Ulli Kulke / 28.08.2014 / 12:42 / 9 / Seite ausdrucken

Nachts ist es kälter als draußen

Jetzt ist es ja wieder etwas wärmer geworden, etwas, und da vergisst man schnell, was noch vor ein paar Tagen los war. Da war es nämlich bitter kalt. Für einen Sommermonat jedenfalls. Ich habe für mich die Heizsaison im Haus eröffnet. Und ich habe auch eine Sendung im Fernsehen gesehen, in der es darum ging, ob die Vermieter bei solch – für den Monat August – ausnehmend kalten Tagen, wie sie uns jetzt beschert wurden, für seine Mieter die Heizung anschmeißen muss. Und dann das.

Am Dienstag zitierte die Nachrichtenagentur dpa Adrian Leyser vom Deutschen Wetterdienst (DWD) mit dem Statement, der August sei überdurchschnittlich warm gewesen. Zwar nur 0,1 Grad, aber: zu warm. Der August ist normalerweise einer der beiden wärmsten Monate in Deutschland. Wenn man da schon heizen muss – kann es dann im August überdurchschnittlich warm gewesen sein, waren denn die August-Monate in den letzten Jahren im Schnitt wirklich noch kälter? Nein, waren sie eben nicht.

Die Behauptung des DWD „zu warm“ lässt sich erklären, aber sie wird dadurch nicht weniger absurd. Verglichen wird immer mit einem „langjährigen Mittelwert“ oder der „langjährigen Durchschnittstemperatur“, was ja an sich korrekt ist. Das liest sich aber auf den ersten Blick, als würde der August mit zeitlich nahen vorherigen August-Monaten verglichen. Genau das ist aber nicht der Fall. Der „Referenzzeitraum“, mit dem alle aktuellen Temperaturdaten immer verglichen werden, ist für den DWD die Spanne zwischen 1961 und 1990. Er folgt damit den Vorgaben der World Meteorological Organisation (WMO) – was das ganze allerdings nicht plausibler macht.

Dass der Zeitraum dreißig Jahre umfasst, ist korrekt, das ist die Dauer, ab der man von Klima spricht. Dass aber der Vergleichzeitraum schon vor mehreren Jahrzehnten beendet war, dass heutige Daten neben Daten von vor über 50 Jahren gehalten werden, ist widersinnig, macht den Vergleich wertlos. Man kann daran allenfalls ablesen, wie sich das Klima im Großen und Ganzen im Laufe des letzten halben Jahrhunderts entwickelt hat. Aber eben nicht feststellen, wie die Dynamik zur Zeit läuft, nach oben, geradeaus, oder nach unten, wo genau der jetzige August einzuordnen ist – obwohl der Duktus des DWD genau diese Information suggeriert.

Wir wissen ja, dass es heute – global und auch in Deutschland – ein wenig wärmer ist als noch in den 60er Jahren. Wir wissen aber auch, dass es zur Zeit nicht weiter aufwärts geht. Genau dies, einen weiteren Anstieg nämlich, gaukelt uns aber die Behauptung vor, der August 2014 sei wärmer als die Augustmonate im langjährigen Durchschnitt. Bei solchen Vergleichen geht es immer aufwärts, auch wenn es – wie zur Zeit – seit geraumer Zeit nur noch seitwärts geht, wenn nicht sogar abwärts.

Die Aussage des DWD ist statistisch hochgradig irreführend, Vorgaben der WMO hin oder her. Es wäre schließlich ein Leichtes, den Referenzzeitraum jedes Jahr anzupassen, ihn im Computerzeitalter im Jahresrhythmus „mitzuziehen“. Nur dann könnte man sinnvolle Aussagen treffen über die aktuelle Entwicklung, die über die Banalität hinausgehen, dass es in unserer Zeit wärmer ist als noch vor 40 oder 50 Jahren. Nachts ist es kälter als draußen. Oder doch nicht?

Es gibt ja Meteorologen, die rechnen – zumindest auch parallel – mit dem angemesseneren Vergleichzeitraum. Dominik Jung von Wetter.net kommt deshalb zu einer ganz anderen Aussage als der DWD: Der August ist (bis einschließlich Dienstag, 26.) um 1,4 Grad kälter als der langjährige Durchschnitt, nämlich dann, wenn er die Jahre 1984 bis 2013 zugrunde legt, was nur vernünftig ist. Jung sagt allerdings auch noch etwas anderes: Sogar dann, wenn er den diesjährigen August mit den Jahren 1961 bis 1990 vergleicht, so wie der DWD also, kommt er 2014 immer noch auf einen Wert von 0,4 Grad auch unter dem langjährigen Durchschnitt auch des DWD. Auch danach wäre der August bisher deutlich kühler.

