerdem auf, „ein europäisches Egalim einzuführen", um eine Bezahlung zu fairen Preisen zu gewährleisten. Weiterhin forderte er bis Ende Februar Vereinfachungen der Bürokratie. Der französische Präsident erklärte außerdem, dass die EU eine Kontrolle der ukrainischen Getreideimporte einführen werde.

Außerdem lobte er sich dafür, dass er dafür gesorgt habe, dass das umstrittene Handelsabkommen zwischen der EU und den lateinamerikanischen Mercosur-Ländern „nicht im Eiltempo abgeschlossen wurde, wie einige es versucht haben…, weil wir unsere Stimme erhoben haben, weil wir Ungereimtheiten aufgezeigt haben". 

Da staunt der Cem und die Ursel wundert sich. Und es staunt vielleicht so mancher deutsche Bauer, wenn er die Reaktion der deutschen Politik mit der von Paris vergleicht. 

In Frankreich dreht sich der Wind und bläst den europäischen grünen Dealern kräftig ins Gesicht.

Quelle Radio France: Soutien fiscal, pesticides, contrôles : les nouvelles mesures du gouvernement pour les agriculteurs (radiofrance.fr)

 

Manfred Haferburg wurde 1948 in Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW der DDR in Greifswald. Wegen des frechen Absingens von Biermannliedern sowie einiger unbedachter Äußerungen beim Karneval wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte folgerichtig einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Im KUUUK-Verlag veröffentlichte er seinen auf Tatsachen beruhenden Roman „Wohn-Haft“ mit einem Vorwort von Wolf Biermann. Haferburg lebt in Paris.

Foto: Imago

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Wolfgang Richter / 02.02.2024

” Paris jetzt gezwungen sieht, nachzugeben. So weit ist man in Berlin noch nicht.”—Das wird auch gen Berlin nix, a) weil die “Bauern” hier zu nett sind, ihre Kreise mit dem Trecker drehen und wieder abrücken, b) sich der medial gestreuten Behauptung der “rechts” unterwanderten Proteste nicht erwehren, c) auch der medial alles überdeckenden Präsenz der in jedem Kirchdorf veranstalteten linksgrünen Aufläufe nichts entgegen setzen. Die anhaltenden hiesigen “Bauern-” Proteste kommen doch nur noch ansatzweise in den Verkehrsnachrichten vor. Und wenn sie sich das bieten lassen, können sie besser am heimischen Herd bleiben und sich einen hinter die Binde kippen. Damit bewirken sie dann wenigstens etwas.

Ralf.Michael / 02.02.2024

En Avant, Vive la Fourche…..;o)=

Barbara Strauch / 02.02.2024

A propos Ratten: Davon gibt es soviele in den alten Quartieren nahe der Seine, daß es keiner weiteren bedarf. Wir wohnten 17 Jahre nahe Notre-Dame 100 m von der Seine entfernt (rue Frédéric Sauton) und hatten ständig soviel Ratten (im ersten Stock!), daß Nachbarn sogar deshalb weggezogen sind. Es gibt einen extra Laden für Rattenbekämpfung in Chatelet, als wir den aufsuchten, sagte die Verkauferin mitleidig: Ach, Sie wohnen wohl im Quartier Latin? Die uralten Fachwerkhäuser hatten früher eine Brandschutzlücke zwischen sich, die nach einer Verordnung 1517 geschlossen und die Fronten verputzt werden mußten. So gibt es einen komfortablen Raum dazwischen, der für keinen Rattenbekämpfer erreichbar ist, und wo sie sich durch die alten Balken hindurch zurückziehen können. Dank der vielen Restaurants sind Mausefallen völlig witzlos. statt dessen gibt es Klebekartons zum Auslegen. Die Ratten umkurvten sie elegant, während wir ständig drauf kleben blieben ...

Wolfgang Schönfeldt / 02.02.2024

Es wird wohl (wieder) darauf hinauslaufen, dass die Franzosen gewinnen und der deutsche Michel muss zahlen.

gerhard giesemann / 02.02.2024

Gegen die Agrarlobby hat Paris noch nie etwas gemacht. Selbst Général de Gaulle meinte mal: Wie soll man ein Land regieren, in dem es 500 Sorten Käse gibt? Der Garant für die zum Teil unsinnige Agrarpolitik in Brüssel ist Frankreich. Da geht es um viel Geld.

Hermine Mut / 02.02.2024

Welche Vereinbarungen / Verträge gibt es denn mit den lateinamerikanischen Mercosur Ländern ? Kann uns die Achse hierüber informieren ?

L. Luhmann / 02.02.2024

In Brüssel ging es gestern rund. Es wurde auch mit “rubber bullets” geschossen.—- “Rubber bullets and water cannons were deployed against hundreds of European farmers protesting outside the EU Parliament building in Brussels on Thursday. The farmers threw eggs, set off fireworks, and started fires near the building while demanding that European leaders stop punishing them with more taxes and rising costs imposed to finance a so-called ‘green agenda.’”

Hermann Sattler / 02.02.2024

Die französischen Bauern haben die Solidarität sowohl von der Bevölkerung als AUCH DER GENDARMERIE. Habe selbst erlebt, wie die franz. Bauern einen Weintransporter von anders wo auslaufen ließen die Reifen auf die Fahrbahn rollten und verbrannten. Die Police sperrte die Straßen ab, leitete den Verkehr um- und das wars.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com