Manfred Haferburg / 13.03.2021 / 15:00 / Foto: Energie Agentur NRW / 50 / Seite ausdrucken

Svenja Schulze und der weltweite Atomausstieg

Die Germanistin und Politikwissenschaftlerin Svenja Schulze ist nach eigener Aussage vom Sport politisiert worden. Weil sie auf dem Mädchengymnasium aus ihrer Sicht unmögliche Sportkleidung tragen sollte, hat sie sich dagegen gewehrt. So kam sie in die „Schüler*innenvertretung“ (bei dieser Schreibweise wehrt sich meine Rechtschreibkontrolle mit Händen und Füssen). Die Jusos waren für Frau Schulze „wirklich klasse“ – so wurde sie Juso-Landesvorsitzende. Von da war es nicht weit bis zur AStA-Vorsitzenden, wo sie gegen den Golf-Krieg demonstrierte unter dem Motto „Kein Blut für Öl“. Nachdem sie die „Studiengebühren in NRW wieder abschaffen und viel Geld für die Hochschulen in NRW mobilisieren konnte“ – man fragt sich unwillkürlich, wessen Geld? –, wurde sie Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Und als solche verfolgt die studierte Germanistin und Politikwissenschaftlerin nun ambitioniert globale Zielsetzungen, nämlich den „deutschen europäischen und weltweiten vollendeten Atomausstieg“. 

In dem „12 Punkte Programm für die Vollendung des Atomausstiegs – die Position des Bundesumweltministeriums“ vom 11.03.21 heißt es:

„Das Bundesumweltministerium sieht seinen Einsatz für den Atomausstieg aber noch lange nicht als beendet an. Im Gegenteil: Wir arbeiten mit voller Kraft weiter. Denn vollendet ist der Atomausstieg Ende 2022 noch nicht. Es bleiben nukleare Risiken, die weitere konsequente Schritte erfordern: in Deutschland, in Europa und weltweit.“

Weltweit und vollendet, darunter machen es deutsche Politiker niemals. Hört mal, ihr Russen, Amerikaner, Chinesen und Franzosen und wer da noch so mit den Atomen rumspielt, eure Risiken machen nicht an den deutschen Landesgrenzen halt.

Deshalb ist die weitere Nutzung der Atomenergie im Ausland nicht im deutschen Interesse, schon gar nicht staatlich geförderte Neubauten in der EU. Insbesondere in den grenznahen Regionen sind viele Menschen über den Betrieb alter Atomkraftwerke in Nachbarländern besorgt. Gleichzeitig sollen für diese Reaktoren in vielen Fällen die Laufzeiten teils erheblich über die ursprünglich genehmigten Betriebsdauern hinaus verlängert werden. Das Bundesumweltministerium teilt die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger und setzt sich dafür ein, dass ihre Interessen gewahrt werden“.

Der Fadenriss ist noch nicht endgültig genug 

Wie sich Svenja Schulze im einzelnen für die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger einsetzt, bleibt nebulös, aber vielleicht gibt es ja noch ein paar Versprengte von der Kavallerie ihres Genossen Steinbrück

Als Grund für die Sinnlosigkeit der „Atomkraft“ führt die Umweltministerin an, „Ihr Anteil am weltweiten beträgt nicht einmal 5 Prozent. Sie kann schon deshalb keinen substanziellen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele erbringen“. Oh, chère Madame, dünnes Eis. Die Heilsbringer Wind und Sonne schaffen nämlich mit 4,5 Prozent noch weniger. Können die womöglich auch keinen substanziellen Beitrag erbringen?

Deshalb will das BMU „vollständig raus aus der Atomkraft“. Der Fadenriss ist noch nicht endgültig genug. Jetzt sind die „Atomfabriken“ Lingen und Gronau dran. Brennelemente herstellen geht gar nicht, sie sollen in der nächsten Legislaturperiode geschlossen werden, per Gesetz, versteht sich. „Nach Auffassung des BMU ist eine gesetzliche Regelung zur Beendigung der Brennelementfabrikation in Deutschland und des Betriebs der Urananreicherungsanlage in Gronau die rechtssichere, richtige Lösung, um die untragbare Situation zu beenden, dass grenznahe ausländische Alt-AKW mit Brennelementen aus deutscher Produktion betrieben werden“. 

