Jochen Ziegler / 25.02.2021 / 06:25 / Foto: Markytronic / 55 / Seite ausdrucken

Wissenschaftsjournalismus: der falsche Focus

Zahlreiche Medien versuchen gegen die Wirklichkeit anzuschreiben und nutzen dazu immer wieder dankbar Berichte über wissenschaftliche Studien, die eine besondere Gefährlichkeit des Corona-Virus belegen sollen. Auf Focus-Online erschienen jüngst zwei Beispiele dieser Art von Wissenschaftsjournalismus: Ein Beitrag über die angebliche Wirkung des Virus auf das Immunsystem und ein anderer über Riesenzellen, beide auf Basis wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Diese seien hier pars pro toto einmal aufgegriffen.

Um es vorwegzunehmen: Beide Focus-Veröffentlichungen sind nicht seriös und unwissenschaftlich: Eine der zugrundeliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen (von der Charité) ist reiner Nonsens. während die andere solide ist und von den Journalisten umgedeutet wurde. im ersteren Fall wird Nonsens der Gefälligkeitsforschung nachgebetet, im zweiten Fall werden aus einer soliden Untersuchung Horror-Nachrichten generiert. 

Die Gruppe von Michael Sigal, Gastroenterologe und Hepatologe an der Charité, hat eine Arbeit herausgebracht, in der behauptet wird, durch die Infektion mit SARS-CoV-2 würde der Botenstoff Interferon-gamma (IFN-γ) von Zellen der Darmschleimhaut sezerniert, was dazu führe, dass die Zellen mehr ACE2-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche exprimieren (erzeugen und dann an der Zelloberfläche tragen) und dadurch empfänglicher für SARS-CoV-2 würden – denn das Spike-Protein des Virus bindet an diesen Rezeptor, um in die Zellen zu gelangen. So fördere das Virus seine eigene Aufnahme durch die Zellen, indem es sie dazu bringe, über IFN-γ-Stimulation den dafür notwendigen Rezeptor überzuexprimieren. Das ist falsch. Doch die Kollegen vom Focus machen daraus die Nachricht: "Corona trickst den Körper aus – und verwendet eigenes Immunsystem gegen Sie" (ja, Sie, lieber Leser).

In der Studie wurde eine Zellkultur aus der Darmschleimhaut von menschlichen und murinem (Maus) Gewebe angelegt und tagelang mit unphysiologisch hoch konzentrierten Dosen von IFN-γ behandelt, was in der Realität des Körpers niemals vorkommt. Daraufhin zeigte sich in der Tat eine erhöhte Dichte von ACE2 Rezeptoren auf den Zellen. Mit IFN-γ behandelte Zellen (und unbehandelte Zellen zum Vergleich) wurden dann mit einer vollkommen unrealistisch hohen Dosis von SARS-CoV-2-Viren infiziert, nämlich mit einem MOI von 1, was bedeutet, dass pro Zelle ein Viruspartikel genutzt wurde. So ein Verhältnis kommt in der Realität nur bei sehr schweren Infektionsverläufen in der Lunge von immuninkompetenten Patienten vor. Normalerweise ist die Viruslast fast nie so hoch. Die Infektion erwies sich als effektiv, aber in vorher mit IFN-γ behandelten Zellen als deutlich effektiver als in nicht-behandelten Zellen. Die Autoren zeigen auch, dass die Infektion mit SARS-CoV-2 zur Steigerung der Expression von Genen, die durch IFN-γ induziert werden, führt.

Reine Wissenschaftspropaganda

Die Experimente sind äußerst grobschlächtig, da sie mit vollkommen unphysiologischen Dosen des Signalmoleküls IFN-γ und einer atypischen Last des Virus arbeiten. Man kann von ihnen mitnichten auf die Situation im Körper des Menschen folgern, die gemessenen Effekte sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Laborartefakte, die in der Realität keinerlei Rolle spielen. Es gibt heute ganz andere Möglichkeiten, biologische Kausalzusammenhänge in Organismen (in vivo, beispielsweise in der lebenden Maus) zu messen.

Dennoch folgern die Autoren in der Diskussion ihrer Ergebnisse, dass “unsere Daten einen neuen und in gewisser Weise kontraintuitiven Mechanismus offenbaren, mit dem SARS-CoV-2 die Infektion epithelialer Zellen befördert und der zur Erklärung der eingeschränkten Effizienz des Immunsystems zur Kontrolle der Virusreplikation beitragen kann.”

