Mit Bach gegen den woken Zeitgeist

Keine Künstliche Intelligenz der Welt wird jemals in der Lage sein, Musik wie Bachs Sopranarie „Aus Liebe will mein Heiland sterben“ zu komponieren. Ein Hinweis für jene, die die Welt in ihrem Sinne transformieren wollen.

Bachs Musik hat mich schon immer fasziniert. Mit den Arien-Texten seiner Barockdichter tat ich mir jedoch lange Zeit schwer. Sie wirkten allzu schwülstig und mitunter sogar unfreiwillig komisch auf mich. Das hat sich im Lauf der Jahre geändert: Die kraftvolle Sprache des 18. Jahrhunderts, die ganz und gar nicht woke ist, hält manche hochaktuelle Wahrheit bereit. Johann Sebastian Bach ist schuld daran, dass ich Musikerin geworden bin. Und ich habe es nicht bereut. Im Plattenschrank meiner Eltern befand sich eine Aufnahme der Brandenburgischen Konzerte Bachs, die mich schon als Kind faszinierten und verblüfften. Dieses Staunen hat bis heute angehalten: Wenn ein Mensch solche Musik komponieren kann, kann die Welt nicht ganz verkehrt sein.

Wie in (fast) jedem Jahr spiele ich derzeit Bachs Matthäuspassion im Orchester mit. Sie ist ein „langes Lied“ (Kollegen-O-Ton), doch keine Sekunde langweilig. Und es ist eine geradezu subversive Tat. Denn die Chöre, die in allen größeren und sogar auch etlichen kleineren deutschen Städten die Bach-Passionen proben und gemeinsam mit einem Orchester aufführen, erhalten in der Regel keinerlei staatliche Fördergelder, sondern organisieren und finanzieren ihre Konzerte in Eigenregie. Diese lebendige Tradition ist auch einigermaßen Zeitgeist-resistent.

Gottes Wahrheit ist größer

In diesem Jahr hat mich neben Bachs Musik und dem von Luther wortgewaltig übersetzten Bibeltext besonders ein Arientext des Leipziger Dichters Christian Friedrich Henrici (Pseudonym: Picander) gepackt. Es ist die Szene, in der die „Hohenpriester“ etwas suchen, was sie Jesus anhängen können, damit er beseitigt werden kann und sie in ihrer Selbstgefälligkeit und ihrem Machtanspruch nicht länger stört.

Im Original heißt es: „Die Hohenpriester aber und Ältesten und der ganze Rat suchten falsche Zeugnis wider Jesum, auf daß sie ihn töteten, und funden keines.“ Schließlich treten doch noch „zween falsche Zeugen“ vor und verleumden Jesus. In diesem Moment wird wie ein Kommentar die „Geduld“-Arie eingeschoben: „Geduld, wenn mich falsche Zungen stechen. Leid ich wider meine Schuld Schimpf und Spott, ei, so mag der liebe Gott meines Herzens Unschuld rächen.“

Nun mutet es zwar geradezu kindlich an, wenn vom „lieben Gott“ die Rede ist und davon, dass er des „Herzens Unschuld rächen“ soll. Und zugegeben: Für Jesus geht die Sache auch ziemlich tödlich aus, denn die Meute (der Chor) befindet: „Er ist des Todes schuldig!“ Dennoch spricht aus diesen Zeilen und natürlich aus Bachs Musik eine unerschütterliche Zuversicht und ein tiefes Vertrauen darin, dass die „falschen Zungen“ so viel „stechen“ können, wie sie wollen: Gottes Wahrheit ist größer. Dabei ist unerheblich, ob und wie man sich selbst konfessionell verortet.

Bachs Musik drückt eine Stärke aus, die befreit

Aus dem Wissen darum, dass menschliche Macht begrenzt ist, erwächst eine Kraft, die unabhängig macht vom Urteil anderer. Zuvor schon hatte sich Jesus dem „Hohenpriester“ verweigert, indem er auf die gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen schlichtweg schwieg. (Hoherpriester: „Antwortest du nichts zu dem, was diese wider dich zeugen?“ Evangelist: „Aber Jesus schwieg stille.“) Mit diesem Schweigen entzieht sich Jesus letztlich den irdischen Gesetzen. Denn er weiß, dass er „zur Rechten der Kraft“ sitzen wird.   

Diese geistige Kraft ist es, die Menschen dazu befähigt, ihrem Gewissen treu zu bleiben, auch wenn sie dafür Unannehmlichkeiten, Anfeindungen oder im Extremfall sogar den eigenen Tod in Kauf nehmen müssen. Bachs Musik drückt eine Stärke aus, die befreit. Denn Menschen, die den Tod nicht fürchten, sind nicht so leicht beherrschbar. Sie sind individuelle Persönlichkeiten statt Teil eines Kollektivs.