Was scheren Svenja Schulze von der Arbeiterpartei SPD die 300 Angestellten von Gronau? Was stört sie, dass die etwa 350 Angestellten von Lingen ihren Arbeitsplatz verlieren? Schließlich werden der Ministerin ihre 25.000 Euro monatlich pünktlich überwiesen, auch oder gerade in Corona-Zeiten. „Nach Gutachten im Auftrag des BMU wäre eine Schließung rechtssicher möglich“. Hau wech, die Sch…

Um den Atomausstieg zu vollenden, braucht man nach Ansicht von Svenja Schulze nur „konsequent den nächsten Schritt zu gehen und angesichts eines höheren EU-Klimaziels beim Ausbau der erneuerbaren Energien die Anstrengungen bis 2030 zu verdoppeln“. Anstrengungen verdoppeln, Gemeint sind natürlich die Steuerzahler und eine Verdoppelung der hübschen Windräder von derzeit 30.000 auf 60.000. Zur Information für Frau Schulze die Information in leichter Sprache: Bei Windstille ist 30.000 mal null gleich null. Und 60.000 mal null ist auch gleich null

Wie man Freunde gewinnt 

Und dann will das BMU noch den „Schulterschluss der atomkritischen Staaten suchen“. Steht etwa die Gründung einer internationalen Anti-Atom-Kavallerie unter deutscher Führung im Raum? Im Positionspapier heißt es dazu:

Zielbestimmungen des Euratom-Vertrages hinsichtlich der Nutzung der Atomenergie müssen an die Herausforderungen der Zukunft angepasst werden. Staatlich geförderte AKW-Neubauten in der EU sind nicht im deutschen Interesse und auch nicht im Sinne von Klimaschutz und Energiewende… Dank zielstrebiger Verhandlungen gelang es unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft im Dezember 2020, zur Espoo-Konvention über grenzüberschreitende UVP einen völkerrechtlich verbindlichen Leitfaden zu verabschieden, der klarstellt, unter welchen Voraussetzungen bei Laufzeitverlängerungen eine UVP geprüft und durchgeführt werden muss. Der Espoo-Konvention gehören 45 Staaten an. Der Leitfaden macht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken, die unter bestimmten Bedingungen eine UVP-Pflicht auch bei Laufzeitverlängerungen klarstellt, zum allgemeinen Maßstab und damit auch für Nicht EU-Mitgliedstaaten mit alten AKW – wie die Schweiz, Großbritannien, Ukraine und Belarus – bindend.“

Mein Kommentar dazu: Wie man Freunde gewinnt. 

Den Atomsündern soll darüber hinaus der Geldhahn zugedreht werden: „kein öffentliches Geld für Atomkraftwerke in der EU und darüber hinaus“ (sic), während den Atomskeptikern der Ausstieg mit deutschem Geld vergoldet werden soll: „Das BMU setzt sich dafür ein, dass bei der laufenden EU-Beihilfereform die Interessen der Mitgliedstaaten der EU, die aus der Atomenergie aussteigen wollen oder ausgestiegen sind, umfassend berücksichtigt werden“.

Das BMU schließt das Positionspapier mit der Forderung, dass Deutschland auch in Zukunft „Kompetenz erhalten und solide Fakten in den internationalen Atom-Diskurs und zu neuen Reaktorkonzepten einbringen“ soll. Wie dies aussieht, kann man unmittelbar auf der letzten Seite des BMU-Positionspapiers in einer Stellungnahme zu den neuen Reaktoren der Generation 4 nachlesen – eine Argumentation, die direkt aus der Feder eines Greenpeace-Volontärs mit Abschluss in Germanistik und Politologie stammen könnte.

Corona-Lesetipp: Manfred Haferburg ist Autor des Romans „Wohn-Haft“ (4,9 von 5 Punkten bei 148 Bewertungen), der sich immer mehr in eine Dystopie entwickelt.

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Zdenek Wagner / 13.03.2021

So etwas erinnert mich stets an den Film “Der Untertan” von Wolfgang Staudte, wenn der Papierfabrikbesitzer Hessling, genial gespielt von Werner Peters, vermeintliche Alltagsweisheiten auf Toilettenpapier drucken lässt und selbige seinen fassungslosen Arbeitern vorliest. “Am deutschen Wesen wird die Welt genesen” u.ä.  Reicht dem Deutschen das ewige Kreuz mit dem dritten Reich, dass er bis in alle Ewigkeit wird mit sich schleppen müssen, noch nicht?

Wolfgang Kessler / 13.03.2021

Das ist der neue deutsche Imperialismus. Der Imperialismus der arroganten Besserwisserei.

Wolfgang Richter / 13.03.2021

Ich schlage doch mal vor, daß diese Regierungstruppe ihren Idealen endlich mal treu bleibt und ab sofort absolut keinen Strom mehr aus dem Ausland importiert, der “dreckig” ist, also keinen Kohle basierten Strom aus Polen und schon gar keinen “Atomstrom” -z.B. aus Frankreich. Dann machen “wir” es uns fein gemütlich in unserer dunklen lauschigen Welt, mit still gelegter Wirtschaft und “Home Ofice” für alle, nur halt ohne “Office”, dafür aber moralisch und ideologisch auf der sauberen Seite. Und wenn die ersten Geschäfte und Privatleute schon mal die gammeligen Lebensmittel aus den diversen nun warmen Kühlanlagen auf die Straßen schmeißen, kann jeder die Geruchskulisse des Mittelalters in den Städten völlig neu erleben. Das Ganze garniert mit den nicht mehr abtransportierten Fäkalien allerorten. Und drum herum schlagen sich die derart von den völlig verblödeten Politträumern ins Chaos Getriebenen um die letzten Vorräte an Eßbaren und vor allem Wasser. Dann möchte ich nicht in der Haut dieser linksgrünen Verursacher stecken, denn diese werden vermutlich -wie für eine “Steinzeitgesellschaft” üblich- einfach an Ort und Stelle erschlagen.

