Thilo Schneider / 08.05.2020 / 06:23 / Foto: Timo Raab / 166 / Seite ausdrucken

Alle dabei zum 8. Mai

Am 8. Mai 1985 hielt der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker eine bemerkenswerte Rede anlässlich des Gedenkens an das Kriegsende vor 40 Jahren. Und wieder sind 35 Jahre vergangen, und wieder wird es „historische“ und „staatstragende“ Reden zum Kriegsende 1945 geben, dessen jüngste Überlebende heute auch 75 Jahre alt sind und zu Kriegsende noch das Hauptproblem hatten, eine geeignete Person zu finden, die ihnen die Windeln wechselt.

Es gibt ein sehr schönes Bild von der deutschen Grenze 1945. Darauf stand für die amerikanischen Truppen: „Germany. You are entering an enemy country. Keep alert“. Von Befreiung stand da nichts. Wen hätten die Amerikaner, außer den ausgemergelten und noch nicht getöteten Gefangenen in den KZ, denn befreien wollen? Und von wem? Die damaligen Deutschen haben, wenn schon nicht Hitler, so doch sein Regime unterstützt. Quasi über Nacht und Nebel waren zwar sämtliche Nazis verschwunden (und die Alliierten konnten lediglich ein paar hochrangige Paladine kassieren), aber der Geist der „Volks- und Schicksalsgemeinschaft“ (Hitler) waberte noch sehr viel länger und auch sehr viel dreister als nur 12 Jahre „Fliegenschiss“ (Gauland) durch die neue Bundesrepublik mit ihrem „dreckigen Wasser“, das Adenauer sich weigerte wegzuschütten.

Schauen wir einmal auf den 8. Mai 1945. Karl Dönitz ist Hitlers Erbe als Reichskanzler und spielt in Flensburg Regierung. Zwei Tage vorher haben General Jodl und Admiral von Friedeburg in Reims versucht, mit Eisenhower um Teilkapitulationen zu feilschen, letztlich müssen sie aber eine Gesamtkapitulation unterzeichnen. Die Russen ärgern sich, dass sie nicht dabei waren, deswegen dürfen der arrogante Generalfeldmarschall Keitel, erneut Generaladmiral Von Friedeburg und Generaloberst Stumpff in Karlshorst auch noch einmal vor den Russen gesamtkapitulieren. Himmler wieselt in Flensburg um Dönitz herum, weil er tatsächlich dumm genug ist, zu glauben, die Alliierten bräuchten ausgerechnet ihn und seine SS als „Ordnungsfaktor im Reich“. Am 11. Mai setzt er sich ab, wird kurz darauf von den Engländern geschnappt und bringt sich gemeinsam mit seiner Frau um. Göring, der von Hitler persönlich seit Ende April aus der NSDAP geschmissen wurde, geistert irgendwo im Tiroler Land herum, immer in Sorge, dass ihn die Russen erwischen, bevor er sich den Amerikanern andienen kann. 

Die NS-Kaffeetanten, die Blockwarte...

Aber wo sind die anderen? Die Kleinen? Die, die man normalerweise henkt, während die „Großen“ laufen gelassen werden? Die NS-Kaffeetanten, die Blockwarte, die Fähnleinführer, die NS-Bürgermeister? Die haben sich durch die Schlachtbank das Parteiabzeichen abgerissen und gemeinsam mit „Mein Kampf“ irgendwo im Wald vergraben, laufen in Zivil herum und waren „schon immer dagegen“. Die NS-Bürgermeister haben sich abgesetzt und versteckt, sie werden in der Bundesrepublik wieder auftauchen und auf ihre Rentenansprüche aus ihrer „Tätigkeit im öffentlichen Dienst“ klagen. Auch sie waren natürlich „immer dagegen“ oder „haben nichts gewusst“. Wie ihre Bürger auch, die sich augenscheinlich eingeredet haben, ihre jüdischen Nachbarn, die sich mit ihren Köfferchen an den Sammelstellen einfinden oder abgeholt werden, fahren in die Sommerfrische oder nach Sansibar. 

Und auch das genaue Gegenteil passiert: Am 8. Mai um 0.01 Uhr haben mehr Deutsche Juden in Kellern versteckt, als es überhaupt Juden und Keller gibt. Und wer vorher seinen Nachbarn als „Juden“ denunzierte, denunziert jetzt den anderen Nachbarn als „Nazi“. Frei nach dem Motto „Haltet den Dieb“. Ein Volk, das gegenseitig aufeinander zeigt, wenn es nicht gerade Kohlen und (amerikanische) Kippen sammelt.  Aber bitte: Alle haben ja „nur Befehle befolgt“ und sich „nach der Rechtslage“ (im wahrsten Wortsinne) „gerichtet“. Am liebsten über andere. Denn „was gestern Recht war, kann heute nicht Unrecht sein“, wie der NS-Marinerichter und spätere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Hans Filbinger, so überaus bemerkenswert ehrlich sagte. Auch wenn er das im Nachhinein als präinformationszeitlichen „Mausrutscher“ verstanden wissen wollte…  

Oh, sie kommen alle wieder, die „dreckigen Wasser“: Hans Globke, der Mitverfasser der „Nürnberger Rassegesetze“ schafft es bis zum Chef des Bundeskanzleramts unter Adenauer und wird vor und nach 1945 mit Orden und Ehrungen überhäuft. Ein SS-Brigadeführer namens Naumann (laut „Hitlers Testament“ der Nachfolger von Goebbels) versucht, mit alten NSDAP-Kameraden die FDP zu unterwandern, bis die Clique von den englischen Besatzungsmächten ausgehoben wird. Naumann schadet das nicht sonderlich, der Stiefsohn von Goebbels, Harald Quandt (ja genau, der, dessen Familie der größte Teil von BMW gehört und die eine der reichsten Familien Deutschlands sind), wird ihn als Direktor eines Metallwerks einstellen. Fett schwimmt eben oben. Sie hatten alle ihre Filbingers, von SPD über die Liberalen, bis hin zur Union. Sie waren Bundestags- und Landtagsabgeordnete, Botschafter, Staatssekretäre und Spitzenbeamte, und natürlich wussten alle von gar nichts und „waren ja nur dabei, weil sie ja mussten, aber mehr so passiv“. Sogar die vielleicht jetzt grinsenden Grünen hatten ihre Springmänner.   

