Gastautor / 16.06.2015 / 06:55 / 4 / Seite ausdrucken

Hillary Clinton im Wahlkampf: Gut und Böse klar verteilt

Von Tim Tressel

Am Samstag hielt Hillary Clinton ihre erste große öffentliche Rede seit dem Beginn ihrer Präsidentschaftskampagne. Die gesamte Veranstaltung war perfekt inszeniert. Die Demokratin und ehemalige Außenministerin sprach auf Roosevelt Island in ihrer Wahlheimat New York, die sie auch acht Jahre lang im Senat in Washington vertreten durfte. Knapp sechstausend Anhänger waren gekommen, um die 67-jährige, die im November 2016 Nachfolgerin von Barack Obama werden will, reden zu hören und zu sehen.

„Eine von Euch“

Im Vorfeld der Rede hatten die Mitarbeiter ihrer Kampagne den Eindruck erweckt, die Rede würde sich hauptsächlich um die persönliche Lebensgeschichte ihrer Mutter drehen, die als Jugendliche von ihren Eltern verlassen wurde und sich fortan alleine durchschlagen musste, aber dennoch nie den Mut verloren hat, weil andere an sie geglaubt und sie unterstützt hatten, weil sie immer einen Champion hatte. Genauso ein Champion möchte Hillary Clinton für alle Amerikaner sein. Viele politische Analysten und Beobachter charakterisierten den Mangel an Emotionen und persönlicher Geschichte als den Hauptgrund für ihre Niederlage gegen Barack Obama in den Vorwahlen 2008. Damals lautete die Wahlkampfstrategie möglichst „tough“ zu wirken, um zu beweisen, dass auch eine Frau die Rolle des Commander in Chief ausfüllen kann, dadurch wirkte Sie oft unnahbar und unsympathisch. Um diesen Fehler nicht erneut zu begehen, stellt Clinton auch immer wieder heraus, dass sie kürzlich Oma geworden ist.

In ihrer Ansprache trat dann die Geschichte ihrer Mutter tatsächlich viel weniger in den Vordergrund als erwartet, dafür lieferte Clinton sehr viele inhaltliche Vorschläge. Diese Mixtur aus sehr viel Policy, wenn auch populistisch aufbereitet, und einer kleinen Dosis privater persönlicher Lebensgeschichte scheint eine gute Vorschau auf die Strategie und den Ablauf ihrer Gesamtkampagne zu sein.

Linksrutsch der Demokraten

Diese Rede der ehemaligen First Lady markierte auch den schon lange vermuteten bzw. befürchteten Schwenk nach links. Clinton war bislang als Außenministerin und vor allem als Senatorin des Finanzmittelpunkts der Welt eine der sichtbarsten Vertreter des moderaten rechten Flügels der demokratischen Partei. Doch unter dem Druck von linken und sozialistischen Gegenkandidaten wie bspw. Bernie Sanders, aber vor allem durch Elizabeth Warren, war Clinton wohl gezwungen, deutlich nach links zu rücken. Dass sich eine solche Bewegung auch innerhalb der gesamten Demokratischen Partei vollzieht, kann man auch daran sehen, dass die Demokraten im Kongress mehrheitlich die Freihandelsagenda des Präsidenten abgelehnt haben und sich damit gegen ihren eigenen Präsidenten stellen. Auch die Tatsache, dass Präsident Obama in diesem Machtkampf Warren, die Senatorin aus Massachusetts persönlich angegangen ist und das Duell um TPP trotzdem verloren hat, markiert einen Wendepunkt.

Clintons Agenda

Viele von Clintons Forderungen werden den meisten Deutschen sehr bekannt vorkommen: Höhere Steuern für die Reichen, weniger Einfluss in der Politik durch Lobbyismus und Spenden, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, eine Stärkung der Gewerkschaften, Kampf gegen den Klimawandel, bessere und günstigere Kinderbetreuung für alle, keine Diskriminierung der LGBT-Community, mehr Arbeitnehmerrechte, mehr Einsatz für junge Gründer und Kleinunternehmer, Wachstum und Fairness sollen Hand in Hand gehen.

Hinzu kommen Forderungen wie die Beibehaltung einer nationalen Gesundheitsvorsorge für jeden, die Bezahlbarkeit von Universitäten, eine Reform der Immigrationspolitik und eine bessere Betreuung von Veteranen.

Neuerdings hat Clinton genau wie auch schon Rand Paul das Thema der mass incarceration entdeckt und fordert einen Verfassungszusatz, der die Beeinflussung der Politik durch zu viel Geld unterbinden soll.

Für die Mitte und konservative Wähler hatte Clinton noch nicht viel im Gepäck, betonte aber, wie wichtig es sei, Familien und das Militär zu stärken.

Von FDR über Obama zu Clinton

Clinton reite sich in ihrer Rede in eine Reihe demokratischer Präsidenten ein, die aus ihrer Sicht dafür gesorgt hatten, die Mittelklasse der USA aufzubauen und zu stärken von Franklin D. Roosevelt über ihren Ehemann Bill Clinton bis hin zum aktuellen Präsidenten Barack Obama. Gleichzeitig erklärte sie die aus ihrer Sicht von Republikanern dominierte Wirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte für gescheitert und rechnete ab mit den „trickle down economics“. Als Gegner in ihrem Kampf hat sie nicht nur die Republikaner, sondern auch die Reichen, Vorstandsvorsitzenden und Hedgefond-Manager identifiziert, die unrechtmäßiger Weise sogar mehr verdienten als alle Erzieherinnen des Landes zusammen. Die Rollen von Gut und Böse sind in Clintons Strategie also klar verteilt.