Die erste Aussage ist durch die Experimente nicht begründbar. Denn die Autoren zeigen lediglich, dass eine Infektion in vitro zu einer Verstärkung der Transkriptions INF-γ regulierten Gene führt. Dass Virusinfektionen zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie INF-γ führen, ist seit vielen Jahrzehnten bekannt. Doch mehr können die Autoren nicht zeigen, da das experimentelle Szenario artifiziell ist und keine Folgerungen zulässt.

Die zweite Aussage ist echter Unsinn, da es bei SARS-CoV-2 gar nicht zu einer “eingeschränkten Effizienz des Immunsystems” kommt – im Gegenteil ist das Immunsystem bei diesem Virus so hoch effizient, dass nur 5 Prozent der Infizierten mittelgradig oder schwer erkranken und laut WHO (Link siehe oben) lediglich 1–2 von 1.000 Infizierten sterben. Bei Viren mit echter “eingeschränkten Effizienz des Immunsystems” sterben deutlich mehr: Bei Ebola etwa 700 von 1.000, bei Rabies (Tollwut) über 900 von 1.000. Das sind wahre Killerviren. Die Autoren belegen ihre Aussage zur eingeschränkten Effizienz des Systems auch nicht. Ihr Statement ist reine Wissenschaftspropaganda.

Durch das SARS-Spike-Protein zu Zellfusionen

Die zweite Studie ist deutlich besser. Sie beschreibt einen Assay (Testverfahren), um die durch SARS-CoV-2 induzieten Zellsynzitien zu untersuchen. Zellsynzitien sind Verschmelzungen mehrer Zellen zu einer Riesenzelle mit mehreren Zellkernen, die bei zahlreichen Virusinfektionen bekannt sind. Sie kommen bei Herpesviridae, Paramyxoviridae, Poxviridae, Rioviridae und Retroviridae vor, und eben auch bei Coronaviridae. Sie entstehen durch Virusproteine, die eine Fusion (Verschmelzung) der Zellen induzieren. Das Humane Respiratorische Synzytial-Virus (HRSV, ein Riovirus), ein Erreger von Atemwegsinfektien, hat sogar seinen Namen von der Induktion solcher Synzytien. Auch SARS-CoV-2 kann bei schweren Verläufen (bei Immunversagen) solche Synzytien hervorrufen.

Doch sagt das nichts über die Gefährlichkeit aus. HRSV machen nahezu alle Säuglinge durch, die Immunität hält nicht lange, im Laufe des Lebens infiziert sich fast jeder mehrmals mit dem Virus. Das Immunsystem bildet bei Immunkompetenten dann rasch eine neue Immunität aus und räumt die Riesenzellen ab. Doch obwohl die Studie nur nüchtern den Assay beschreibt, fabulieren die Kollegen des Focus über die "massiven Gewebeschäden", die das Virus durch die Zellsynzitien erzeuge. Selbstverständlich kann es das: Nämlich bei den seltenen Verläufen, die tödlich enden, weil der Wirt aus Altersgründen (oder in den seltenen Todesfällen unter 60 aufgrund eines Immundefekts) kein funktionierendes Immunsystem hat. Das ändert nichts daran, dass die allermeisten Verläufe milde sind und sich gegen SARS-CoV-2 eine recht gute natürliche Immunität herausbildet, die allerdings nachlässt, wenn das Virus mutiert.

Man könnte hier Woche für Woche zahlreiche ähnliche Studien referieren und den Nachweis führen, dass es sich wie bei der Studie von Sigal um Unfug handelt, denn es erscheinen jetzt viele solche Nonsens-Studien. Warum machen Wissenschaftler so etwas? Weil sie dem gesellschaftlichen Trend folgen und am Tropf staatlicher Fördergelder hängen. Warum machen Journalisten mit oder deuten solide Studien wie die über die Synzitien in Horrornachrichten um? Aus ähnlichen Gründen. Solche ideologischen Produkte verschwinden nach kurzer Zeit einfach wieder. Dann folgen Wissenschaftler und Journalisten dem nächsten Trend.

