Thilo Schneider / 28.10.2023 / 14:00 / Foto: Timo Raab / 16 / Seite ausdrucken

„Assassins Creed“ – Eine Spielbesprechung

Wollten Sie schon immer einmal in die Vergangenheit reisen? Ins antike Griechenland, das mittelalterliche England oder das Amerika des Freiheitskrieges? Dann ist die Videospielreihe „Assassins Creed“ genau das Richtige für Sie. Ganze 13 Episoden gibt es von diesem „Egoshooter“ mittlerweile – und ich gebe zu: Ich habe sie alle durchgespielt. Seit 2007.

In den gut gemachten (und langen) Spielen tauchen Sie ein in das nahöstliche Mittelalter, in das England der Industrialisierung, ins alte Ägypten, treffen im Italien der Renaissance Leonardo da Vinci oder jagen als Pirat durch das 18. Jahrhundert der Karibik. Sie rennen über die Dächer des revolutionären Paris oder segeln mit den Wikingern ins frühmittelalterliche England. Die Spielumgebungen und handelnden Akteure – und das ist das wirklich Tolle – sind immer historisch so akkurat wie möglich rekonstruiert, die Welten dicht bevölkert, und der Spieler fühlt sich wirklich und tatsächlich in der Zeit zurückversetzt.

Auch interessant: Sie können die Reihe auf mehrere Arten spielen. Entweder Sie schnetzeln sich gnadenlos durch oder verhalten sich so unauffällig und so schattenhaft mörderisch, wie es sich für einen Assassinen gebührt. Ich will gar nicht auf die einzelnen Features wie Skill-Aufwertungen und die umfassenden Fähigkeitsbäume eingehen, mein Lieblingspunkt ist: Sie können, wenn Sie möchten, wahnsinnig viel über Geschichte lernen. Nehmen Sie sich die Zeit!

In jeder Folge sind an den entscheidenden Plätzen und bei handelnden Personen historisch valide Informationen hinterlegt. Ob es sich um den Louvre oder Benjamin Franklin, um die Zeichnungen da Vincis oder nordische Mythologie handelt: Einschlägige Kapitel sind überall hinterlegt und abrufbar – und deren Finden sogar eine Nebenaufgabe im Spiel. So macht Geschichte wirklich Spaß! Wenn man sich mitten in ihr bewegt.
Nun also die neueste Folge der Reihe: Assassins Creed – Mirage.

Die Handlung spielt im Bagdad der Abbasiden, also um 860 n. Chr. herum. Natürlich geht es, wie stets, darum, irgendwelche Artefakte zu beschaffen, um geheimnisvolle alte Technik oder Hinweise auf eine alte, wahrscheinlich außerirdische Macht oder vorzeitliche Hochkultur zu erwerben. Dies geschieht durch diverse Aufträge, die sich durch Kletteraufgaben, Meuchelmorde, schlichte Diebstähle, detektivische Ermittlungen, kurz, das Erledigen vielfältiger Missionen erfüllen lassen. Ich will nicht spoilern, deswegen ist dies auch keine der üblichen Spielkritiken. Ich zocke das Spiel auf der X-Box One, daher entspricht die Grafik etwa dem Stand von 2016, was allemal gut genug ist. Ich bin nur ein bisschen nerdig.

Was hat die blühenden nahöstlichen Hochkulturen vernichtet?

Mir geht es um etwas anderes: Wie erwähnt liegt jedem Spiel eine elektronische Enzyklopädie über die historischen Orte, Kulturen, Persönlichkeiten und Erfindungen bei. Und tatsächlich war das Bagdad zur Zeit der Abbasiden sowohl dem Westen als auch dem Osten wissenschaftlich, technisch und kulturell um Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte voraus. Medizin, Astronomie, Mathematik, aber auch Wirtschaft und Luxus hatten ein derart hohes Niveau, dass sich Besucher aus dem Okzident wie die Neandertaler vorgekommen sein müssen, die sie im Vergleich zweifelsohne waren – wenn sie überhaupt das Glück hatten, Bagdad lebend zu erreichen. Mir war diese haushohe Überlegenheit des Orients zu jener Zeit überhaupt nicht wirklich bewusst. Das Abbasidenreich spannte sich von Tunis im Westen bis nach Aden im Süden, im Osten bis nach Indien und Samarkand im Norden. Und in der Mitte lag das Juwel des Reichs – eben Bagdad. Kreta und Zypern gehörten ebenfalls dazu. Der Islam war damals gerade 200 Jahre alt, die Nachfahren des Propheten waren also noch recht einfach im Stammbaum nachzuvollziehen.