Clinton bleibt Favorit

Gegenüber ihren republikanischen Konkurrenten hat Clinton den Vorteil, dass es bei den Demokraten keinen grundsätzlichen Dissens zwischen Themen gibt, die wichtig sind, um die Vorwahl zu gewinnen und den Themen, die für die Hauptwahl im Vordergrund stehen. Viele ihrer Forderungen sind bei einer Mehrheit der Amerikaner sehr populär, wie beispielsweise eine Reform der Einwanderungspolitik. Dieses Thema wäre unter Umständen auch für die republikanischen Kandidaten Jeb Bush, Rand Paul und Marco Rubio interessant, aber dieses dauerhaft zu bespielen, würde ihnen in den republikanischen Vorwahlen sehr schaden. Die Frage ist, wie weit der tatsächliche republikanische Kandidat nach rechts rücken muss, um die Nominierung zu erhalten, und wie geschickt er sich aus dieser Position in die Mitte bewegen kann, ohne komplett unglaubwürdig zu wirken. Dieses Problem hat Clinton aktuell noch nicht.

Clinton hat hingegen das Problem, dass sie mit ihren linken Forderungen teilweise in Konflikt mit ihren eigenen Entscheidungen als Senatorin, mit den dubiosen Finanzpraktiken ihrer Stiftung, und ihren sehr reichen und sehr einflussreichen Freunden und Geldgebern an der Wall Street geraten könnte. Ihre Kontrahenten im eigenen Lager sowie die republikanischen Anwärter werden nicht zögern, diesen Interessenkonflikt immer und immer wieder aufzuzeigen.

Am Schluss muss man, auch wenn man Hillary Clinton nicht für die beste Kandidatin hält, feststellen, dass Clinton doch bereits wesentlich professioneller, präsidialer und irgendwie auch sympathischer wirkt, als alle ihre Gegner in beiden Lagern. Dieser offizielle Wahlkampfauftakt war geradezu perfekt inszeniert und auch sonst ist die Demokratin derzeit die Kandidatin mit den weitaus besten Chancen darauf, tatsächlich die 45. Präsidentschaft der Vereinigten Staaten anzutreten. Sie scheint aktuell, vor allem was das Handwerkliche angeht, die beste Kandidatin zu sein, aber ob sie tatsächlich die erste Präsidentin der USA wird, das müssen zuerst die demokratischen Vorwähler und dann die Amerikaner im November 2016 entscheiden.

Zuerst erschienen auf: http://gunsandburgers.com/

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Leserpost

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Frederike Schloff / 17.06.2015

Und das Alter? Die Frau wäre zum Auftakt ihrer ersten Amtszeit stolze 69 und am Ende 74. Zum Vergleich: John McCain war als Kandidat 75 Jahre alt. Das ist nicht so weit weg und seine Chancen hat er totgetrampelt mit der einsamen Idiotenentscheidung (wegen des Alters?), eine völlig ahnungslose Tussi an seine Seite zu nehmen.

Paul H. Ertl / 16.06.2015

Lediglich 25 Prozent der Amerikaner finden Frau Clinton vertrauenswürdig. Das was passieren wird, wenn sie erst ins Weiße Haus einzieht, wird das, was sie in den letzten 25 Jahren aufgeführt hat, wie einen Kindergeburtstag erscheinen lassen; die Vernichtung eines großen Teils ihrer offiziellen E-Mails und großzügige Überlassung der Reste in gedruckter Form eingeschlossen. Warum sollte wenigstens ein Drittel derer, die sie - zu Recht - für nicht vertrauenswürdig halten, diese Frau wählen ?

Rolf Peters / 16.06.2015

Bevor Sie eine Wahlempfehlung für Frau Clinton abgeben, wäre es sicher nicht verkehrt sich über die Kandidatin zu informieren. Die Clintons sind wohl so ziemlich das Korrupteste, was die USA bisher hervorgebracht haben. Das Buch “Clinton Cash” von Peter Schweizer ist seit Erscheinen auf Platz 1 bei Amazon und informiert ausführlich über deren Sumpf.

Dr. Holger Bock / 16.06.2015

“Sie scheint aktuell, vor allem was das Handwerkliche angeht, die beste Kandidatin zu sein”. Ja, das würde der US-Botschafter in Benghazi sicher auch so sehen - so er denn noch lebte… Überhaupt, wie es ihr gelang, die Affäre einem Youtube-Video, das bis dahin niemand auf der Welt gesehen hatte, unterzujubeln, das war handwerklich sehr geschickt. Sehr geschickt ist die Dame auch beim Vertuschen ihrer unzähligen Skandale. Dubiose Großspenden an ihre Clinton-Foundation, Verkauf von Uran an Rußland, E-Mail-Affäre, ihre dubiose Assistentin Huma Abedin, die aufs engste, sogar familiär, mit der Muslimbruderschaft verwachsen ist, und, und, und.

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