Werner Geiselhart / 13.03.2021

Dieser Fachfrau (ist allmählich ein Schimpfwort) ist anscheinend nicht bekannt, dass uns die französischen KKWs, die sie in die Luft sprengen will,  in den vergangenen Monaten einige Male den Allerwertesten gerettet haben, als die 30.000 Windräder praktisch Null lieferten und die Sonne nicht so recht wollte. Wie schafft man es eigentlich, so vollkommen neben der Realität herzuleben und nichts von den wirklichen Problemen der Welt mitzubekommen. Und die Steuerzahler müssen für solche Leute 50% ihres hart erarbeitenden Lohnes abdrücken. Man kann manche schon verstehen, die ... (hier schreibe ich nicht weiter, sonst wirds heftig)

g.schilling / 13.03.2021

Ihre Thesen kann sie ja über F.W.S. (dem Präsidarsteller) noch den Iranern überbringen lassen. Er hat ja beste Kontakte. Und wenn die Kernenergie endlich weg ist gehen wir die Nuklearmedizin an. Ist ja auch so Teufelszeug. Wenn Deutschland beispielhaft vorangeht wird die restliche Welt einsehen dass dies der richtige Weg ist und uns folgen.

Ernst Dinkel / 13.03.2021

“Weltweit und vollendet, drunter machen es deutsche Politiker niemals.” Das ist es, was uns Deutsche (= schon länger hier lebende) auszeichnet, egal um was es geht. Allein die Windmühlenträume sind ein Beispiel für “Vollendung”. Erste Untersuchungsergebnisse aus den USA zeigen auf, dass hoch gebaute Windkraftanlagen in goßer Anzahl zu Wetter- bis hin zu kontinentalen Klimaveränderugen führen könnten, für die “Klimarettung” aber fast nichts bringen. Man muss jedoch die positiven Aspekte sehen. Die Anschluss-Trassen von Hochleistungsmühlen führen bei guter Windauslastung zur Bodenerwärmung. Bei 60000 und mehr angepeilten Mühlen haben wir dann quasi eine Republik mit Fußbodenheizung, also kein Schnee mehr, vielleicht eine zusätzliche Ernte-Saison, ganzjähriges Golfspiel auch im Allgäu. Vielleicht denkt Grinsebacke Svenja in ihrem grünen Elektrobomber ja doch weiter als ich Kleingeist. Ich darf morgen wählen, da muss ich ja direkt nochmal nachdenken, menno ...

Volker Voegele / 13.03.2021

Svenja Schulze war sieben Jahre (2010-2017) Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen, sozusagen als Fachfremde. Aber fehlende Qualifikation fällt bei den Mitgliedern der deutschen Regierungen im allgemeinen nicht auf. Man müsste im ersten Moment froh sein, dass es eventuell nur intellektuelle Therapiefälle sind, allerdings sind es hoffnungslose, weil diese Leute Bildung nicht zuletzt durch eine ideologische Brille sehen. Die überwiegend naiv-sorglose Bevölkerung wird sukzessive erfahren, dass ihr (teilweise) selbstverschuldetes Informations-, Bildungs- und Engagement-Defizit, kombiniert mit der grotesken Energiepolitik der Bundesregierung, zu einem Ausstieg aus wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Sicherheiten führen wird. Kraft der „grandiosen Innovationsleistungen“ der deutschen Regierungen sind in wenigen Jahrzehnten zehntausende Arbeitsplätze (plus Knowhow) im Bereich der konventionellen Kraftwerkstechnik (fossil und nuklear) in Deutschland verlorengegangen. Die Welt wird dem Therapiefall Deutschland nicht folgen.

Julius Schulze-Heggenbrecht / 13.03.2021

Herr Haferburg, Sie haben wie immer den Nagel auf den Kopf getroffen. Wie wir alle wissen - nur die Grünen und die technikfeindlichen Spezialdemokraten wie Frau Schulze sind da unbeleckt - führt die “Energiewende” dazu, dass hierzulande kaum noch genügend Strom erzeugt werden kann. Das Defizit decken wir bislang mühsam durch Stromimporte, vor allem aus französischen Kernkraftwerken. Wenn unbedarfte Menschen wie Frau Schulze nun den EU-Staaten und sogar den Nicht-EU-Staaten die Stromproduktion durch Kernkraftwerke verbieten wollen, sollte Frau Schulze erklären, woher der Strom für Deutschland kommen soll. Wir selbst können die benötigte Menge nicht mehr produzieren. Und nun wollen unsere Politiker, im Wahn, die ganze Welt “retten” zu müssen, anderen Ländern die friedliche Nutzung der Kernenergie verbieten ...  Das wird uns viele neue Freunde bescheren.

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