Peter Grimm / 06.05.2020 / 14:06 / Foto: Jacek Halicki / 35 / Seite ausdrucken

Notstands-Wahlrecht durch die Hintertür

Was die Regierung in Warschau für die anstehende Präsidentenwahl in Polen gerade umzusetzen versucht, nämlich eine Abstimmung im Ausnahmezustand, die ausschließlich durch Briefwahl stattfindet, eingeschränkter Wahlkampf für die Opposition inklusive – kann sich die Bundesregierung auch für die nächste Bundestagswahl vorstellen. Eine Meldung von heute:

„Um die Bundestagswahl auch bei neuen Corona-Wellen im Herbst nächsten Jahres durchführen zu können, bereitet die Koalition eine Novelle des Wahlrechtes vor. Das berichtet die "Rheinische Post" unter Berufung auf Innen- und Rechtsexperten von Union und SPD.“

Danach solle die Möglichkeit geschaffen werden, über die Zusammensetzung des nächsten Bundestages allein durch Briefwahl zu entscheiden. "Es ist sinnvoll, für Notfälle die Möglichkeit zu schaffen, dass Kandidatenaufstellungen und die eigentliche Bundestagswahl auch anders durchgeführt werden können als durch Präsenzveranstaltungen", habe CDU-Rechtsexperte Ansgar Heveling gesagt.

Die Briefwahl war ursprünglich nur als Ausnahmefall für jene Wähler gedacht, die partout am Wahlsonntag nicht im Wahllokal erscheinen können. Das hatte auch einen guten Grund, denn die Briefwahl ist fehler- und manipulationsanfälliger als die Abstimmung im Wahllokal, wo jeder Schritt von der Versiegelung der leeren Urne bis zur Auszählung öffentlich kontrolliert werden kann. Auch kann – im Gegensatz zur Wahl in der Wahlkabine – bei der Briefwahl die freie und geheime Stimmabgabe allein durch den Wahlberechtigten letztlich nicht garantiert werden. Zudem gibt es nach jeder Wahl Berichte über verschwundene oder weggeworfene Briefwahlstimmen.

Es gibt viele gute Gründe, warum man ursprünglich die Zahl der Briefwahlstimmen begrenzen wollte, damit Unregelmäßigkeiten und Fehler in diesem Bereich nicht die ganze Wahl gefährden können. Dass es, wenn es knapp wird, auch heutzutage vorkommen kann, zeigte der erste Versuch des zweiten Wahlgangs der Bundespräsidentenwahl in Österreich 2016. Damals hätten die Briefwahlstimmen das haargenaue Patt zwischen beiden Kandidaten entschieden, doch weil es dort Unregelmäßigkeiten gab, musste die Wahl wiederholt werden.

An den Plänen der polnischen Regierung, jetzt im Mai die Präsidentenwahl zum eigenen Nutzen im Corona-Ausnahmezustand als reine Briefwahl durchzuführen, gab es auch aus Deutschland teils heftige Kritik. Zu recht. Die polnische Opposition, einige Ex-Präsidenten – Lech Walesa inklusive – riefen gar zum Boykott der Wahl auf. Doch während man Polen kritisierte, nahm man es hierzulande hin, dass der zweite Wahlgang der bayerischen Kommunalwahl eilends auf eine reine Briefwahl umgestellt wurde. Schließlich herrschte mittlerweile auch in Deutschland eine weitgehende Ausgangssperre.

„Staatsstreich“ zur „gelenkten Demokratie“?

Gut, dachten sich manche Kritiker, das ist nur eine Kommunalwahl. Die mit der Präsidentschaftswahl in Polen zu vergleichen, ist vielleicht nicht ganz angemessen. Dabei wäre wohl vor allem Argwohn angemessen gewesen, dass das manch ein Politiker auch als Probelauf für Größeres verstehen könnte. Die Koalitionäre in Union und SPD sollen sich bezüglich der eigentlichen Wahl schon weitgehend einig sein, nur bei der Kandidatenaufstellung soll es noch Beratungsbedarf geben.