Foto: Markytronic CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

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T. Schneegaß / 25.02.2021

@RMPetersen: Ich stimme Ihnen zu, ab und an gibt es zumindest auf LOCUS online (die Printausgabe kenne ich nicht mehr) vorsichtig kritische, von der Hofberichterstattung abweichende Beiträge. Das kann man immer dann beobachten, wenn dessen Journaille nicht ganz sicher ist, in welche Richtung das Meinungspendel ausschlägt. Das kann man gerade heute wieder sehr gut beobachten. Ich habe kein anderes Mainstreammedium heute gefunden, außer eben LOCUS online, dass über die erstaunlichen Erkenntnisse des österreichischen Kanzlers berichtete. Er wird zum Lockdown in seinem Land wie folgt zitiert: “Der Lockdown hat ..... seine Wirkung verloren. Die Menschen haben sich immer weniger daran gehalten. Ein Lockdown, wo keiner mitmacht, hat natürlich auch wenig Sinn.” Was für eine revolutionäre Erkenntnis. Scheinbar spielt doch das Alter eines Hirns bei der Erkenntnis von Realitäten eine gewisse Rolle, ein Vergleich mit der Alten in Berlin lässt das zumindest erahnen. Mit seiner Erkenntnis weist Kurz damit auch ganz unmissverständlich den EINZIG MÖGLICHEN Weg, wie die Menschen aus dem Lockdown herauskommen können, nämlich indem sie ihn einfach ignorieren. Egal, was die Spielerunde der Alten mit ihren Statthaltern beschließt: Hotels auf, Kneipen auf, Geschäfte auf, Sportstadien auf, alles ohne jede Einschränkung und Masken in den Müll, wo sie hingehören. Wenn das der deutsche Michel begriffen hat (was ich sehr bezweifle), ist auch schon morgen Schluss mit dem Spuk. Und das Beste daran: ich behaupte einfach, es wird kein Mensch mehr sterben, als mit Lockdown, als mit oder ohne Impfung.

Peter Gross / 25.02.2021

Was mir eher auffällt dass gewisse Studien problemlos und ohne Kritik veröffentlicht werden, andere,die genau das Gegenteil aussagen einfach ignoriert werden. Und damit meine ich nicht evtl Verschwörer/Aluhuttraeger die Nonsens veröffentlichen sondern normale Wissenschaftler, die teilw doch sehr angesehen sind. Z.B Ioannidis,der die Effekte der Lockdowns als “stark übertrieben” anzweifelt (medRxiv 2020.07.22.20160341) oder andere Studien von Bundgaart et al, die die Effizienz der Masken bei ca 20% schätzt, oder Brainard et al die auf 6-15% in einer Metastudie kommt. Also weit weg von den immer in den Zeitungen erwähnten über 50%,was die Masken angeblich bewirken. Oder die Studie von Mayorga wo gesagt wurde dass ein Lockdown >45 Tage sinnlos sei “but too long quarantines (>45 days) do not benefit healthcare parameters proportionally” (medRxiv 2020.06.20.20136325). Zu vielen Studien kann man problemlos eine conträre Studie finden (Schule, Interventionen, Reisebeschränkungen…) für alles gibts pro/wider nur warum wird nur ein Teil in den (normalen) Zeitungen publiziert?  Und warum immer nur die pro-Lockdown Hardliner? Ich informiere mich sowieso nun nur noch über Pubmed oder medarxiv durch original-Artikel. Als neusten Hammer bezweifelt Lauterbach und Co nun auch die Sommer-Effekte des Virus (dh.saisonale Schwankung), obwohl es x-mal bewiesen wurde,dass mit hoher Temp das Virus weniger aktiv wird.

M.-A. Schneider / 25.02.2021

Allzu oft sind es mittelmäßige - wenn überhaupt - Wissenschaftler, die kaum Beachtung finden und sich jetzt “gebauchpinselt”  fühlen, wenn sie denn endlich auch einmal Aufmerksamkeit erregen und eine Zeit lang vielleicht im Fokus des oft kurzfristigen Interesse stehen.  Dafür und vielleicht für das Versprechen, Fördergelder zu erhalten sind sie offensichtlich zu allem bereit. Mit vielen Journalisten ist es vermutlich nicht viel anders, sie schwimmen lieber im Mainstream mit und schreiben ab, hinterfragen nichts, möchten ihre Stelle behalten, das ist auch viel bequemer so, man setzt sich nicht mehr gern auseinander, das erfordert Recherche und Sachkenntnis.

