Gastautor / 12.05.2019 / 13:00 / Foto: Pixabay / 6 / Seite ausdrucken

Südafrikanische Wahlbeobachtung

Von Urs Unkauf.

Die südafrikanischen Wahlen vom 8. Mai finden, gemessen an den in europäischen Medien sonst höchstens in Form von Randnotizen wahrgenommenen Wahlen afrikanischer Staaten, eine beachtliche mediale Resonanz. Dies erklärt sich aus der politischen Sonderrolle Südafrikas, das oft als Gradmesser für die Entwicklung Afrikas insgesamt herangezogen wird. In dem Land, wo 1994 nach dem Ende der Apartheid die ersten von der Politik der Rassentrennung befreiten Wahlen stattfanden, waren am Mittwoch über 26,7 Millionen Wahlberechtigte (Gesamtbevölkerung: ca. 56,5 Millionen) zum Urnengang aufgerufen. Neben den nationalen Parlamentswahlen, die auch für die indirekte Wahl des Präsidenten entscheidend sind, wurden ebenfalls die Provinzvertretungen neu zusammengesetzt.

Auch 25 Jahre nach dem Ende der Apartheid steht das Land vor großen Herausforderungen – neben Korruption und Kriminalität gehören auch das Wirtschaftswachstum und der gesellschaftliche Zusammenhalt dazu. Gerade in Bezug auf den letzteren Aspekt sollten sich die Länder Westeuropas mit einer herablassenden und moralisierenden Bewertung vor dem Hintergrund ihrer eigenen, zunehmenden innergesellschaftlichen Segregation zurückhalten. Trotz aller vorhandenen Mängel steht Südafrika im Ruf eines Vorreiters in Bezug auf demokratische Standards auf dem afrikanischen Kontinent. 

Nach vorangegangenen, erfolgreichen Einsätzen in Simbabwe, Madagaskar und der Demokratischen Republik Kongo beteiligte sich die internationale Nichtregierungsorganisation Association for Free Research and International Cooperation (AFRIC) auf Einladung der südafrikanischen Wahlkommission (IEC) mit einer 73-köpfingen Delegation an der Wahlbeobachtung. Dies ermöglichte eine flächendeckende Präsenz in allen neun Provinzen Südafrikas, womit die Repräsentativität der Einschätzungen hinreichend gewährleistet ist. Die Beobachter wurden mit Unterstützung der IEC durch eine ausführliche Einweisung in die Regularien des Wahlprozesses vorbereitet. Hierdurch wurde es AFRIC ermöglicht, präzise und zeitnah über die im Tagesverlauf beobachteten Ereignisse von Interesse zu berichten. Folgende 14 Länder waren in der Mission von AFRIC vertreten: Indien, Deutschland, Malaysia, die Russische Föderation, Mosambik, Madagaskar Israel, Ungarn, Großbritannien, Benin, Burkina Faso, Japan, Serbien und Simbabwe.

Zuvor führte AFRIC von Oktober 2018 bis Februar 2019 eine Reihe von sozialwissenschaftlichen Erhebungen in Südafrika durch, um die Eindrücke der Bürger von der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Situation im Land zu ermitteln. Die Ergebnisse wurden den nationalen politischen Parteien und ihren Führungspersönlichkeiten als Anregungen im Hinblick auf die Wahlen zugänglich gemacht.

48 politische Parteien für die Wahlen angemeldet

Landesweit wurden insgesamt 22.932 Wahllokale eingerichtet, zuzüglich 69 mobiler Wahlstationen in abgelegenen Regionen. Diese wurden nach dem Prinzip der proportionalen Repräsentativität der Einwohnerzahl von der IEC festgelegt. Die politischen Parteien erhalten eine bestimmte Anzahl von Sitzen in der Nationalversammlung und den Provinzversammlungen abhängig von der Anzahl der Stimmen, die sie national und provinziell erhalten haben. Die Wahllokale wurden von 7 Uhr morgens bis 21 Uhr geöffnet, die Wahlkommission kann über eine Verlängerung bis 24 Uhr bei erheblichen Verzögerungen entscheiden. 48 politische Parteien wurden für die Teilnahme an den Wahlen angemeldet.

Es ist von zentraler Bedeutung, das im Vergleich zu anderen afrikanischen Wahlen hohe Maß an Professionalität der IEC-Mitarbeiter hervorzuheben. Es wurden keine grundlegenden, schwerwiegenden Verstöße gegen die gesetzlichen Regularien festgestellt, dennoch kam es punktuell zu Unregelmäßigkeiten. So öffneten einige Wahllokale vormittags mit Verzögerungen von teilweise über einer Stande aufgrund von technischen Problemen oder weil Materialen nicht rechtzeitig eingetroffen waren. Im Verlauf des Tages gingen in einigen Wahllokalen die Stimmzettel aus, was zu Warteschlangen und entsprechenden Unannehmlichkeiten für die Wähler führte.

