Denkt man an Apollo 11, den ersten bemannten Flug mit einer Mondlandung am 20. Juli 1969, denkt man meist an das Filmmaterial der damaligen Zeit – ein weißer Mann, der den ersten Schritt macht und jubelnde weiße Männer im Kontrollzentrum. An sich ist das nichts Schlimmes, bei einem so historischen Ereignis geht es um Leistung, nicht um Quote. Aber spätestens seit 2015 der Film „Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen“ in die Kinos kam, erfuhr die Welt, dass es eben nicht nur Männer bei der NASA gab. Der Film erzählt die bis dahin unbekannte Geschichte von Katherine Johnson, Dorothy Vaughn und Mary Jackson – drei afro-amerikanische Mathematikerinnen, die sich zur Zeit der Rassentrennung bei der NASA hochgearbeitet haben. Ohne sie wäre die amerikanische Weltraumfahrt nicht dieselbe.
Eine afro-amerikanische Komikerin brachte meinen ersten Eindruck zu diesem Film auf den Punkt, als sie erklärte, dass sie ihn zuerst nicht sehen wollte, weil sie befürchtete, es könnte so etwas wie „The Help in Space“ sein. Dass das Drama für drei Oscars nominiert wurde, wirkt doch eher abschreckend, jedenfalls heutzutage. Allerdings tut man den drei Frauen unrecht, denn ihnen musste nicht geholfen werden. Zu einer Zeit, in der Sexismus und Rassismus zwar noch kein wirklicher Begriff, dafür aber Alltag waren, brachten sie Amerika ins All. Katherine Johnson ging noch einen Schritt weiter – und brachte Amerika auf den Mond, bevor dort die russische Flagge wehen konnte. Auch wenn sie ganz sicher nicht die Einzige war und man viele Geschichten erzählen könnte, ist ihre wohl die interessanteste.
Am 26. August 1918 wurde sie als jüngstes Kind in White Sulphur Springs geboren. Ihre Begabung und Begeisterung für die Mathematik zeigte sich schon früh. Als sie mit sechs Jahren eingeschult wurde, schickte man sie direkt in die zweite Klasse, weil sie schon längst lesen konnte. Ihr Vater, der die Schule selbst nach der 6. Klasse abgebrochen hatte, legte großen Wert auf die Bildung seiner Kinder. Da die Schulen für Afroamerikaner in White Sulphur Springs alle nach der 8. Klasse endeten, wurden die Geschwister auf eine afro-amerikanische High School geschickt, die zweihundert Kilometer entfernt von zu Hause lag. Kathrin, die inzwischen schon zwei Klassen übersprungen hatte, war erst zehn Jahre alt, als sie auf die weiterführende Schule kam. Mit vierzehn Jahren wechselte sie mit einem Stipendium an das West Virginia College. Als einzige Schülerin belegte sie Analytische Geometrie, sie studierte die Fächer Mathematik und Französisch, die sie – beide mit Auszeichnung – mit einem Bachelor of Science abschloss, als sie achtzehn Jahre alt war. Für sie waren schlechte Verhältnisse oder Diskriminierung nichts, was sie in Kriminalität oder Ähnliches stürzen würde. Wenn es bei ihr keine Schule gibt, dann zieht man dorthin wo es eine gibt, auch wenn die nächste zweihundert Kilometer entfernt ist. Statt zu jammern, arbeitete sie sich hoch.
Anerkennung durch Leistung
Später bei ihrer Arbeit für die NASA fiel sie auf, weil sie ungewöhnlich viele Fragen stellte, sie wollte Zusammenhänge und Hintergründe verstehen und ging über die Aufgaben und Zahlen hinaus, bis ihre Kollegen sich daran gewöhnten, dass sie Fragen stellte und die einzige Frau war. Katherine machte sich durch ihre Kenntnisse in analytischer Geometrie bei der Abteilung für Flugforschung, an die sie eigentlich nur befristet ausgeliehen war, bald unentbehrlich, weshalb ihre Kollegen nach der Frist vergaßen, sie wieder abzugeben. Obwohl sie als Farbige sicher keine bessere Ausbildung als ihre männlichen weißen Kollegen hatte und es sicher schwer für sie war, ernst genommen zu werden, bekam sie Anerkennung. Anerkennung, die sie nicht mit #metoo oder Black Lives Matter hinterher geschmissen bekam, sondern sich durch ihre Leistung erarbeitet hat. Sie half dabei, die Grundlage für bemannte Raumfahrt zu erarbeiten, und es waren ihre Berechnungen, die Alan Shepard bei dem zweiten bemannten Flug in der Geschichte der Raumfahrt sicher auf die Erde zurückbrachten. Katherine war auch an der ersten Erdumrundung des amerikanischen Astronauten John Glenn beteiligt. Denn der hatte sie darum gebeten, die berechneten Umlaufdaten eines Computers zu überprüfen, weil er ihr mehr vertraute als einer Maschine.
Schlussendlich berechnete sie die korrekte Umlaufbahn für die Apollo-11- Raumschiffmission, wodurch sie entscheidend zum Erfolg der ersten Mondlandung beitrug. Auch viele darauf folgende Missionen wurden durch ihre Fähigkeiten überhaupt erst möglich gemacht. Katherine Johnson hat den amerikanischen Traum wahr gemacht, obwohl Amerika es ihr zu der Zeit nicht sonderlich leicht gemacht hat. Es ist zwar für die Mission egal, welches Geschlecht oder welche Hautfarbe derjenige hat, der die Zahlen liefert, solange sie stimmen, doch für ihr Leben war es das damals nicht. Sie hat all das ohne Selbstmitleid oder Jammern trotzdem geschafft. Sie beweist, dass man sogar Menschen auf den Mond bringen kann, wenn man sich traut, nach den Sternen zu greifen.
Elisa David ist 18 Jahre alt und stammt aus Lübeck
Dieser Beitrag erscheint heute auch auf dem Jugend- und Schülerblog Apollo-News. Der macht heute seinem Namen alle Ehre: In einem Schwerpunkt berichtet er zum 50. Jahrestag der Mondlandung über die Mission und ihre Bedeutung für die Menschheit. Dabei geht es auch um Aspekte, die andernorts eher vernachlässigt werden. So fragt Air Tuerkis: Wäre eine solche Leistung im heutigen fortschrittsfeindlichen Klima überhaupt noch möglich?