Es ist erstaunlich, wie schnell dieses Reich nach dem Tod des letzten Kalifen Al-Muttawakil 861 auseinanderbrach und sich in Religions- und Ressourcenkämpfen völlig erschöpfte. Tatsächlich ist es wohl den unterschiedlichen Strömungen und Gegensätzen innerhalb des Islam zu „verdanken“, dass dieses immense Wissen, dieser Luxus und die Strahlkraft Bagdads für immer verlorengingen. Die Abbasiden waren durchaus würdige „Erben der Antike“ (um ein häufig gebrauchtes Schlagwort zu gebrauchen), indes waren sie den Erbschleichern aus Byzanz und zweihundert Jahre später den Kreuzzüglern nicht derart gewachsen, wie man es von einer derartigen Hochkultur hätte erwarten dürfen und sogar müssen. Die inneren und äußeren Fehden warfen das Abbasidenreich um wenigstens 300 Jahre zurück, und spätestens mit der europäischen Aufklärung und der damit verbundenen Loslösung der Wissenschaft von der Religion überholten Zivilisation und Wissenschaft den Orient.

Diese Trennung gab es im Islam nie. Nicht einmal das Infragestellen einer Göttlichkeit ist im Islam erlaubt. Diese Verkettung von Religion und Wissenschaft hält daher heute noch die islamische Welt in sehr engen Geistesgrenzen. Sicher, ideologischer oder religiöser Fanatismus in seinem Wesenskern ist auch heute noch dem Westen nicht fremd, man denke nur an Ideologien wie Faschismus, Kommunismus – oder die große Klimawandelkirche, der sich „die Wissenschaft“, besser aber noch die Bürger heute unterwerfen sollen.

Wir sollten uns genau anschauen, was die blühenden nahöstlichen Hochkulturen vernichtet hat – und möglichst die gleichen Fehler vermeiden. Und jetzt schwinge ich mich wieder auf die Stadtmauer der „runden Stadt“ und tauche meine Assassinenfeder in das Blut eines Bösewichts.

 

Thilo SchneiderJahrgang 1966, freier Autor und Kabarettist im Nebenberuf, LKR-Mitglied seit 2021, FDP-Flüchtling und Gewinner diverser Poetry-Slams, lebt, liebt und leidet in der Nähe von Aschaffenburg.

Foto: Timo Raab

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Holger Kammel / 28.10.2023

Betreff der Wirkung derartiger Spiele auf die Realität bin ich zwiespältig veranlagt. Ich gebe zu, wenn ich ein Spiel suche, gehe ich sofort in die “Giftabteilung.” Mein bevorzugtes Gemetzel ist übrigens Doom, dort wird sogar mit der Kettensäge gefleischert. Wozu braucht man eine Benzinkettensäge mit mindestens 50 cm Schwert? Natürlich zum Holz machen im Wald, aber viel wichtiger ist, wie wollen Sie ein vernünftiges Kettensägenmassaker veranstalten, wenn Sie nicht passendes Gerät haben. Ich denke, wenn Sie eine humanistische Bildung haben, ist das harmlos. Aber inwieweit das auf Heranwachsende wirkt, die in der Schule nicht mehr gebildet, sondern ideologisch abgerichtet werden, mit klaren Feindbildern übrigens, wage ich nicht abzuschätzen. Mehr erschreckt mich die Brutalisierung in den Medien. Schauen Sie sich “Herr der Ringe” und die dortigen Gemetzel an. Abgesehen vom vollendeten Schwachsinn der Handlung. Was mich besonders anödet, sind die Doppelhandlungsstränge. Da metzeln sich 5 verschiedene Heere gegenseitig nieder und entscheidend ist lediglich, ob der Hobbit einen Ring in den Vulkan wirft. Könnten die Jungs doch solange Picknick machen, oder? Der Höhepunkt des brutalisierten Schwachsinns war die Serie “Das Lied von Eis und Feuer.” Um zum eigentlichen Artikelinhalt zurüchzukommen, ich halte die arabische Hochkultur hauptsächlich für Propaganda. Die Zeit war der Höhepunkt der arabisch-islamischen Expansion. Die Eroberer saugten das Wissen der unterworfenen Völker in sich ein, zu eigener Kultur oder gar einer Weiterentwicklung führte das nur rudimentär und temporär. Avicenna oder Ibn Sina soll Kurde gewesen sein. In der Literatur wurden zweifellos Höhepunkte erreicht. Die Geschichten aus 1000 und einer Nacht und die Erzählungen um Hodscha Nasreddin, besonders letztere, belegen das. Prinzipiell ist der Islam kulturvernichtend, das ist über 1400 Jahre belegt.