Thomas Brox / 25.02.2021

Bezüglich Corona informiere ich mich hauptsächlich durch Achgut.com und NZZ. Die NZZ hat eine ausführliche Rubrik speziell zu Corona und eine allgemeine Wissenschaftsrubrik, in der unter anderem auch über Corona spezifische Forschungen berichtet wird. Ich habe schon oft die Erfahrung gemacht, dass in privaten deutschen TV-Sender (den ÖRR ignoriere ich sowieso) oder WELT-online angeblich wissenschaftlich fundierte Horror-Meldungen verbreitet werden, über die jedoch weder auf der Achse noch in der NZZ jemals berichtet wird. ++ Ich bin mittlerweile extrem misstrauisch gegenüber der steuerfianzierten deutschen Wissenschaft und gegenüber der staatlich indirekt subventionierten deutschen Presse. Die deutsche MSM wir nicht nur staatlich gepampert, sondern auch über viele gesetzliche Stellschrauben und Behörden kontrolliert und indirekt unter Druck gesetzt. Über den zwangsfinanzierten, parasitären und degenerierten ÖRR braucht sowieso kein Wort verlieren.

Carl Weber / 25.02.2021

Der Begriff Focus steht doch in Deutschland extrem lange schon für weit größeren Abfall. Um sowas mache ich schon seit wenigstens 20 Jahren einen Bogen wie in den letzten Jahren um Spiegel und den anderen Restmüll. Und trotzdem danke für die Arbeit und den Masochimus. Vielleicht retten Sie ja noch ein paar Zombies. Ich jedoch glaube, wer inzwischen nichts mitbekommen hat ist Hirnspender, und wo nichts ist kann man nichts retten.

RMPetersen / 25.02.2021

Der FOCUS spielt in dieser Corona-Medienlandschaft eine merkwürdige Rolle: Einerseits gehört der Lebensgefährte von Minister Spahn zum Burda-Medienkonzern, der neben dem Focus u. a. die BUNTE herausgibt, was gegen massiver Kritik an dem gesundheitspolitiker immunisiert. Dazu kommt, dass alle Printmedien von Staatssubventionen abhängig sind. Andererseits liefert auch der Focus gelegentlich regierungskritische Beiträge. Aber: Der Focus ist nun einmal kein Produkt, das sich eine kompetente Wissenschaftsredaktion leisten kann. Das kann ohnehin kaum ein Print-Medium mehr, allenfalls die von Zwangsgeführen gepampertn Öff.-Rechtlichen können das noch. Und die sind eben zu staatsnah und zu linksfixiert, um Wissenschaft wichtiger zu nehmen als Ideologie.

Dr. Volker Rachui / 25.02.2021

Diese Methode hat Methode. Ich erinnere mich noch an ein Experiment eines sehr jungen Forschers, das beweisen sollte, dass durch einen erhöhten CO2-Gehalt im Meer, Schalentiere ihre Schale verlieren (Krill, Muscheln, Korallen!). Hierzu wurde über einen längeren Zeitraum CO2 durch ein Rohrgitter unterseeisch eingeleitet. Was zu erwarten war, verloren die beobachteten Korallen ihr Kalkgerüst. Die erzeugte Konzentration (Kohlensäure) wurde nicht erwähnt. So versucht man, den “menschengemachten Klimawandel” und seine “Klimafolgen” zu beweisen. Trotzdem die Ozeane komplett basisch sind (8,1) wird immer wieder behauptet: “Die Meere versauern” und das wird katastrophale Folgen haben für die Meeresfauna, ergo für das Überleben der Menschheit, und sowieso allen Lebens. Das ist die wahre Katastrophe! Da ich ein unbelehrbarer Raucher bin, weiß ich ja schon seit einigen Jahren, “Rauchen tötet”, denn das steht ja auf der Packung. Sollte hier nicht ein “Raucherpass” eingeführt werden? : “Zugang nur für Nichtraucher”. Nun ist Corona auch noch dazu gekommen. Vom Klimawandel ganz zu schweigen. Man verliert die Übersicht. Nach Mojib Latif ist die Menschheit ja ohnehin eine Erdkrankheit (Buchtitelidee: “Die Erde hat Mensch”). Also, ab zum Mars!

HaJo Wolf / 25.02.2021

Jetzt wird es Prügel hageln, ich schreibe dennoch meine Meinung zu Tierversuchen. Die Knäste sind voll von Intensivtätern, Kinderschändern, Mördern und ähnlichem Volk. Ich bin auch gegen Tierversuche, ber ich befürworte die Tests an Menschen, die bislang in ihrem jämmerlichen Dasein nur Elend über andere gebracht haben. Und nein, das hat nichts gemein mit den widerliche Verbrechen der Nazi-Ärzte in KZs..

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