So oder so: Auch und gerade bei Statistiken ist Skepsis angebracht. Das sollte man im Hinterkopf haben, wenn mal wieder das Wort „Klimaskeptiker!“ in den Raum geworfen wird.

Donner und Doria hatte das Thema kürzlich – unter einem anderen Aspekt – schon einmal behandelt, und zwar hier.

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Leserpost

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Hans-Peter Hammer / 29.08.2014

@ Friedrich Herberg So weit ich weiß, liegt das aber daran, daß Meteorologen in ihrem Fach nicht mit/in kalendarischen Monaten rechnen! Die meteorologischen Jahreszeiten stimmen auch nicht mit den kalendarischen überein! Siehe z.B. meteorologischer und kalendarischer Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winteranfang! Bin kein Meteorologe, aber das scheint eine spezielle fachliche (aus welchem Grund auch immer) und seit langem international übliche Praxis zu sein. Ich fürchte diese Kritik geht fehl!

Dirk Weidner / 29.08.2014

Wenn der August 2014 allen Ernstes ZU WARM war, dann ist die logische Folge, dass diese Meldungen ihren Ursprung im “Ministerium für Wahrheit” haben muss. Weiterhin aufschlussreich: ZU warm. Suggeriert durch die Hintertür, dass es eine - wie auch immer wissenschaftlich begründbare - normale Wärme im August gäbe. Man kann ja meintwegen feststellen, dass es in einem bestimmten Zeitraum kälter oder wärmer ALS in einem anderen Vergleichszeitraum war. Aber ZU warm? Woran wird das bitte definiert?

Karl Schlunz / 29.08.2014

Selbst verglichen mit dem Durchschnitt der Jahre 1960 -1990 wird die Aussage wahrscheinlich falsch sein und auf “angepassten” Meßwerten beruhen.

Waldemar Undig / 29.08.2014

Mir war es auch viel zu kalt letzte Woche. Man konnte abends gar nicht mehr gemütlich draußen sitzen. Vor allem aber fand ich den Sommer zu gewitterreich. Jeden Tag fast hat es gebltzt und gedonnert. Außerdem fiel so viel Regen, dass ich nicht einmal die Blumen gießen konnte. Vom Rasensprengen ganz zu schweigen. Das war doch kein Sommer! Eher ein etwas wärmerer April.

Peter Arbogast / 29.08.2014

Eine Million ist, wenn meine Frau mich zehn Jahre lang jeden Tag 274 Mal auffordert, mein Zimmer aufzuräumen.

Christian Schulz / 28.08.2014

“Nachts ist es kälter als draußen” war einer der zentralen Sätze in Rainer Barzels Wahlkampfrede im Bundestpagswahlkampf 1972, mit dem er die damalige Argumentation der SPD beschrieb. Das passt dann zeitlich gut :-)

Hans Spaniol / 28.08.2014

Der Juli war laut DWD auch wärmer als der langjährige Durchschnitt. Der Schweizer Wetterdienst meldete für den selben Monat, er sei kühler als der Durchschnitt gewesen. Nun ist mir klar, woher die unterschiedlichen Ansichten kommen. Es kommt auf den Referenzzeitraum an und der ist bei uns politisch festgelegt.

Matthias Mohr / 28.08.2014

Da haben Sie ganz recht - es wird stets mit der für die eigenen Vorstellungen passenden statistischen Basis gerechnet. Richtigerweise sollte der 30 Jahreszeitraum mitwandern, oder sofern die Datenbasis ab 1960 besser war, jedes Jahr um das abgelaufene Jahr erweitert werden. Andererseits: würden Sie den Metereologen, Klimaforschern und Modellierern Ihre tollen Budgets, Reisen etc finanzieren, wenn man noch sagen könnte: eigentlich alles halb so wild? Der australische “DWD” ist ja nun mit Datenfälschungen aufgefallen - die Vergangenheit (Vergleichsperiode) wird kühler gemacht, um einen steigenden Trend zu zeigen, der gar nicht da ist. Da ist Australien uns voraus, lieber DWD, oder?

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