Der mit dem Eisernen Kreuz zweiter und erster Klasse ausgezeichnete Wehrmachtsoffizier Richard von Weizsäcker sagte 1985: „Schauen wir am heutigen 8. Mai, so gut wir es können, der Wahrheit ins Auge."

Die Wahrheit ist: Sie waren alle dabei. Mal mehr, mal weniger. Aber alle. Alle, die sich nicht auf die „Gnade der späten Geburt“ (Helmut Kohl) herausreden können. Die anderen wurden vertrieben oder ermordet.  

(Weitere bittere Wahrheiten des Autors unter www.politticker.de )

Foto: Timo Raab

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Peter Bernhardt / 08.05.2020

@Wilfried Düring „Man erkennt den Charakter eines Volkes auch daran, wie es nach einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht.“( General de Gaulle, französischer Staatspräsident )

Peter Bernhardt / 08.05.2020

Walter Lippmann (Einflussreicher US-amerikanischer Journalist, Schriftsteller und Medienkritiker) „Erst wenn die Kriegspropaganda der Sieger Eingang in die Geschichtsbücher und Lehrpläne gefunden hat und von den nachfolgenden Generationen geglaubt wird, kann die Umerziehung als gelungen angesehen werden.

Volker Kleinophorst / 08.05.2020

Ein Freund heute zu mir am Telefon. Natürlich wurden wir 1945 befreit. Wir wurden von einem großen Teil unseres Staatsgebietes befreit, von unserem Vermögen, unserer Souveränität und nicht wenige Deutsche wurden nach der Befreiung von ihrem Leben befreit. Viel Spaß beim Feiern.

Eberhard Berger / 08.05.2020

Ein Zitat möchte ich noch bringen: “Der Widerstand gegen Hitler und die Seinen wird umso stärker, je länger das Dritte Reich zurück liegt.” (Johannes Gross (1932-1999) deutscher Publizist und Fernsehmoderator).—- Und noch ein Danke an IVAN MELNIK, der als Russe ein paar versöhnliche Worte einbringt.

Rainer Kaufmann / 08.05.2020

Ich vermisse die Kollegen aus Kultur und Journalismus, die dabei waren. Manchmal sogar mittendrin, statt nur dabei. Nannen, Grass, Jens, Höfer…

M.Braun / 08.05.2020

Werner@Grandl “Das Ergebnis: ganze 7,5 % der Österreicher waren Mitglieder der genannten Organisationen. Im “Altreich” wird es nicht viel anders gewesen sein. Ich weiß aus meiner Familie, dass die Skepsis gegenüber dem Regime im ländlichen Milieu besonders ausgeprägt war. In den Krieg gezogen ist auch damals niemand gerne. Die wenigen Personen, die sich tatsächlicher Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben, wurden nach 1945 zur Rechenschaft gezogen.” Behaupten Sie nicht so einen Schwachsinn!

Hans Schnaider / 08.05.2020

Der 8. Mai brachte Deutschland auch die Befreiung von einem darüber hängenden Damoklesschwert, Atombombe genannt. Von Schlauköpfen erdacht, die Entwicklung von den Amis bezahlt, sollte sie - auf eher ruppige Weise - das Ende des Krieges in Europa herbeiführen . Nachdem Deutschland, etwas vorfristig,  plattgemacht war und die weiße Fahne schwenkte, startete” enola gay” , das war der Name des Bombers , schlussendlich gen Hiroshima.

Hans-Peter Dollhopf / 08.05.2020

Herr Schneider, ich habe Sie verstanden. Das Land der Deutschen hob sich urplötzlich an einem Montag im Jahre 1933 aufgrund der Vorsehung aus einer braunen Ursuppe aus der Nordsee empor. Behauptet irgendwer etwas anderes, hat er wohl einen Vogelschiss als Hirn. Aus auf dem Boden dieses Neulandes überall verteilten klebrigen Eiern schlüpfenden sofort binnen weniger Stunden millionenfach Larven, die eingehüllt waren in Wehrmachtskittel, wie ja erst neulich der Fund eines altes Fotos auf den Fluren der hamburger Helmut-Schmidt-Universität belegte. Es ist ebbes bekannt, dass sich diese Larven dann nach einem nur gerade einmal dreizehn Jahre dauernden Fresszyklus bereits 1945 verpuppten, um schon Monate später als noch gefräßigere Insektenartige ihren Kokons zu entsteigen. Die Menschheit konnte die Plage aber dank der Errichtung eines Antifaschistischen Schutzwalles an einem Tag im August des Jahres 1961, ein Sonntag, gerade noch rechtzeitig eindämmen. Seither ist “Pest Control” ein internationales Must-have und jedes antizionistische Palästinenserkind weiß aus seinen von UN/EU bezahlten Schulbüchern, dass in Palestine der Endsieg der Pest Control zu erfolgen hat. Kein Wunder, dass An- wie Vielzahl an Insekten weltweit rasant abnimmt, besonders die Bienen Bayerns, wo einst jene Monsterhornisse wütete, siehe bpb: “Vom Feind zum Freund: Die Stasi und Franz Josef Strauß”.

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