Marvin Wank / 18.08.2019 / 16:30 / Foto: Apollo-news / 33 / Seite ausdrucken

Mangelndes Vertrauen in mich und meine Chemnitzer Mitbürger

Der Mitteldeutsche Rundfunk hat über die Massenproteste in Chemnitz 2018 den Dokumentarfilm „Chemnitz – Ein Jahr danach“ gedreht. Anlässlich der Preview dieses Filmes sollte ein Podiumsdiskussion stattfinden. Neben Politikern wie der Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) und einer Vertreterin der Grünen Jugend sollte auch der Rechtsaußen Arthur Österle geladen werden – AfD-Mitglied und regelmäßiger Chefordner auf Demonstrationen von „Pro Chemnitz“ und „Der III. Weg“. 

Daraufhin gab es Wellen des Protests gegen diese Einladung. Wie könne man nur einen bekennenden Rechtsextremen zu einer Podiumsdiskussion eines öffentlich rechtlichen Senders einladen? Man solle Neonazis doch kein offizielles Podium geben! Barbara Ludwig sprach vom „Überschreiten einer roten Linie“ und sagte ihre Teilnahme umgehend ab. Doch der MDR tat etwas, womit die wenigsten, ich auch nicht, gerechnet hatten: Er verteidigte die Einladung Österles.

Der Sender entgegnete dem Podiumsvorwurf, dass Österles Gesinnung eben einen nicht insignifikanten Teil der politischen Landschaft in Chemnitz widerspiegeln würde. Und damit hat der MDR völlig recht. Rechtsextreme haben in Chemnitz längst ein Podium, eine Einladung zur Debatte hätte den anderen Beteiligten vielmehr die Möglichkeit zur Demaskierung gegeben. Gerade Lokalpolitiker hätten sich doch über die Chance freuen müssen, mithilfe von Österle der Chemnitzer AfD den letzten Rest der bürgerlichen Fassade abzureißen. Denn obwohl sich diese mittlerweile von „Pro Chemnitz“ distanziert, hat sie es nicht geschafft Österle die Parteimitgliedschaft zu entziehen.

Warum also bleiben Ludwig und Co. der Diskussion wirklich fern? Eigentlich kann es dafür nur zwei Gründe geben: Angst und Ignoranz. Entweder weiß eine Oberbürgermeisterin nicht, dass es in ihrer Stadt Neonazis gibt. Das halte ich für unwahrscheinlich, zumal der Rest der Republik Chemnitz schon längst als Nazihauptstadt verinnerlicht hat. Die zweite Möglichkeit ist, dass Frau Ludwig tatsächlich Angst hat, eine Debatte gegen einen Rechtsradikalen zu verlieren, dass sie sich davor fürchtet, dass die Chemnitzer Öffentlichkeit einen gestandenen Neonazis überzeugender finden könnte als ihre eigene Bürgermeisterin.

Und wenn es wirklich die Angst ist, dann kann das nur mangelndes Vertrauen in mich und meine Chemnitzer Mitbürger bedeuten. Unglaube, dass wir Chemnitzer rechtsradikale Idelogien tief in unserem Herzen ablehnen. Die Annahme, dass wir uns nach einem Führerstaat mehr sehnen würden als nach einer freiheitlichen Demokratie, ist beschämend. Vielleicht hat sie aber auch Angst davor, dass die Öffentlichkeit Österles Ansichten tatsächlich entschieden ablehnt. Angst vor der Erkenntnis, dass viele Chemnitzer so unzufrieden mit ihr und den anderen Parteien sind, dass sie AfD wählen, obwohl sie keine verkappten Nazis oder Rechtsradikale sind.

Was auch immer Ihr Grund sein mag, Frau Ludwig, ich bin enttäuscht. Eine Debatte gegen einen Neonazi zu gewinnen, will ich von meinem Bürgermeister erwarten dürfen.

Marvin Wank (19) lebt in Chemnitz und schrieb diesen Beitrag zuerst für den Jugend- und Schülerblog Apollo-news

Foto: Apollo-news

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Leserpost

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Rudolf George / 18.08.2019

Und schon seit Jahren läuft es so: die vermeintlich edel Gesinnten treiben den Rechten das Publikum zu, indem sie sich wie mittelalterliche Fürsten gebärden, die mit den Gemeinen nichts zu tun haben wollen.

Claudius Pappe / 18.08.2019

Ich habe mehr Angst vor CDUCSUSPDFDPGRÜNELINKE als vor der AfD. Der Autor sollte einen Merkel Fanclub gründen. Mit 19 Jahren sieht man leider die linke Gefahr nicht. Wir sprechen uns in 40 Jahren wieder.