So würde die SPD-Innenexpertin Ute Vogt der Briefwahl einen kleineren Delegiertenschlüssel vorziehen, damit Wahlversammlungen auch in kleinerem Rahmen möglich sind und der Abstand zwischen den Delegierten gewahrt werden kann. Bei solchen Beratungen sei nichts besser als eine Präsenz, um Vorstellung und Nachfragen zu ermöglichen. Merkwürdigerweise beschleicht die Genossin Vogt ein solcher Gedanke offenbar nicht, wenn es um den eigentlichen Wahlkampf geht, denn dort ist die Präsenz vor Ort beim Wähler und die Beantwortung von Nachfragen der Bürger umso wichtiger. Wenn also im Herbst 2021 wegen drohender Viren wieder auf dem Verordnungswege die Grundrechte eingedampft werden, könnte der Wahlkampf vielleicht nur noch über Medien stattfinden. Ein Traum für Systeme, für die Russlands Präsident Wladimir Putin einst den schönen Begriff von der „gelenkten Demokratie“ geprägt hat.

Wird jetzt also am Ausnahmezustandswahlgesetz nach polnischem Vorbild gearbeitet? Inhaltlich vielleicht, doch eigentlich soll dieser Angriff auf die Demokratie eher versteckt behandelt werden, denn wenn man der zitierten Meldung folgt, soll das Ausnahmezustands-Wahlrecht quasi nebenbei durch das Parlament gebracht werden. Sobald die Koalition sich auf einen Weg verständigt hätten, solle eine entsprechende Bestimmung einfach in das laufende Gesetzesvorhaben zum Neuzuschnitt von Wahlbezirken eingefügt werden. Dieses Vorhaben liege derzeit auf Eis, weil die Fraktionsführungen einen letzten Anlauf für ein neues Wahlrecht unternehmen wollten, um eine weitere Aufblähung des Bundestages zu verhindern.

Es droht möglicherweise ein Ausnahmezustands-Wahlrecht durch die Hintertür, vielleicht zu einem Zeitpunkt, an dem die Bürger damit beschäftigt sind, sich nach freudlosen Kontaktsperre-Zeiten erster kleiner Lockerungen zu erfreuen und von der Rückkehr zur Normalität zu träumen.

In Polen hat die oppositionelle Präsidentschaftskandidatin Małgorzata Maria Kidawa-Błońska treffend zusammengefasst, um was es sich bei einer Wahl unter solchen Bedingungen handelt: einen „Staatsstreich".

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Leserpost

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Peter Huebner / 06.05.2020

Das Grundgesetz wurde ja bereits sturmreif geschossen, jetzt kommt das Wahlgesetz dran. Bundestagswahl 2021 als reine Briefwahl - Wer möchte Wetten auf die Wahlergebnisse abschliessen?

Ralf Pöhling / 06.05.2020

Mein Gott, was müssen die Etablierten eine Angst vor der AFD haben. Bedeutet, wir machen offenbar alles richtig.

Jürgen Fischer / 06.05.2020

War das nicht alles zu erwarten? Egal, was kommt, für Deutschland ist es zu spät. Nichtmal ein Mann vom Verstand eines Ludwig Erhard könnte an der Situation noch was ändern; es müsste auch jemand sein, der sich damit durchsetzen kann. Und genau das ist nicht mehr möglich: der Widerstand und die schiere Menge der amtierenden Schmarotzerkaste ist inzwischen einfach zu groß.

Heribert Glumener / 06.05.2020

Offener Brief: Sehr geehrter Herr Bundespräsident, lieber Dr. Steinmeier! Ich begrüße die Briefwahlinitiative. Sicherlich ist dies ein erster zielführender Schritt. Aber wäre es nicht besser, Wahlen komplett auf den Online-Modus umzustellen? Bei nicht hilfreichen Stimmabgaben könnten die betreffenden Personen per Online-Antwort unmittelbar über ihr Fehlverhalten aufgeklärt und zu einer Rückkehr in das Kollektiv der integren Demokraten*innen ermuntert werden. Der Datenschutz sollte bei dieser konstruktiven Digital-Interaktion möglichst Berücksichtigung finden. Ich möchte Sie bitten, Ihr Gewicht als anständiger Demokrat und oberstes Gewissen unseres Landes in die Waagschale zu werfen und – unter gebotener Wahrung der politischen Unabhängigkeit – Anstöße für eine solch zukunftsfähige Wahlrechtsreform zu geben. Vielen Dank im Voraus. Hochachtungsvoll. Heribert Glumener, Düsseldorf.