Karsten Dörre / 28.10.2023

Eine schöne kurze Nachdacht der Geschichte der frühen Abbassiden im Kontext mit einem Videospiel. Die Abbassiden vernichteten und lösten die Umayyaden in einem letzten Massaker im heutigen Irak ab, dem sich ein Umayyaden-Prinz entziehen konnte und auf der fernen Iberischen Halbinsel als lebensraumloser Migrant ein neues Exil-Reich erschuf (Emirat von Cordoba). Dieser Umayyade hätte beinahe Karl den Großen erwischt. Die schnelle Flucht Karl des Großen ohne seinem Kriegsheer in dessen Kreuzzug gegen die Ungläubigen auf der Iberischen Halbinsel rettete diesem das Leben. Geschichte ist immer wieder spannend, interessant und vielfältig.

Ralf Pöhling / 28.10.2023

Was ich in diesem Zusammenhang wärmstens empfehlen kann, ist Assassins Creed Valhalla. Da sieht man wunderbar, dass das Nordeuropa unter Nordischer Mythologie mal wehrhaft war, bis uns das Christentum die Wehrhaftigkeit ausgetrieben hat. Und das hat gerade heute desaströse Folgen. P.S.: Falls Sie noch auf der ersten Xbox One daddeln, Herr Schneider, versuchen sie es mal mit der Series X. Macht einen großen Unterschied. AC Valhalla kommt auf der alten One pixelig und ruckelig daher, auf der Series X knackscharf und flüssig. Macht da erst richtig Spaß, den Morgenstern zu schwingen.

Andreas Mertens / 28.10.2023

@D. Kong Jr.  Was sie da gerade abgesondert haben ist so ziemlich der größte Unsinn seit Greta Thunbergs Eltern auf das Kondom oder die Pille danach verzichtet haben. Wenn die Hamas-Mörder schon mit Videospielen trainieren dann vielleicht mit Counter Strike, Battlefield, Call of Duty oder oder oder aber nicht mit Assassins Creed, einem Schleichspiel in dem es keine einzige AK47 gibt . Und noch was. Diese wandelnden Haufen Scheiße die sich Hamas nennen würden auch ohne Videospiele das Morden üben. Da reichen Erbsenpistolen und Pappattrappen. Aber schön das sie ausgerechnet hier versuchen ihren moralingetränkten Zeigefinger in anderer Leute Allerwertesten zu schieben.  Nun seien sie versichert, die IDF trainiert nicht mit einem Videospiel. Die werden der ganze Mordbande da Unten jetzt ein “LARP” präsentieren das denen (wortwörtlich) Hören und Sehen vergeht. Was ihre Hinweise auf Serienkiller und Amokläufer angeht ... da greifen sie in die seit Jahrzehnten verstaubte Grabbelkiste der ZDF-Morgenmagazins. Was sind sie, verbeamteter Deutschlehrer? Bisschen Bildung gefällig? Aus dem US Fachmagazin Psychology Today -> Blame Game: Violent Video Games Do Not Cause Violence - What research shows us about the link between violent video games and behavior / Wahlweise aus der Royal Society Open Science: Violent video game engagement is not associated with adolescents’ aggressive behaviour: evidence from a registered report. Das gleiche kann man von bestimmten Ausformungen des organisierten Aberglaubens (aka Religion) und vieler nicht minder verachtenswerten Ideologien nicht unbedingt behaupten.

D.Graue / 28.10.2023

Meine Güte Herr Kong. Milliarden Menschen schauen Filme und spielen Videospiele und können eben doch Realität und Fiktion auseinanderhalten. Idioten wird es immer geben. Deren Taten und Dummheit sind aber nicht das Resultat von Unterhaltung, sondern von Erziehung, Ideologie, Indoktrination oder schlicht von Dummheit. Mit diesem Argument können Sie auch Bücher verbieten. Lesen Sie mal die Grimmbrüder. Da finden Sie ebenso Gewalt und Bösartigkeit. Am besten alles verbieten, oder was? Dann sind alle lieb und artig? Die Menschen haben sich immer auch ohne Papier und Computer gegenseitig umgebracht und gequält. Überdenken Sie mal Ihre Sichtweise, die ist eventuell zu kurz gegriffen und falsch.

Rolf Mainz / 28.10.2023

“Und tatsächlich war das Bagdad zur Zeit der Abbasiden sowohl dem Westen als auch dem Osten wissenschaftlich, technisch und kulturell um Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte voraus.” Genau das ist der Punkt. Dieser Vorsprung wird oft mit dem Islam in Verbindung gebracht. Tatsächlich aber ging dieser Vorsprung mit dem aufkommenden Islam endgültig dahin und verkehrte sich in das genaue Gegenteil, die heutige Rückständigkeit islamisch geprägter Staaten, sofern sie nicht zufällig von Bodenschätzen profitieren.

Gerhard Schmidt / 28.10.2023

Parallele: Um 1900 war Deutschland kulturell und technologisch Weltspitze - So schnell kann´s halt gehen, wenn man sich gehen lässt…

Anna Scheufele / 28.10.2023

Man/n könnte auch ein/zwei Bücher zum Thema lesen. Lesen bildet!

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