Sepp Kneip / 18.08.2019

Es gibt so viele “Warum?” in diesem Artilel. Nur die eigentliche Frage, warum gibt so viele Rechtsextreme in Chemnitz, wurde nicht gestellt. Liegt es daran, dass die SPD eine Opposition in dieser Stadt einfach ignorierte und diese sich durch radikalere Einlasssungen und Forderungen Gehör verchaffen musste? Die politische Entwicklung in einer solchen Stadt kommt nicht von Ungefähr. Deshalb Hut ab vor dem MDR, der eine Gelegenheit zum Diskurs eröffnern wollte. Als hätte die SPD nicht genug Sorgen, verpasst sie hier eine Chance, sich zu profilieren. Oder hat sie in der Tat Angst, die Bürger könnten erfahren, wer die Schuld am eigenen Niedergang und das Erstarken der Rrechten trägt?

Christoph Kaiser / 18.08.2019

Frau Ludwig wird eben für gar keine Inhalte stehen, sondern nur für sich selbst und Ihr “Pöstchen”.... und das soll doch bitte weiterhin im Verborgenen bleiben.

Andreas Rochow / 18.08.2019

Die Genossin Ludwig hat schon längst kapituliert. Das heißt, sie hält einen Austausch der Argumente auf Augenhöhe für “gefährlich”. Sie ist in der ideologischen Hetzfalle ihrer Partei gefangen und vertraut den Freiheitsgraden der freiheitlich-rechtlichen Grundordnung nicht mehr, wenn sie auch vom politischen Gegner in Anspruch genommen werden können. Die Landeswahlkommission macht vor, wie man den Gegner effektiv ausschalten kann. Der nächste Bürgerkrieg wird von Sachsen ausgehen und zwar nicht von Rechtsradikalen, sondern von betrogenen Wählern, denen die Demokratie am Herzen liegt.

HaJo Wolf / 18.08.2019

Längst nicht alle Chemnitzer AfD-Mitglieder sind Nazis, weder alte Nazis (dafür sind sie zu jung) noch Neonazis. Nicht alles, was rechts der CDU ist, ist Nazi. Das sollte man mit 19 Jahren schon erkennen und vor allem keine Pauschalverurteilungen treffen. Was die SPD-Bürgermeisterin betrifft, so ist das doch übliches Vorgehen, wenn AfD-Politiker geladen sind. Man verweigert die Anerkennung einer demokratischen, zugelassenen Partei und ihrer Vertreter, man verweigert die Diskussion, weil man eine solche nicht mit Sachargumenten zu führen in der Lage ist - wobei die Sachargumente der SPD oder CDU eher auf der Verliererseite liegen. Wieder ein Beleb dafür, dass diese Demokratie am Ende ist.

Udo Kemmerling / 18.08.2019

Das Problem ist nicht, dass der Durchschnitts-Chemnitzer dem Führerstaat anheim gefallen ist, sondern dass hinter dem dünnen Lack der Haltung bei Spezialdemokraten einfach nichts mehr kommt. Die Niederlage der SPDetin wäre so sicher wie das Amen in der Kirche, selbst gegen Extremisten. Für wen ist denn real existierende Sozialdemokratie von Vorteil, also, wenn es denn noch Sozialdemokratie wäre???

B. Ollo / 18.08.2019

“Eigentlich kann es dafür nur zwei Gründe geben: Angst und Ignoranz. “ Da liegen Sie völlig falsch. Das hat mit dem Demokratieverständnis von Berufspolitikern zu tun. Die halten sich heute nicht völlig ohne Grund für in ihre Position beförderte Quasi-Beamte oder Feudalherren/frauen. Für die eigene berufspolitische Karriere spielen weder die eigenen Wähler, die Nicht-Wähler noch das politische Handwerk, der Streit, die Diskussion, das Überzeugen eine Rolle. Man ist Politiker von Gottes und Partei Gnaden und kein Wähler kann einen da weg wählen. Man muss gar nicht andere überzeugen, schon gar nicht die Wähler. Man kann es auch gar nicht. Erstens entscheidet man sowieso über diese hinweg, zweitens kann man den Wählern immer wieder jeden Scheiß erzählen, und drittens reicht die politische Einheitsfront der Parteien immer noch aus, das ansonsten arbeitslose und nutzlose Personal derzeit in Lohn und Brot zu halten. Bestes Beispiel: Hat Angela Merkel jemals in einer Diskussion irgendwen überzeugt? Genau. Die kann nicht einmal einen Satz mit korrekter Grammatik formulieren. Solche Leute können andere nur mit verschwurbelten Worthülsen und Pseudosätzen ins Koma labern.

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