Claudio Casula / 19.02.2012 / 16:37 / 0 / Seite ausdrucken

Die Wulffs lassen grüßen!

Freitag, 12.07 Uhr: Während der soeben vom Amt des Bundespräsidenten zurückgetretene Christian Wulff, der Saaltür zustrebend, seine Genugtuung hinter einem gespielt ernsten Gesichtsausdruck verbirgt, kann Gattin Bettina ein Grinsen kaum unterdrücken. Erst als die Tür hinter ihnen ins Schloss fällt, klatschen sich die beiden ab, fallen einander jubelnd um den Hals - ihr Plan ist aufgegangen.

In einem Land, in dem Geiz als geil gilt und mitunter sogar ein Discount-Puff mit einer besonders günstigen „Happy Hour“ wirbt, haben die Leute nicht nur ein grundsätzliches Problem mit dem Nachbarn, der das dickere Auto fährt, sondern auch eine Abneigung gegen Politiker vom Stamme Nimm. In schöner Regelmäßigkeit regt man sich über Minister und andere hohe Tiere des Polit-Betriebes auf, wenn wieder einmal ein Dienstwagen oder die Flugbereitschaft über Gebühr in Anspruch genommen werden. Verbindliche Regeln scheint es nicht zu geben, das lässt Spielraum für Affären und Skandale, wenn der Gescholtene gerade keine andere Angriffsfläche bietet. Christian Wulff, ein Politiker mit dem Charisma eines Bestattungsunternehmers auf Valium, wusste das - und er beschloss, aus seiner Schnäppchenjägermentalität das Bestmögliche herauszuholen.

Irgendwann nach nicht einmal anderthalb Jahren Amtszeit zog er beim Abendessen eine Bilanz. Das Schloss Bellevue hatte unbestreitbar Charme, insbesondere im Vergleich zu der Klinkerhölle in Großburgwedel, für die er einen 500.000-Euro-Kredit, wenn auch zu günstigen Konditionen, hatte aufnehmen müssen. Die vielen Auslandsreisen in der Sondermaschine, der Pomp, die Aufmerksamkeit der Medien, die festlichen Empfänge - all das gefiel ihm, und seiner Frau, die gerade an ihrem wie üblich aus drei Feldsalatblättern ohne Dressing nebst einem Glas stillen Wassers bestehenden Dinner knabberte, ganz besonders.

Auch die Freundschaft zu Männern mit Geld und Ansehen war hilfreich, wenn man gern auf großem Fuß lebte. Der Preis dafür war allerdings ein öffentliches Leben rund um die Uhr, bei Staatsbesuchen musste er Despoten die Hand schütteln oder einen albernen Federkopfschmuck aufsetzen, ganz zu schweigen von den vielen Reden, die gehalten werden wollten und mit denen man sich auch ganz schön in die Nesseln setzen konnte. Christian Wulff war noch nicht ganz zufrieden. Es musste doch einen Weg geben, ein sorgenfreies Leben auf gehobenem Niveau mit einem großen Bogen um Arbeit und Pflichten zu verbinden.

Und es gab ihn - das hatte er bald darauf herausgefunden. Christian und Bettina feilten einen Plan aus, der bis zum erfolgreichen Abschluss wie ein Uhrwerk funktionierte. Niemand ahnte etwas davon, weder Sprecher Olaf Glaeseker noch die wohlhabenden Gönner, deren Gefälligkeiten Wulffs politischen Weg pflasterten. Und schon gar nicht Medien und Öffentlichkeit, die das Ehepaar nun mit genialischen Schachzügen in die Irre führte. Alles begann im Dezember, als Bettina einer Boulevardzeitung über einen Bekannten stecken ließ, von wem der Kredit für die Hütte in Großburgwedel stammte.

