Diese Woche kam Michael Jackson in den Himmel und eine Reihe Staatenlenker ins italienische L’Aquila. Die Trauerfeier und der G8-Gipfel hatten einiges gemeinsam. Den Teilnehmern beider Veranstaltungen ging es darum, sich vor großem Publikum als die Guten darzustellen.
„Es war Michael, der gesungen hat ‚We are the World“ und gebt den Hungrigen zu essen“, sagte der Bürgerrechtsveteran Al Sharpton. Nein, das sagte er nicht auf dem G8-Gipfel sondern auf Michael Jacksons Beerdigung. Auf dem G8-Gipfel wiederum war es Gordon Brown, der sein Herz für die Hungernden entdeckte. Der britische Premierminister forderte entschlossene Entwicklungshilfe, damit Afrika sich selbst ernähren könne. Gleiches könnte er natürlich auch für sein eigenes Land Großbritannien fordern, von dessen Defizit mittlerweile sogar der Kongo beeindruckt wäre. Doch andere Leute retten, die weit entfernt wohnen, macht viel mehr Spaß.
Noch weiter weg als Afrika ist das Klima in 100 Jahren, warum die kluge Angela Merkel sich dessen Rettung so vehement auf die Fahnen geschrieben hat. Die gleiche Kanzlerin, die von den Krankenkassenkosten bis zur Staatsverschuldung so ziemlich alles davon galoppieren lässt, will nun die Erwärmung des Planten auf zwei Grad begrenzen. Erstmals in der Erdgeschichte wird damit das Klimageschehen angehalten. Alle Achtung, das schafft Glaubwürdigkeit. Besonders weil die globale Temperatur seit nunmehr zehn Jahren gar nicht mehr steigt. Frau Merkel befindet sich also im Zielkorridor. Die Welttemperatur gehorcht ihrem politischen Willen gewissermaßen rückwirkend. Wir sind beeindruckt.
Es wäre vielleicht trotzdem hilfreich, sich überirdische Unterstützung zu sichern. Hilfsweise tut es auch der Stellvertreter Gottes auf Erden. Schließlich forderte auch der Papst in seiner Enzyklika diese Woche dringend „das Vorhandensein einer echten politischen Weltautorität.“ Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken sprach von der Enzyklika als einem „Dokument der globalen Geschwisterlichkeit“ (offenbar hat sich die Brüderlichkeit global nicht bewährt). Wir sehen der päpstlich ersehnten Weltautorität allerdings mit etwas gemischten Gefühlen entgegen, schließlich ist die irdische Personaldecke dünn. Für diese Einsicht müsste der Papst eigentlich nur um die Ecke in den Palazzo Chigi schlendern, wo Silvio Berlusconi seinen Geschäften nachgeht.
Je konkreter die Sorgen und Nöte der meisten Menschen werden, desto transzendenter gibt sich die Politik. Die „Wir sind eine Welt“ und „Rettet das Klima“ Rhetorik sollen darüber hinwegtrösten, dass die nächste Steuersenkung erst im Jenseits erfolgt. Früher vertraute man stattdessen auf die narkotische Wirkung folgender Mixtur: Man nehme etwas Olibanum, Myrrhe, Benzoe, Storax, Tolubalsam, getrocknete Zimtrinde und Lavendelblüten. Das Gemisch wird seit Jahrhunderten erfolgreich eingesetzt und heißt im Volksmund Weihrauch.
Erschienen in DIE WELT vom 10.07.2009