Gastautor / 27.11.2012 / 17:41 / 0 / Seite ausdrucken

Borneo und das Ende der deutschen Medienkrise

Von Marko Martin

Kürzlich im Dschungel von Sabah, des malaysischen Teils der Rieseninsel Borneo: Wir waren eine zusammengewürfelte Journalistengruppe und hatten die Tage damit verbracht, herumkletternde Orang-Utans zu fotografieren und auf den Märkten aphrodisische Wurzelknollen zu betasten. Von Frohsinn jedoch keine Spur, denn gleich einem alt-malaiischen Kris-Dolch schwebte selbst hier das drohende Ende des Print-Journalismus über den Köpfen: Die deutsche Plapper-Postille Prinz würde ab nun nur noch im Web zu lesen sein, die Frankfurter Rundschau war pleite, die Financial Times Deutschland ebenso. Wie gut, das es im fernen Deutschland wenigstens noch den gebührenpflichtigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gab mit seinen unzähligen Sendeanstalten! Dennoch: Gerade der grauhaarige Kollege mit dem Aufnahmegerät war bei den abendlichen Gesprächen auf der fliegen-umsummten Hotelterrasse am verzweifeltesten um einen zu liefernden „Knüller“ besorgt. Wir erzählten ihm von dem gleichnamigen, in Abessinien spielenden Roman, doch als Rotgrün-Wähler hatte der Radiomann noch nie etwas gehört vom wunderbar zynischen Evelyn Waugh. Bis der einheimische Guide,    den deutschen Sorgen nun ebenfalls mit düsterer Miene lauschend, irgendetwas von einer nahegelegenen Palmöl-Plantage murmelte, die ein Freund von ihm manage. Worauf wie aus der Piratenpistole geschossen eine deutsche Kollegin „Zerstörung des primären Regenwalds!“ in den samtschwarzen Tropenhimmel rief und unser Radiomann beglückt „Sabotierte Energiewende!“ sekundierte, während unser Kommentar - „Altmaiers Wahn“ - natürlich wieder mal keine Chance hatte, als zumindest halbwitzige Joseph-Conrad-Persiflage goutiert zu werden.

Dennoch brachen wir zu zweit am nächsten Morgen auf. Allerdings lag die Plantage nun doch nicht „nearby“, sondern zwei Fahrtstunden entfernt im Inselinneren. Dazu hatten der Guide und sein verschwägerter Fahrer dem unerfahrenen Öffentlich-Rechtlichen einen so hohen Tarif abgepresst, dass dieser nur allzu gern bereit war, unsere reaktionär-subversive Gegenwart zu ertragen, so lange wir uns mit zwanzig Euro Fahrtgeld beteiligten. Wir taten´s gern, denn das war es dann doch wert: Die Ökoschänder-Plantage entpuppte sich als winzigkleines Waldstück am Straßenrand, und statt in einem Teakholzpalast residierte der „Manager“ in einem ebenerdigen Häuschen, dessen Boden mit Plastikplanen belegt war und der Frauentrakt abgetrennt durch einen zerschlissenen Vorhang. Wir dachten gleich wieder an Kaspar Almayers abgebrühte Tochter Nina, aber die Familie des nun streng per Mikrophon befragten spacken Kaftanträgers blieb unsichtbar. „Wie fühlen Sie sich, nachdem Sie den Regenwald zerstört haben?“ „Sehr gut, denn nun kann ich endlich meine Familie ernähren.“ „Sagt Ihnen das Wort sustainability nichts?“ Vor lauter Unbehagen begann der Mann schrill zu kichern, während der Radiomensch flüsterte: „Auch das schneiden wir mit, zusammen mit dem Statement von einem von Greenpeace, den ich in Berlin kenne. Das wird der absolute Hammer, das verkauf´ ich mehrfach, denn so ganz gefahrlos ist unser Hiersein ja auch nicht, was meinst du?“ Zum ersten Mal aber blieben wir sprachlos und sannen stattdessen über die Willkür deutscher Gebührenpflicht nach – an einem dampffeuchten Mittag irgendwo in Borneo.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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