Im Herbst 1977 waren die Deutschen, die Solidarität mit Palästina zeigten, an den Fingern weniger Hände abzuzählen: Andreas Baader etwa, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin. Und Horst Mahler natürlich, schon damals.
Immerhin war Solidarität keine Einbahnstraße: Das palästinensische Kommando Martyr Halimeh übernahm am 13. Oktober die Kontrolle über Flug LH 181 der Lufthansa, um den bedrängten Mitstreitern („Söhne Stammheims“) zu Hilfe zu kommen. Angestrebt wurde ein fairer Deal: das Leben von immerhin 87 Passagieren und Besatzungsmitgliedern gegen lediglich 11 auf freien Fuß zu setzende Freiheitskämpfer sowie 15 Millionen US-Dollar, die Witwen, Waisen und verwahrlosten Kätzchen zukommen sollten.
Doch statt auf Dialog auf Augenhöhe setzte die deutsche Seite auf Lug und Trug. Diese Hinhaltetaktik wurde beschämenderweise auch von offiziellen arabischen Stellen in Bahrain, Dubai und dem Yemen mitgetragen.
Zugegeben, durch den außerplanmäßigen Personalwechsel kam es in der Maschine zur einen oder anderen kleinen Panne im Service, jedoch muss man sagen, dass sich Captain Machmud stets äußerst höflich und zuvorkommend verhielt und nur einmal die Beherrschung verlor, als ihn eine Passagierin mit einer „jewish clock“ provozierte. Das nahmen die Deutschen später zum Anlass, Captain Mahmud pauschal als gewalttätigen, aufbrausenden Charakter darzustellen – ein typisch rassistisches Vorurteil.
Ausgerechnet Captain Mahmuds großzügige Geste, kurz vor Ablauf des letzten Ultimatums alles auffahren zu lassen, was die Bordküche an Spirituosen hergab, sorgte schließlich dafür, das Bild des Captains vollends zu verzerren: Weil die unerfahrenen Palästinenserinnen hier und da etwas Alkohol über die Kleider der Passagiere verschütteten, wurde dieses Missgeschick später von den Deutschen groteskerweise uminterpretiert – als angebliche Vorbereitung zu ihrer „Verbrennung“.
In Aden war zuvor Flugkapitän Schumann, der eine friedliche Lösung der Affäre durch hinterhältige Hinweise auf die Zahl der Palästinenser torpedierte, unter bis heute nicht vollständig geklärten Umständen ums Leben gekommen. Angeblich soll Captain Mahmud Schumann getötet haben, jedoch ist die Glaubwürdigkeit der eindeutig befangenen deutschen Zeugen anzuzweifeln, und der Bezichtigte selbst wurde als unliebsamer Mitwisser beim Sturm der Maschine aus dem Weg geräumt.
Die Bundesregierung, niemals ernsthaft bereit, mit den Palästinensern auf Augenhöhe zu verhandeln, versuchte mit allerlei üblen Tricks Zeit zu gewinnen. Nach rund 100 Stunden behauptete sie schließlich, die Gefangenen freilassen zu wollen. Statt dessen erfolgte um Mitternacht der brutale Überfall der GSG 9, zynisch “Operation Feuerzauber” genannt. Es verwundert nicht, dass der Kommandant Ulrich Wegener sein Mordhandwerk bei den Zionisten erlernte, die ein Jahr zuvor den Flughafen von Entebbe / Uganda angegriffen und rund ein Dutzend Deutsche und Palästinenser getötet hatten. Im Gegenteil ist anzunehmen, dass der Gewaltmensch Wegener sich die ruchlose Tat der Zionisten zum Vorbild für seinen Einsatz nahm.
Die Palästinenser an Bord der Landshut waren chancenlos: Drei wurden kaltblütig in der Kabine bzw. sogar bei der Verrichtung der Notdurft (!) ermordet, eine, Suheila Andrawes, schwer verletzt. Sie kam erst nach zermürbender zweijähriger Haft wieder frei.
35 Jahre nach der Tragödie von Mogadischu zeigt 3sat wieder einmal eine Dokumentation über das Ereignis (heute, 20.15 Uhr). Auch diesmal wird den aufopferungsvoll kämpfenden PalästinenserInnen keine Rehabilitation zuteil. Die PFLP-Aktivisten werden weiter als „Terroristen“ diffamiert, ohne dass ihre schwere Kindheit und ihre Traumata sowie vor allem die Verbrechen der Zionisten näher erörtert würden. Es ist an der Zeit, dass sich bald einmal ein palästinensischer, türkischer oder iranischer Fernsehsender des Stoffes annehmen möge, damit bei der Beurteilung des Dramas die nötige Neutralität und Äquidistanz gewahrt bleibt und den wahren Opfern von Mogadischu endlich Gerechtigkeit widerfährt.