Besonders beachtenswert ist, dass es hierbei nicht zu lautstarken oder gar gewalttätigen Ausschreitungen kam, die Sicherheit in den Wahllokalen war weitgehend gewährleistet. Der Wahlkampf am Wahltag war legal und wurde in Form von T-Shirts, Mützen und Ansteckern bis in die Wahlkabine getragen. Obwohl dies zunächst befremdlich wirken mag, kann man darin mit etwas Kenntnis der kontinentalen Verhältnisse auch eine gewisse Stärke der südafrikanischen Demokratie erkennen: In den meisten Staaten Afrikas wäre ein solcher Prozess kaum ohne Gewalt vorstellbar.

Es gab keine schwerwiegenden Verstöße

Hin und wieder gab es heftige Wortwechsel zwischen den zur Wahlbeobachtung zugelassenen nationalen Parteivertretern. Vereinzelte Problemfälle gab es mit der Farbmarkierung, welche die Wähler am Finger erhielten, nachdem ihre Identifikationsdokumente verifiziert wurden. Die Ausrichtung der Wahlkabinen, die teilweise nur mangelhaft von den Blicken der Wartenden abgeschirmt waren, ist ebenfalls festzuhalten. Stromausfälle sorgten für zeitweilige Unterbrechungen des Wahlprozesses. Einige Wähler, die vor 21 Uhr in die Wahllokale kamen, konnten nicht wählen, da die Wahllokale bereits geschlossen waren.

Gerade mit Blick auf diese erwähnten Vorkommnisse mit Verbesserungsbedarf ist es wichtig, festzuhalten: Es gab keine schwerwiegenden Verstöße gegen die Wahlgesetzgebung wie gewalttätige Ausschreitungen oder die Einschüchterung von Kandidaten oder Wählern. Auch Bestechungen wurden nicht beobachtet. Somit erfüllen die Wahlen vom 8. Mai einen hohen Anteil international anerkannter Standards. 

Das vorläufige Ergebnis (96,38 Prozent der ausgezählten Stimmen, 10. Mai, 19:50 Uhr) beschert dem regierenden African National Congress (ANC) mit 57,7 % weiterhin eine absolute, aber keine verfassungsändernde Mehrheit. Zweitstärkste Partei wurde die Democratic Alliance (DA) mit 20,69 %, an dritter Stelle folgen die mit Forderungen nach radikaler Landenteignung in den Wahlkampf gezogenen Economic Freedom Fighters (EFF) mit 10,55 %. Die Wahlbeteiligung beträgt zu dem Zeitpunkt 65,66 %, dies entspricht ca. 16,4 Millionen abgegebener Stimmen.

Ein faktisches Resultat der Wahlen ist somit die Festigung eines Dreiparteiensystems. Wenngleich am 10. Mai bereits 27 Parteien angekündigt haben, das Wahlergebnis anzufechten, ist von einer flächendeckenden Wiederholung der Wahlen nicht auszugehen. Die beobachteten Regelverstöße im Speziellen bleiben nach Einschätzung von AFRIC die Ausnahme, die den Ergebnissen der im Gesamtbild nach den geltenden nationalen Bestimmungen und anerkannten internationalen Standards verlaufenen Wahlen keine generelle Legitimität absprechen können.

Fortlaufend aktualisierte Informationen zu den Wahlergebnissen in der Republik Südafrika sind zu finden unter: www.elections.org.za

Weitere Informationen zu AFRIC: www.afric.online

Urs Unkauf (geb. 1994), Historiker, Soziologe und Politikberater ist für die Jüdische Rundschau im Bereich Politik & Diplomatie tätig und Repräsentant von AFRIC (Association for Free Research and International Cooperation) in Deutschland. 2018 war er Wahlbeobachter in Madagaskar und der Demokratischen Republik Kongo, während der Wahlen in Südafrika war er in der Provinz Free State im Einsatz.