Gereon Stupp / 06.05.2020

Ein Staats-Streich, also ein Hieb gegen die Fundamente des Staates zur Machterlangung einer Clique von Usurpatoren ist eine kurze, schnelle und durchgreifende Aktion. Das Ermächtigungsgesetz ‘33 ist ein passendes Beispiel. In unserem Fall handelt es sich aber um einen Staats-Schleich. Merkel und mit ihr das Parteienkartell robben sich seit spätestens 2005 zur totalitären Herrschaft vor. Stoßen sie dabei auf Widerstand, ziehen sie sich zurück, um an anderer Stelle Boden zu gewinnen. Sie tarnen, täuschen und tricksen sich per Saldo ihrem Ziel immer näher. Gegen die charakterliche Verkommenheit ganzer Generationen eines Volkes ist Widerstand aussichtslos. Was nicht heißt, daß wir ihn um seiner und unserer selbst Willen nicht leisten müßten. Wir sind es dem kleineren, besseren Teil Deutschlands schuldig, der es verdient hat, vor der Geschichte und im Bewußtsein der Völker bewahrt zu werden.

Karla Kuhn / 06.05.2020

STAATSSTREICH, ist doch nichts Neues. WAS war es denn 2015 ?? Oder das Thüringenwahldesaster ??  „Um die Bundestagswahl auch bei neuen Corona-Wellen im Herbst nächsten Jahres durchführen zu können, bereitet die Koalition eine Novelle des Wahlrechtes vor. Das berichtet die „Rheinische Post“ unter Berufung auf Innen- und Rechtsexperten von Union und SPD.“  Dem kann man entgehen, indem sich ALLE AfD WÄHLER VORHER absprechen, ob sie die AfD wählen und das in einer Liste auflisten, damit am Ende auch beim AUSZÄHLEN, GENAU diese Stimmen auch ausgezählt werden. FALLS die gezählten Stimmen nicht mit den tatsächlich gewählten übereinstimmen würden, wäre es klar, etwas stimmt nicht ! Schließlich soll es ja schon in (BREMEN?? und Hessen??) Unstimmigkeiten gegeben haben. Ich weiß, das ist eine sehr zeitaufwendige Arbeit aber viele der “schützenswerten Bevölkerungsgruppe”  würden sich sicher für dieses Mammutprojekt zur Verfügung stellen.. Mir kommt eben ein gruseliger GEDANKE !  KANN es sein, daß die Corona darum schon JETZT derart hochgejubelt wird, um für die BUNDESTAGSWAHL 21 eine Ausrede zu haben ?? Ich habe vor ein paar Tagen gelesen, daß im OSTEN Deutschlands in SECHS Jahre die AfD mit MEHRZAHL an der Macht sein könnte (KÖNNTE!)  Ein Schelm, der wirklich BÖSES dabei denkt ! Aber als GELERNTER OSSI, der die ÜBELSTEN TRICKS und LÜGEN erfahren mußte, glaube ich der Politkaste nur noch NULL !  Allerdings, wenn ich mir Merkel mit ihrem verquollenem Gesicht so anschaue frage ich mich, ob sie krank ist. Und viele machen auf mich den Eindruck einer vorzeitigen Alterung, die Haut, das Gewicht, oft einen bitteren Gesichtsausdruck. Gestern habe ich zufällig Spahn gesehen in einem Labor ? Er hatte einen viel zu engen Anzug an, der hinten Falten gezogen hat,  Vielleicht war es sein Konfirmationsanzug ? Jedenfalls muß der etliche Nummern zu klein sein. Elegant ist was anderes. Es gibt ja auch für übergewichtige Menschen schöne Kleidung. Trump z. B sieht immer tadellos aus !

Renate Bahl / 06.05.2020

Zuzutrauen ist es dieser Drec..bande in Berlin auf jeden Fall, wahrscheinlich liegt es schon fertig in den Schubladen. FDJ-Merkel hat es von der Pike auf gelernt. Das macht mir große Angst. Wann wacht denn bloß der Schlafmichel auf?! Leider sind die MSM zum verlängerten Arm der Altparteien verkommen, Schande über diese Volksverräter.

Ulli Drübbisch / 06.05.2020

Ist es Zeit nun langsam Alarm zu schlagen und aufzustehen? Hier wird ja praktisch von 2015 an fast im Monatstakt “eine neue Sau durchs Dorf getrieben”. Ich denke immer öfter an die Groko der DDR, die auch mit Gesamtbeschlüssen aller Parteien ein Staat “aufgebaut” hat. Da kann ich nur hoffen, dass der Zusammenbruch des Euro als Finanzgrundlage dieser Parteienautogratie möglichst bald kommt.

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