Fred Viebahn / 05.02.2007 / 09:44 / 0 / Seite ausdrucken

Uschis heißer Busen und mein kalter Boiler

Zufälle und Non-sequiturs sind das Salz des Lebens. Überhaupt hüpfe ich fürs Leben gern vom Hölzchen aufs Stöckchen. Ich bitte also um Geduld bei meinen Umwegen um ein paar obskure Ecken; sie sind weniger mutwillig, als sie auf den ersten Blick scheinen mögen.

Vor einem Jahr veröffentlichte ich in meiner Kolumne “Forsicht Freddy”, in der ich mich auf Henryk Broders Website gelegentlich über dies und das auslasse, einen längeren Artikel über die Turbulenzen unserer Jugendfreundin “Ana Be“. Und vor ein paar Wochen berichtete ich hier, auf Achgut, unter “Grabschen nach Uschi Obermaier” von Assoziationen beim um fast vier Jahrzehnte verspäteten Gucken des 1969er Filmchens “Rote Sonne”, in dem die echte Heißmacherin der eigentlich schlappschwänzig-großmäuligen Kommune Eins mehr schlecht als recht eine unechte, auf Männermord erpichte Kommunardin spielte.

Letzte Woche, während in Deutschland das von Kritikern nicht gerade gnädig aufgenommene Bio-pic übers “wilde Leben” des inzwischen zur kalifornischen Schmuckdesignerin mutierten ehemaligen Pop- und Politikgroupies anlief, erkaltete bei mir im milden Virginia einer der beiden 50 Gallonen-Heißwasserboiler unseres Hauses—nach einem Jahrzehnt ununterbrochener Laufzeit keine totale Überraschung. Früher rief man in solcher Lage den Klempner an, und der kam endlich, nachdem er einen zwei-, dreimal versetzt hatte, und installierte ein neues Gerät, das er in seinem Lieferwagen gleich parat hielt, zu einem gepfefferten Preis. Geräteauswahl gab’s dabei nicht, man mußte dem Mann schon trauen—was viele Handwerker weidlich zu ihrem materiellen Vorteil ausnutzten.

Auch hier, wie in so vielen Bereichen, begünstigt heutzutage das Internet einen Wandel zum Konsumentenvorteil. So googelte ich nach den besten neuen Boilern und zufriedensten Kundenbeurteilungen, fand schnell das ideale Gerät mit doppelter Wärmedämmung und doppelter Garantie (12 statt 6 Jahre) im Vergleich zum alten, machte einen Großhändler in der Nähe aus, der auch einen Installateur an der Hand hatte, und binnen vierundzwanzig Stunden war die Sache erledigt—zu zwei Dritteln des Gesamtpreises, den ich vor zehn Jahren für ein minderwertigeres Modell gezahlt hatte.

Da der neue Boiler etwas dickbäuchiger ist als der alte, mußte ich am Vorabend einen unheimlich schweren, da feuersicheren Aktenschrank, der einen Zentimeter vom Boiler entfernt stand, ein wenig verrücken. (Ich hatte das Ding beim Bankrott einer Textilfabrik ersteigert.) Bewegen ließ sich das Ungetüm allerdings erst, nachdem ich es völlig geleert und sämtliche Schubladen und Trennwände rausgenommen hatte. Dabei knallte mir ein ganzer Papierstapel zu Boden (ich hatte die Hände zu voll genommen). Japsend hockte ich mich erstmal auf einen Schemel und guckte, was ich da vor Jahren für wichtig genug befunden hatte, im Panzerschrank aufzubewahren.

Zwischen längst vergessener Korrespondenz, mehreren Ausgaben von “spontan” und “twen”, für die ich Ende der 60er und Anfang der 70er geschrieben hatte, Hörfunkmanuskripten und vergilbten Ausschnitten meiner fast 40 Jahre alten Artikel für den Kölner Stadt-Anzeiger streckte sich mir plötzlich eine schwarzweiß gezeichnete Zunge entgegen. Es war der Cover von “broders bubu & viebahns eiapopeya”, Ausgabe Herbst 1970, der wunderbar beknallten Postille, mit der Henryk Modest Broder und ich damals aus lauter journalistischem Jux und publizistischer Dollerei alle möglichen Knallchargen, die sich selbst zu ernst nahmen, provozierten, attackierten oder aus ihren Schneckenhäuschen zu locken versuchten.

In einem gemeinsamen Artikel schilderten wir “die Geschichte über einen in die Hose gegangenen Emanzipationsversuch”—den der Ana Be, deren erster Roman 1969 von Henryk an mich vermittelt wurde und dann von mir kräftig redigiert bei meinen damaligen Verlag Merlin in Hamburg erscheinen sollte. Als Merlin auf der Umschlaginnenseite ein busenfreies Mädel abbilden wollte, was dem Stoff durchaus angemessen war, machte die Autorin, die sich anfangs selbst für freizügige Fotos angeboten hatte, ein Riesentheater: “Ich lasse es nicht zu, daß so eine billige Nutte auf den Umschlag kommt.” Und setzte hinzu: “Ich hätte nichts dagegen, wenn’s die Uschi Obermeier wäre, aber diese billige Nutte auf dem Cover hat ja einen Hängebusen!”

Wie’s weiterging, ist in meiner Kolumne auf der Broderschen Website verewigt: “Schräge Typen - Werden und Welken der Aliana Brodmann Ebermayer von Richthofen”. Wie gesagt, Zufälle und Non-sequiturs, wobei das wilde Leben, bei dem sich manche Achtundsechziger einst den Mund verbrannt und den Schwanz eingeklemmt hatten, mit der Zeit immer zahmer wurde; aus heiß wurde lau, und dann kühlte es ab.

Die Papiere wanderten dieses Wochenende zurück in den Panzerschrank neben dem neuen Heißwasserboiler, mit dem man’s sich im Sprudelbad endlich wieder gut einheizen kann; allerdings sorgt eine Temperaturbegrenzung dafür, daß man sich nicht verbrüht. So haben wir “Alten” es gern—Uschi Obermeier, die zum gleichen Jahrgang gehört wie Henryk und mir ein halbes Jahr voraus ist, sicher auch.

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