Foto: Pixabay

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Petra Kehren / 12.05.2019

Verehrter Herr Unkauf, zunächst meine Anerkennung für Ihr Engagement. Einige Anmerkungen zu Ihrem Bericht sollen dennoch für etwas Einordnung sorgen. Sie verwenden Begriffe wie im Einzelfall, punktuell, kaum etc. für Beobachtungen, die “flächendeckend” durch 73 Wahlbeobachter in insgesamt 23.001 Wahlbüros oder mobilen Stationen. Das stellt eine derart eklatante Fehlwahrnehmung hinsichtlich Ihrer (und der Ihrer Kollegen) Möglichkeiten, sich tatsächlich ein umfassendes Bild zu verschaffen, dass - mit Verlaub - die getroffenen Aussagen Ihres Berichtes Muster ohne Wert sind. Weiter zu zweien Ihrer Aussagen, Zitat: “Dies erklärt sich aus der politischen Sonderrolle Südafrikas, das oft als Gradmesser für die Entwicklung Afrikas insgesamt herangezogen wird” “Trotz aller vorhandenen Mängel steht Südafrika im Ruf eines Vorreiters in Bezug auf demokratische Standards auf dem afrikanischen Kontinent. “ Wenn es hier einen allgemein anerkannten Standard setzenden Staat in Afrika gibt, so ist das Mauritius. Weltbank, WTO, IMF, Mo-Ibrahim-Report und weitere internationale Benchmarkings mehr , sehen Mauritius weit vor Südafrika. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihren Anstrengungen, rege jedoch die Erweiterung Ihres Blickwinkels an. Freundliche Grüße sendet P.K.

Susanne v. Belino / 12.05.2019

Vielen Dank für Ihren sachlichen und unaufgeregten Bericht über die südafrikanischen Wahlen, werter Herr Unkauf. Eine Seltenheit in diesen Tagen. Für mich, die ich mit den Gegeben- und Gepflogenheiten dieses schönen Landes seit langem bestens vertraut bin, klingen Ihre Ausführungen absolut realistisch. Wir sollten uns tunlichst davor hüten, Südafrika, ja dem ganzen Kontinent, gegenüber als politische Moralapostel aufzutreten. Es gibt kein Recht, auf welches sich eine solch unerhörte Hybris gründen ließe. Schließlich finden sich auch hierzulande genügend Glashäuser, aus welchen man wohlweislich keine Steine werfen sollte.

Nathalie Nev / 12.05.2019

Wahlbeobachtung in fremden Laendern. Wozu und wer finanziert die Aufenthalte fuer 73 Personen dort. Bin verwundert.

Karl Wiese / 12.05.2019

Die Briefwahl in Deutschland ist in hohem Maße anfällig für Wahlmanipulationen. Seit 1989 wurden alle Sicherungsmechanismen der Briefwahl bei der Bundestags- und Europawahl abgeschafft:   Die Wahlscheine werden bei der Auszählung nicht mehr mit dem kompletten Wahlscheinverzeichnis abgeglichen, sondern nur noch mit der Liste der für ungültig erklärten Wahlscheinen. In dieser Liste sind gefälschte Wahlscheine natürlich nicht enthalten. (gestrichen 1989, § 68 Abs. 1 EuWO bzw. § 75 Abs. 1 BWO)   Es reicht das Dienstsiegel nur noch aufzudrucken, anstatt es zu stempeln. (gestrichen 1989, § 27 Abs. 2 EuWO bzw. § 28 Abs. 2 BWO)   Auch die Siegelmarken für die Stimmzettelumschläge wurden gestrichen. (gestrichen 1989, § 27 Abs. 3 bzw. § 28 Abs. 3 BWO)   Es ist keine amtliche Unterschrift mehr auf dem Wahlschein nötig. (gestrichen 2002, § 27 Abs. 2 EuWO bzw. § 28 Abs. 2 BWO) Gefälschte Briefwahlunterlagen mit Phantasienamen fallen also weder dadurch auf, dass es die Namen gar nicht gibt, noch durch irgendwelche Sicherheitsmerkmale. Die Unterschriften der Eidesstattlichen Versicherungen unter den Wahlscheinen werden nur auf Vorhandensein überprüft, stellen also keinerlei Hürde für Fälscher dar. Es erfolgt nicht einmal ein Vergleich der Anzahl an ausgegebenen mit der an eingegangenen Briefwahlunterlagen.

Matthias Hofmann / 12.05.2019

Kein Wort zu den Morden an den weißen Farmern und den Überfällen.

Karla Kuhn / 12.05.2019

“Südafrikanische Wahlbeobachtung”  Ich bin für DEUTSCHE Wahlbeobachtung !!  “Gerade in Bezug auf den letzteren Aspekt sollten sich die Länder Westeuropas mit einer herablassenden und moralisierenden Bewertung vor dem Hintergrund ihrer eigenen, zunehmenden innergesellschaftlichen Segregation zurückhalten. ”  WEDER am deutschen noch am westeuropäischem Wesen muß die Welt genesen.

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