Vera Lengsfeld / 05.12.2019 / 14:00 / 48 / Seite ausdrucken

Rückzug der “Sturmtruppe” für “menschliche Großgesinntheit”

Das „Zentrum für politische Schönheit“ ist gestern zurückgerudert und hat sich für seine perfide Instrumentalisierung der Asche ermordeter Juden auf seiner Website „entschuldigt“.

Wörtlich: „Wir wollen bei Betroffenen, Angehörigen und Hinterbliebenen aufrichtig um Entschuldigung bitten, die wir in ihren Gefühlen verletzt haben.

Wir möchten insbesondere auch die jüdischen Institutionen, Verbände oder Einzelpersonen um Entschuldigung bitten, die durch unsere Arbeit die Totenruhe nach jüdischem Religionsrecht gestört oder angetastet sehen.“

Die von angeblich aufrichtiger Reue Gepeinigten können es aber nicht lassen, darauf hinzuweisen, dass sie eigentlich doch alles richtig gemacht haben.

 „Zwar bekommen wir auch Rückmeldung von Angehörigen, die sowohl Form als auch Aussage unserer Arbeit begrüßen, aber unser Ziel war nie, Konflikte zwischen Menschen, die auf derselben Seite kämpfen, zu befeuern. Wenn sich Menschen, auf deren Seite wir uns sehen und mit denen uns tiefe Sympathie verbindet, gegen uns Position beziehen, dann zeigt das, dass wir Fehler gemacht haben. Diese Fehler wollen wir jetzt korrigieren.

Dann kommen die Macher auf ihr angeblich „eigentliches Anliegen“ zu sprechen.

„Wir wollen angesichts der per staatlich proklamierten, ach-so vorbildlichen „Aufarbeitung“ der deutschen Verbrechen erneut darauf aufmerksam machen, dass nichts vollständig aufgearbeitet ist und vermutlich auch nie sein kann, wenn uns nur die Grasnarbe oder ein wenig Laub von der Entdeckung und Dokumentation weiterer deutscher Kriegsverbrechen trennt.

Wir wollen auf die Verantwortung der Nachwelt hinweisen, die identifizierten Massengräber wenigstens als solche zu deklarieren, zu markieren und zu schützen und speziell die Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland, die bestehenden Gedenkstätten im In- und Ausland mit genug finanziellen Mitteln auszustatten, damit Sie ihre Aufgabe des Erinnerns und Mahnens nach besten Möglichkeiten erfüllen können.“

Das weckt sicher Verständnis, allerdings war davon bei der Propagierung der Säulenaufstellung nichts zu hören und zu sehen. Stattdessen wurden Namen von CDU-Abgeordneten ausgestellt, die schwören sollten, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Als Journalisten die um die Säule herumwuselnden Aktionisten befragten, wusste keiner, woher die Asche und die Knochensplitter stammten. Auch der verantwortliche Historiker des Zentrums konnte keine Auskunft geben. Vom angeblichen „eigentlichen Anliegen“ war also zu Beginn der Aktion keine Rede. Es offenbart aber das instrumentelle Geschichtsverständnis von Ruch und seiner „Sturmtruppe“ (so die Selbstbeschreibung).

Drehung der Erinnerungskultur

Es gibt jede Menge Anlass, daran zu erinnern, welchen entscheidenden Anteil Juden an der westlichen Kultur, Politik, Wissenschaft, Kunst, den freiheitlichen emanzipatorischen Errungenschaften hatten. Aber das Zentrum präsentierte mit stolzer moralischer Überhebung das, was die Täter-Großväter daraus gemacht haben: Asche. Eine schlimme Geschichtswende, das empfinde nicht nur ich so. Der grüne Europapolitiker Sergey Lagodinsky kommentierte in der „Jüdischen Allgemeinen“:

„Meine lange Befürchtung wird bestätigt: Erinnerung an jüdische Menschen dient in Deutschland schon lange einem einzigen Zweck – eine Lehre für Deutsche zu sein. Eine Lehre und eine Entlastung. Mit Schockern des 21. Jahrhunderts will das Zentrum für Politische Schönheit die Erinnerungskultur noch weiter dahin drehen, wo sie nicht hingehört: sich als Gesellschaft besser zu fühlen, weil wir uns über die Täter erheben und immer auf die anderen zeigen können.“

Nun verzichtet das Zentrum „schweren Herzens“ auf die Weiterführung der Aktion. Angeblich wurden auch die „anderen Gedenkorte“ abgeschaltet. Ob das so stimmt, weiß ich nicht. Auf twitter beklagt Mirna Funk die Aufstellung einer Stele in Halle, die mit einem Gedicht ihres Ur-Großvaters Stephan Hermlin versehen wurde, ohne dass die Vertreter der „radikalen Form des Humanismus“, die „Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit“ (Selbstbeschreibung) es für nötig hielten, die Familie zu fragen, ob sie einverstanden sei.

Was die Sturmtruppe exerziert, ist die Großgesinntheit des Herrenmenschentums, das glaubt, sich über den Rest der Welt erheben zu dürfen.

