Wenn Sie von den Champs Élysée V über die Avenue Georges 5 gehen, kommen Sie an der Seine-Brücke Pont Alma heraus. Dort steht am Ufer eine Denkmals-Fackel, die viele Touristen in einen Gedenkort für ihre geliebte Lady Dy umwidmen und Blumen ablegen. In dem Straßentunnel neben der Pont Alma verlor Lady Dy in einem furchtbaren Autounfall ihr Leben. Die Fackel ist aber in Wirklichkeit ein Detail der Freiheitsstatue von New York – die Fackel der Freiheit.
Die Pont Alma hat seit ihrer Rekonstruktion in den 70igern nur noch einen Pfeiler in der Seine, der mit der Statue des Zouave geschmückt ist. Diese Soldatenskulptur von Georges Diebold erinnert an die Schlacht von 20. September 1854, wo ein nordafrikanisches Regiment, genannt die Zouaves, sich für die französische Nation schlug.
Die Steinstatue ist 5,2 Meter hoch und steht auf einem Pfeilersockel gut einen Meter über dem Fluss. Es hat sich eingebürgert, dass die Pariser anfangen, von Hochwasser zu reden, wenn der Zouave nasse Füße bekommt. Jede Partie seines Körpers, Knöchel, Knie, … beschreibt einen anderen Hochwasserzustand. Wenn die Knie unter Wasser sind, wird die Schifffahrt auf der Seine eingestellt. Der Zouave pflegt sogar sein eigenes Twitter Konto.
Die Diskos am Pont Alexandre 3 sind abgesoffen
Heute früh ist ihm das twittern vergangen. Der Zouave stand bis zum Gürtel im Wasser. Beide Ufer im Innenstadt-Trog der Seine waren vollständig geflutet und der Fluss hatte somit seine Breite optisch verdoppelt. Die Wohnboote, die sonst am romantischen Ufer festgemacht sind, scheinen in der Mitte des Stroms zu Ankern. Eine Fluss-Tankstelle ist bis übers Dach versunken. Die Diskos am Pont Alexandre 3 sind abgesoffen. Es fehlt noch ein Meter, dann werden die RER- und Metrolinien entlang der Seine geflutet sein.
Die internationale Presse schreibt über eine Flutkatastrophe in Paris. Keine Angst, das ZDF neigt ein wenig zu Übertreibungen – die Bewohner im Pariser Zentrum haben jedenfalls ihre superteuren Wohnungen nicht aufgegeben. Die chinesischen Touristen finden es toll und machen Selfis, wenn sie nicht gerade bei Louis Vuitton anstehen, um eine Handtasche für 5.000Euro zu ergattern.
Die Pariser nehmen es gelassen. Heute früh sah ich auf einem der Wohnboote eine Familie im Bademantel an Deck sitzen und bei einem Espresso und einer Zigarette das Schauspiel genießen. Was bleibt ihnen anderes übrig. An Land können sie zurzeit nicht kommen, ohne zu schwimmen oder das Beiboot zu benutzen.
Wenn es nicht stark weiterregnet, dann war das heute der Scheitelpunkt des Seine-Hochwassers. Dann wird der Fluss bald wieder ruhig die Pärchen an seinem Ufer beim Knutschen beobachten und die Clochards können mit ihren Matratzen unter ihre geliebten Brücken zurückkehren.
Liebe Leser, nutzen Sie Ihre Chance, der Mai naht. Paris hat den guten Ruf, eine Stadt der Liebe zu sein und freut sich über viele verliebte Touristen, egal ob aus China oder Deutschland. Und bis dahin ist der Hochwasserschlamm längst weggekehrt. Und am Ufer der Seine küsst es sich wirklich vortrefflich.