Gastautor / 30.07.2015 / 20:09 / 2 / Seite ausdrucken

Hitze und Hormone

Armin Peter

Jeden Sommer schaffen es einige Berliner Freibäder bundesweit in die Schlagzeilen: Zwei Gruppen von „Jugendlichen und jungen Männern“ hätten sich geprügelt, heißt es dann stets etwas nebulös; das Bad sei daraufhin von der Polizei geräumt worden. In der Regel arten Streitereien zwischen Einzelpersonen in eine handfeste Massenschlägerei mit dutzenden Beteiligten aus. Als Gründe werden in Pressemeldungen gerne „zu viel Testosteron“ oder „die große Hitze“ angeführt, womit die Sache als erledigt gilt.

Seit Jahren suchen die Berliner Bäderbetriebe händeringend nach Möglichkeiten, um die angeblich testosterongetriebenen Horden von gewalttätigen Ausrastern abzuhalten. Private Sicherheitsdienste, Deeskalationsschulungen für das Aufsichtspersonal, zivile Polizeistreifen und „Konfliktlotsen“ gehören zu den bereits umgesetzten Maßnahmen, mit denen einzelne Bäder trotz knapper Kassenlage aufwändig gesichert wurden. Trotzdem kommt es immer wieder zu Gewalt, zuletzt Anfang Juli im Neuköllner Columbiabad.

Öffentliche Zusammenstöße zwischen Hooligans verfeindeter Fußballclubs oder von Rockergruppen finden in der Regel ein sehr ausführliches Presseecho. Doch beim Thema Freibadschlägereien erfährt der geneigte Leser nur selten mehr über die offenbar besonders hitzeempfindlichen „Jugendlichen“. Deshalb mag es zunächst verwundern, dass sich die Bäderbetriebe bereits im letzten Jahr zu einem Gespräch mit dem Imam der Neuköllner Şehitlik-Moschee trafen. Kann der Geistliche den Testosteronspiegel junger Männer durch Gebete senken? Oder sollte seine Gemeinde ein paar Sonnenschirme und Kaltgetränke spenden, um die Sommerhitze zu lindern?

Weit gefehlt: Da es sich bei den Schlägern hauptsächlich um junge Muslime handelt, wie in manchen Presseartikeln verschämt eingeräumt wird, erhofften sich die Bäderbetriebe von islamischen Streitschlichtern offenbar einen mäßigenden Einfluss auf ihre Badegäste. Denn bei der Klientel mit Migrationshintergrund scheint es mit dem Respekt vor Badepersonal im Allgemeinen und weiblichen Aufsichtspersonen im Besonderen gewaltig zu hapern. Potz Blitz! Der Imam gibt sich ahnungslos: “Warum die Jugendlichen nicht auf die Badeleiterin hören, weiß auch der Moscheeleiter nicht. Das Gespräch macht aber eines deutlich: es gibt interkulturelle Missverständnisse”, resümiert der Deutschlandfunk.

Wo Hitze und Hormone nicht als Feigenblatt ausreichen, muss also die mangelnde Kultursensibilität der Mehrheitsgesellschaft herhalten. Dass fast alle Freibadschläger juristisch nicht zur Verantwortung gezogen werden können, weil ihre Opfer sowie Zeugen aus Angst vor den Tätern schweigen – geschenkt. Muss wohl auch an der Hitze liegen. Oder es handelt sich um ein interkulturelles Missverständnis. Über rechtsfreie Räume und verfestigte Parallelgesellschaften spricht man jedenfalls nicht so gern. Denn eine offene Diskussion über mögliche Gründe für die ungehemmte Gewaltbereitschaft jener „jungen Männer“ könnte unschöne Erkenntnisse hervorbringen. Deshalb interessiert es ebenfalls nur am Rande, dass die Berliner Polizei in Teilen Neuköllns auch außerhalb von Freibädern nur noch mit einem Großaufgebot ihre Arbeit verrichten kann, sofern sie nicht gleich ganz kapituliert.

Massenschlägereien zwischen größeren Gruppen besagter „junger Männer“ sind beileibe kein Phänomen heißer Sommertage, und das nicht nur in Berlin. In den übrigen Jahreszeiten spielen sie sich allerdings an anderen Orten ab und erregen meist weniger öffentliche Aufmerksamkeit als im Sommerloch. Man darf dennoch gespannt sein, welche Gründe vorgeschoben werden, sobald die Bäder schließen: Im Herbst könnte vielleicht die schwere Kindheit der beteiligten „Jugendlichen“ schuld sein, im Winter liegt es an den kalten Außentemperaturen sowie der sozialen Kälte Deutschlands und im Frühjahr sind es die Frühlingsgefühle. Bis zum nächsten Sommer, wenn wieder die altbewährten Phrasen von „Testosteron und Hitze“ oder „interkulturellen Missverständnissen“ hervorgekramt werden.

Mehr Infos:
http://www.welt.de/vermischtes/article143598675/Polizei-raeumt-Berliner-Freibad-wegen-Massenschlaegerei.html
http://www.tagesspiegel.de/berlin/gewalt-in-berlin-freibadschlaeger-bleiben-haeufig-ohne-strafe/12081260.html
http://www.tagesspiegel.de/berlin/undercover-polizisten-in-berlins-freibaedern-mit-badehose-und-pfefferspray/12013480.html
http://www.deutschlandfunk.de/interkultureller-dialog-imame-als-streitschlichter-im.1769.de.html?dram:article_id=292949
http://www.welt.de/regionales/nrw/article143379384/Gewerkschaft-warnt-vor-No-go-Areas-im-Ruhrgebiet.html

 

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Achim Filliger / 31.07.2015

Hilft vielleicht Kiffen legalisieren und beim Eintritt ein Hanfeis gratis dazu geben? Wer Massenschlägereien in den Schwimmbädern seines Landes nicht akzeptieren will als “normales soziales Dampf-Ablass-Phänomen”, der sollte sich besser ein neues Land suchen. Denn in Deutschland ist das mittlerweile eine neue Tradition.

Lukas Casutt / 30.07.2015

Komisch. Städte wie Luzern, Genf, Lugano und vor allem Zürich haben eine viel höhere Frei-, Strand- und Flussbaddichte als Berlin, und die Schweizer Sommer sind klimatechnisch erst noch ein, zwei Zonen mediterraner als die Berliner. Trotzdem mag ich mich nicht erinnern, dass es je eine einzige Massenschlägerei mit 50-100 Teilnehmern in einer Schweizer Badi gegeben hätte. Muss wohl daran liegen, dass die Helvetier im Vergleich zu den Germanen einen wesentlich weiblicheren Hormonhaushalt haben…

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