Die Aktion soll also beendet werden. Rabbiner haben sogar angeboten, die geschändete Asche Ermordeter wenigstens würdig nach jüdischem Ritual zu bestatten. Da sollte darauf geachtet werden, dass wirklich alle Asche bestattet wird, auch die von den „anderen Gedenkorten“.

Was ist daran gemeinnützig?

Aber was passiert mit der Asche, die in Würfel gepresst bereits an vermutlich tausende Spendenfreudige verteilt wurde und jetzt womöglich die Vitrinen und Schreibtische der willigen Helfer der „Sturmtruppe“ ziert? Wer sammelt die wieder ein? Was wird mit der – nach Angaben des Zentrums – 100 000-Euro-Spende? Sollte die nicht umgehend an eine Einrichtung weiter gereicht werden, die verantwortungsvoll mit dem Gedenken an die Ermordeten umgeht?

Das Zentrum hat in seiner Spendenkampagne damit geworben, dass es als gemeinnützig anerkannt sei und jeder Spender die Hälfte der Summe vom Finanzamt zurückerstattet bekommt. Das ist der Skandal hinter dem Skandal. Hier gibt es Handlungsbedarf.

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Leserpost

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Susanne antalic / 05.12.2019

Die neuen deutschen Herrenmenschen, die sich sebst als Gutmenschen betrachten dürfen alles und das alles wird noch von Steuerzahler bezahlt, ob das der Judenhasser von ÖR, der sich nach Händeschütteln mit einem Juden die Hände desinfiziert muss, alles wird bezahlt und mit Wohlwollen beobachtet bis frenetisch gefeiert- alles Kunst.

P. F. Hilker / 05.12.2019

Dieser Staat scheint ein Selbstbedienungsladen zu sein.

Michael Guhlmann / 05.12.2019

@Florian Bode : Fairerweise sollte man zugeben, daß die von Ihnen vermißte Formulierung den Anfang der hier zitierten Erklärung dieser Leute bildet.

Andreas Rühl / 05.12.2019

Glatter Fall von - straflosem - Antisemitismus. Und mit jedem Satz, den diese Kretins von sich geben, wirds nur noch deutlicher. In meinen Augen war es immer ein Fehler, das “Leugnen” des Holocausts unter Strafe zu stellen, solange das “Leugnen” nicht in Volksverhetzung ausartet (und die war ja strafbar). Aber jetzt sieht man: Es fehlt das “Ausnutzen des Holocausts” als Tatbestandsvariante. Denn wenn man im “Leugnen” des Holocausts eine Beleidigung der Opfer zu erblicken glaubt, die strafwürdig ist, dann muss das “Ausnutzen” (oder Benutzen), das die Opfer ebenso beleidigt, es auch sein. Allerdings wirds dann gefährlich für Politiker, die “wegen Auschwitz” beschlossen haben “Politiker zu werden”.  Eine verordnete Erinnerungskultur kann es, darf es nicht geben. Richtig wäre aber, die Deutsche mosaischen Glaubens, auch die, die sich von ihrem Glauben abgewendet haben, endlich wieder als Deutsche zu sehen. Es ist doch völlig absurd, einem Menschen wie Stefan Zweig etwa (zuzugeben: ein Österreicher) die Judenkappe aufzusetzen, die er selbst nie getragen hat. Der Holocaust kennt keine “deutschen Täter” die “jüdischen Opfern” gegenüberstehen. “Das Deutsche” ist keine Religion. Wer deutsch ist, bestimmt das Gesetz. Es ist eine völker- und staatsrechtliche Kategorie. Unter den Opfern der Nazis waren eben auch Deutsche. Und zwar nicht gerade wenige. Die mutwillige Leugnung dieser Tatsachen verhilft der Naziideologie zum späten Sieg. Gleichwohl gilts zu prüfen, ob diese Kunstverbrecher nicht doch Volksverhetzung begangen haben, die Störung der Totenruhe und die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener durch beschimpfenden Unfug sehe ich ohnehin als erfüllt an.

B.Kröger / 05.12.2019

Die ganze “Aktion” ist dermaßen widerlich. Wer bringt es fertig, in Würfel gepresste Asche von brutal ermordeten Menschen zu verkaufen und wer kauft so etwas? Ich bleibe dabei: Strafantrag! Zu klären ist auch, wer unterstützt solche “Gruppen” evtl. mit Steuergeldern?

Volker Voegele / 05.12.2019

Die Beamten-Truppe, die dieser „Sturmtruppe“ ZPS die Gemeinnützigkeit anerkannt hat, dürfte einstweilen unbeeindruckt in den Büro-Himmel schauen und fröhlich in die Stubenluft pfeifen. Auch deutsche Beamten kennen schließlich „menschliche Großgesinntheit“.

Günter Springer / 05.12.2019

Nennen sich diese Leute wirklich ” Zentrum für politische Schönheit ” Ich kann es nicht glauben. Es ist aber nicht verwunderlich bei dem, was sonst noch so in unserer Gesellschaft los ist. Unfassbar!

Dieter Weingardt / 05.12.2019

Das Böse legt sich selbst die Schlinge…

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