Natürlich biss das Blatt sofort an, die Wulffs kannten ihre Pappenheimer: Gerade die Journaille, die gern mit airberlin-Presserabatt in den Urlaub flog oder dank Presseausweis sonntags für lau mit der Familie durch den Zoo schnürte oder Konzerte besuchte, war empfindlich, wenn Politiker sich als Abgreifer entpuppten. Diesbezüglich hatten die Wulffs einiges zu bieten, und so ließen sie immer mehr Details durchsickern - oder stießen Reporter mit der Nase darauf: Ob Gratis-Urlaube, Upgrades im Flieger oder im Hotel, monatelange Fremdhandynutzung oder kostenlose Anzeigen für ein Buch über Christian, alles wurde mit Wissen oder gar auf Initiative der Wulffs „enthüllt“.

Am meisten amüsierte sich das Ehepaar über die „Bobbycar-Affäre“, eine Idee von Bettina. Allerdings fürchteten die beiden, dass die Schnorrerarien und der zwangsläufig aufkommende Korruptionsverdacht allein nicht ausreichen könnten, um an das ersehnte Ziel zu gelangen, also beschloss Christian Wulff tollkühn den Angriff auf die Pressefreiheit. Allein dadurch, dass er einem deutschlandweit bekannten Chefredakteur auf der Mailbox mit „Krieg“ drohte, bekam er ihn. Und er brauchte ihn für seinen Plan. Um sicherzugehen, dass die Empörungswelle nicht abebbte, feuerte der Präsident seinen langjährigen Vertrauten Glaeseker.

Spätestens jetzt war man sich im Lande sicher, dass irgendetwas faul war, alles lief wie am Schnürchen. Ganz entspannt feierten die Wulffs den 4. Advent, an dem sie zwei Kerzen vor einem Spiegel platzierten, und dann das Weihnachtsfest. Sie beschenkten die Verwandtschaft mit gebunkerten CARE-Paketen („Das corned beef ist immer noch tadellos“) und beschlossen, die Angelegenheit nach dem Winterurlaub in Thüringen, in dem sie, nunmehr Selbstzahler, sich mit einer einfachen Herberge für 47 Euro die Nacht inkl. Frühstück beschieden, noch einmal zu forcieren. Bis spätestens Mitte/Ende Februar wollten die Wulffs durch sein, aber ein Kracher musste noch her. Also forderten sie ihren Freund Groenewold auf, im Hotel Stadt Hamburg in Westerland auf Sylt alte Beweismittel einzusammeln und gaben gleichzeitig der Presse anonym einen Hinweis. Die Weiterleitung eines handschriftlichen internen Vermerks („Hr. David Groenewold hat gestern angerufen, wir sollten keinerlei Infos über ihn rausgeben. Er war 2007 mit Hr. Wulff im HSH und hat den gesamten Aufenthalt übernommen?... Falls also BILD oder „Spiegel“ anruft, wir wissen von nichts!“) war ihr Meisterstück. Jetzt musste nur noch die Staatsanwaltschaft Hannover endlich in die Gänge kommen.

Es dauerte noch ein wenig, aber dann schnappte die Falle zu: Am 16. Februar beantragte die Staatsanwaltschaft die Aufhebung der Immunität. Christian Wulff verlor keine Zeit und kündigte schon am nächsten Morgen eine Pressekonferenz im Schloss Bellevue an. Dort verlas er die Erklärung, die er schon Mitte November ausformuliert und seitdem unter der Matratze versteckt hatte. Es war vollbracht: Christian Wulff und seine Frau Bettina brauchten nie mehr zu arbeiten, sie hatten ausgesorgt. Der „Ehrensold“ in Höhe von 199.000 Euro, der einem Bundespräsidenten a.D. bis ans Lebensende zustand, machte es möglich.

Zurück blieben die Angeschmierten: Weggefährten und politische Gegner, Medienfritzen und einfache Steuerzahler. „Er hat es vermasselt“, triumphierte der SPIEGEL noch kurz nach dem Rücktritt, bis es auch dem letzten Redakteur dämmerte: Christian „Kermit“ Wulff, der stets für eine Flasche gehalten wurde, hatte den wohl perfidesten Politikerplan in der Geschichte der Bundesrepublik in die Tat umgesetzt. Vielleicht würde er den Journalisten zum Dank mal eine Ansichtskarte von den Malediven schicken.

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