Auf der IAA in Frankfurt stehen praktisch alle Autohersteller unter Strom. Die Begeisterung für elektrische Autos kennt derzeit keine Grenzen und führt zu Schlagzeilen wie dieser: „Einmal tanken, drei Euro bitte“. Das klingt gut, ist aber leider zu schön um auf Dauer wahr zu sein. Wir wollen hier nicht den Party-Pupser spielen, über eines sollte man sich keine Illusionen machen: Wenn die Zahl der Elektrofahrzeuge künftig eine kritische Masse erreicht, dann wird auch der Staat kommen und beim Strom ein Äquivalent zur Mineralölsteuer einfordern.
Noch viel wichtiger ist aber eine andere Frage: Wo soll der Strom für die Elektrofahrzeuge eigentlich herkommen? Die CO2-freie Kernkraft soll in Deutschland ausgemustert werden. Ob die regenerativen Energien diese Lücke in Zukunft tatsächlich füllen können, ist eine offene Frage. Ein statistischer Trick, das Elektroauto gegenüber zur konventionellen Fahrzeugen in seiner Umweltbilanz gut aussehen zu lassen, besteht derzeit oft darin, hypothetische Zuwächse der regenerativen Energien für die Zukunft schon als Fakt einzurechnen. So wird Wunschdenken zum Treibstoff.
Bleibt die Kohle. Sie ist leider jene Energieform, die am meisten Kohlendioxid freisetzt - zumindest solange eine Kohlendioxid-Abscheidung und Deponierung nicht möglich ist. Doch dagegen gehen grün gesinnte Bürger und auf die Strasse. Genau wie gegen den Bau hochmoderner und effizienter Kohlekraftwerke. Wird der Strom für die Autos aber in veralteten Anlagen generiert, ist weder für die Umwelt noch für das Klima irgendetwas gewonnen. Der hohe Wirkungsgrad des Elektroautos würde im Kohlekraftwerk zunichte gemacht, bevor es überhaupt losfährt. Im Vergleich mit weiter optimierten Verbrennungsmotoren könnte die Bilanz des Elektroantriebs dann sogar negativ ausfallen.
Das Elektroauto macht in der Umweltbilanz nur dann Sinn, wenn für die fossile Stromerzeugung modernste Kraftwerkstechnik eingesetzt wird. Bleibt es beim Atomausstieg und beim alten Kohlekraftwerksbestand sind sie eine Mogelpackung - zumindest in Deutschland (In Frankreich sieht das aufgrund des hohen Atomstromanteils schon ganz anders aus). Gehen die Deutschen den Sonderweg ohne Kernenergie, sieht die Bilanz bei dezentralen Gaskraftwerken am besten aus. Doch die haben den Nachteil uns von Russland abhängig zu machen.
Bestechend klingt die Idee, den unregelmäßig anfallenden - und deshalb oft nicht benötigten - Strom aus Wind und Sonne in Millionen Autobatterien zu speichern. Die Ladestationen müssten so ausgelegt werden, dass zukünftig sogar eine Rückspeisung von im Fahrzeug gespeicherter Energie in das Versorgungsnetz möglich wäre. Die Autobatterie der Zukunft würde beispielsweise dann Strom speichern, wenn die Nachfrage gering ist, und ihn wieder abgeben, wenn die Nachfrage hoch ist. Doch auch hier gilt: Kommt dieser Strom aus einem veralteten Kraftwerk, dann würden Elektroautos zu „Nachtspeicheröfen auf Rädern.“ Und die wurden im Bundesland Berlin gerade verboten.
Erschienen in DIE WELT vom 18.09.09
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