So wird auch keine Künstliche Intelligenz der Welt jemals in der Lage sein, Musik wie Bachs Sopranarie „Aus Liebe will mein Heiland sterben“ zu komponieren. Dafür fehlt es ihr an echter Kreativität, am göttlichen Funken. Und all diejenigen, die die Welt in ihrem Sinne „transformieren“ wollen – sei es durch die Agenda 2030 der UN, den Green Deal der EU oder den Pandemievertrag der WHO – vergessen etwas Entscheidendes: Sie sind nicht Gott.

 

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

Foto: Montage Achgut.com/ nemraccvia Wikimedia Commons

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Dr. Bernd Ernst / 29.03.2024

Man versucht sich jetzt auch woke an Bach.Gestern auf BR2 oder DLF: der Text in der M.-Passion müsse geändert werden ,da die Aussage “mein Blut komme über euch und eure Kinder” der Ursprung des Antisemitismus sei.

Steffen Lindner / 29.03.2024

Danke, Frau Binnig, für diese Hommage an den wohl größten Komponisten aller Zeiten und sein- aus meiner Sicht- bedeutendstes. Werk. Die Matthäuspassion mit ihren Arien und grandiosen Chören bringt auch Atheisten die Geschichte Jesu auf dramatische Weise nahe- so hatte ich es zumindest als Jugendlicher empfunden,als eine Mitschülerin mich damals zu einer Aufführung einlud, die im Laufe der Zeit nicht die letzte sein sollte. Übrigens wurde die Matthäuspassion zu meiner Schulzeit(70er) im Musikunterricht behandelt. Heute auch noch, oder gibt es dafür wokes afrikanisches Buschtrommeln; wegen der „ Gleichwertigkeit der Kulturen „…?

jochem bruder / 29.03.2024

wow.das geht rein.danke,liebe frau binnig für diese süssen worte heute am karfreitag.ach,wie gut.

Kristin Obertreis / 29.03.2024

Die Artikel von Martina Binnig lese ich meistens sehr gern. Heute möchte ich mich für diesen Beitrag herzlich bedanken.

gerhard giesemann / 29.03.2024

Nein. ER hast gesagt: Herr, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen - weil denn doch zu pervers. Das Opfern von Männern für irgend einen höheren Zweck - definiert von anderen Männern*, die opfern, aktiv, aber nicht selbst geopfert werden, passiv - hat eine uralte jüdisch-, später christliche Tradition. Man denke nur an Noah, der diesem JAHWE seinen Sohn opfern sollte, gegen seinen Willen, eigenhändig, aber eben als Beweis für seinen Gehorsam. An Ostern gerade jetzt feiern wir das mit Inbrunst: Sogar der HERR selbst opfert s/einen “eingeborenen Sohn”, toll, was? Geboren von der Leihmutter Maria, als wahlweise “Christotókos” oder “Theotókos”, also als Christusgebärerin oder als Gottesgebärerin, wie’s beliebt. Und der Heilige Geist, der alte Jungfernstesser, grinst sich eins. Sagt aber nix. Die *Herrscher der eher weltlichen Natur haben hier ein ideales Vorbild ... .  Und die Osterlämmchen, die alsbald verspeist werden, sind nur männliche Tiere, “Agnus Dei” eben. Eine Agnes, eine Agna ist da nicht dabei. Die soll dem verständigen guten Hirten schließlich Milch liefern und Jungtiere werfen, oder? Die Männchen sind für den Herrn Zebaoth - bis auf ein paar Ausnahmen zu Zuchtzwecken. Deren Fell gibt es später obendrein und ohnehin, wenn seine Mission erfüllet ist, gelle? Nebst Hammelkeule. So ist alles aufs Feinste gerichtet, so manche Damen hier und dort können sich gut und gefahrlos als Rache- und Würgengel für diesen Herrn aufführen. Und jederzeit Nachschub gebären, kost’ ja nix. Halleluja und Amen. Sinnspruch: Hüte dich vor alten Männern, denn SIE haben nichts zu verlieren. (GBS, irisches Lästermaul). Und: Die Liebe ist eine Himmelsmacht, drum hüte dich davor - auch davor (irgendwo bei dem armen BB zu finden). Und bei der BW singen sie doch tatsächlich: Wir beten an die Macht der Liebe - ICH bin dabei immer in Ohnmacht gefallen, diritissime auffa Schnauze. Sani! Blutige Nase da. Usw.

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