Michael Miersch / 23.12.2008 / 16:48 / 0 / Seite ausdrucken

Vince Ebert jetzt auf der Achse

Der Kabarettist Vince Ebert (“Der lustigste Physiker Deutschlands”) schreibt ab jetzt regelmäßig für Die Achse des Guten (siehe aktuelles Spotlight “Gut oder Bö(r)se”. Wer ihn noch nicht kennt, mag vielleicht diesen Text, von mir lesen, der in DIE WELT erschienen ist.

Der Wanderaufklärer
Der Kabarettist Vince Ebert beweist, dass rationales Denken viel lustiger sein kann als Esoterik und Weltuntergangsgeraune…

 

Ist das politisch? Der Mann setzt keine Merkel-Perücke auf, stottert nicht wie Stoiber und macht uns nicht mal den Münte. Stattdessen spricht er über den Unterschied zwischen Korrelationen und Kausalitäten und die Absurdität des Generationenvertrages. Oder er erklärt die Differenz zwischen Wissenschaft und Theologie. „Wenn ich vermute im Kühlschrank könnte noch Bier sein, und ich gucke nach“, sagt er und geht auf den großen gelben Kühlschrank in einer Ecker der Bühne zu, „dann betreibe ich im Prinzip schon eine Vorform von Wissenschaft. Großer Unterschied zur Theologie. In der Theologie werden Vermutungen in der Regel nicht überprüft. Wenn ich nur behaupte: Im Kühlschrank ist Bier! Bin ich Theologe. Wenn ich nachgucke, bin ich Wissenschafter. Wenn ich nachgucke, nichts finde, und trotzdem behaupte: Es ist Bier da, dann bin ich
Esoteriker.“ Das Publikum im Münchner Wirtshaus am Schlachthof lacht schallend und kommt offenbar ganz gut ohne Merkel-Witze aus. Doch manche Kabarett-Verwalter in Fernsehredaktionen haben ein Problem damit, Vince Ebert in eine passende Schublade zu stecken. Ist das noch Unterhaltung oder schon Populärwissenschaft? Und überhaupt, ist es politisches Kabarett? Ebert selbst findet sein neues Programm „Denken lohnt sich“nicht unpolitisch. „Alle aktuellen Reizthemen“, sagt er, „haben entweder mit Ökonomie oder mit Naturwissenschaft zu tun.“ Und um die letztere geht es größtenteils, wenn er seinen neunzigminütigen Bühnenmonolog hält. Kein Wunder, der Mann ist studierter Physiker. Und als solcher ein Exot auf der Bühne. Dass er in einem Land, dass unter akutem Ingenieurs- und Naturwissenschaftlermangel leidet sein Geld als tingelnder Spaßmacher verdient, spricht dafür, dass Kabarett ab einem gewissen Maß des Erfolgs durchaus einträglich ist. Hat aber natürlich auch mit dem komischen Talent des langen, dünnen Mannes zu tun, der mühelos zwischen intellektuellem Feinsinn und krachendem Frankfurter Grobianismus wechseln kann.

Ebert gehört zu einer Generation von Kabarettisten, von denen die meisten etwas jünger sind als die Platzhirsche, die zu Helmut Kohls Zeiten die Bühnen und Sendeanstalten eroberten. Nach dem Regierungswechsel 1998 litten sie jahrelang unter Ladehemmung, weil sie plötzlich zum Establishment gehörten. Doch sie harrten aus. „Was kritisch ist“, sagt Ebert, „bestimmt nach wie vor eine Hand voll Linienwächter. Und die verstehen darunter das übliche linksprotestantische Konsensgeschwafel.“ Aber, die, die sich darüber hinwegsetzen, füllen inzwischen auch große Säle. Eberts Freund und Kollege Eckart von Hirschhausen gehört zu diesen Post-Kohl-Kabarettisten, Dieter Nuhr, Olaf Schubert, der sich ironisch Betroffenheitslyriker nennt und Wolfgang Nitschke, dessen Spezialität es ist, die ökosozialpazifeministischen Phrasen von Franz Alt, Jürgen Fliege und Co. genüsslich zu zitieren.

Man kann die Neuen nicht mehr ignorieren, aber noch eine Weile aus ersten Liga fern halten. Im Olymp der deutschen Possenreißer gehört es nach wie vor zum bewährten Standard mit einem Gedanken das komplette Programm zu füllen: Die da oben haben uns alle beschissen und der kleine Mann ist immer der Dumme. „Man muss zugeben, dass viele Leute genau das hören wollen, weil es komplexe Probleme auf einen einfachen Punkt bringt. Entlastungskabarett“, sagt Ebert.  Er findet es allerdings zum Gähnen. Ihn interessiert das Überprüfen von Fakten mehr, als die fortwährende Bestätigung eines lieb gewonnenen Weltbildes. „Ist Gier wirklich die Erklärung für die Finanzkrise?“ Das klingt ihm zu theologisch. Mit dem Beharren auf Beweisen und der Skepsis gegen alles, was nach Religion riecht, bewegt sich Ebert auf einem Schmalen Grat. Ein paar Mal hat er schon erlebt, wie es ist, wenn man sein Publikum überfordert. „Wenn man den Konsens in Sachen Klimakatastrophe anzweifelt, wenn man sich weigert, Gentechnik oder Atomkraft zu verteufeln, dann kann es manchmal ganz still werden im Saal.“ Im Münchner Schlachthofwirtshaus blieben trotz verfänglicher Thematik die Lacher auf seiner Seite. Er verwandelte den Kühlschrank in eine Kanzel und hielt eine klimatische Bußpredigt, die den gewohnten Alarmismus nur um eine Nuance überhöhte und dadurch kenntlich machte. Drohend hielt er die Bildzeitung in die Höhe („Wir haben nur noch 13 Jahre“) und rief auf, das Atmen einzustellen, um den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren. In den Tempeln der Kulturelite wäre das blanke Gotteslästerung. Doch viele im Publikum lachten über die Parodie auf das ewige Fünf-vor-zwölf-Gedröne unserer Mahner und Warner.

„Das Klima-Thema ist sehr heikel“, sagt Ebert. Bei vielen gibt es so etwas wie eine Weltuntergangssättigung.“ Sie halten in der Öffentlichkeit ihren Mund, sind aber froh, wenn ein anderer ihn aufmacht. „Es ist wie beim Thema Religion“, schickt er hinterher, „es gibt wenige bekennende Atheisten. Doch viele, die befreit lachen, wenn jemand die Absurditäten des Glaubens durch den Kakao zieht.“

Wenn die bürgerliche Mehrheit apokalyptisch denkt, werden Vernunft und Augenmaß  pointentauglich. Der Physiker übernimmt die Rolle des Narren, der aus dem mollgestimmten Konsens ausbricht und mit Witz auf ein paar einfache Wahrheiten aufmerksam macht: Wir leben nicht in der schlechtesten aller Welten. Den meisten Menschen geht es besser als ihren Vorfahren. Wissenschaft und Technik können problematisch sein, haben aber viele Probleme gelöst. Denken lohnt sich. Auch wenn man sich viel Ärger damit einhandeln kann.

Erschienen am 25.11.2008 in DIE WELT

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