Das öffentlich-rechtliche Fernsehen stellt, auch mit Hilfe prominenter Moderatoren, beim Thema Klima seit einigen Jahren die moralische Dringlichkeit unseres Handelns in den Fokus. Magazine wie der SPIEGEL oder Zeitungen wie die SZ überbieten sich ebenfalls täglich mit ihrer Klimaberichterstattung, die jedes negative Ereignis auf der Welt nur noch kausal auf eine einzige Ursache, den Klimawandel, zurückführt. Die permanente mediale Angstproduktion, die psychologisch an der Lust vor der drohenden Katastrophe andockt, lässt sich inzwischen an vielen Kleinigkeiten ablesen.
Der Begriff „Klimaerhitzung“ hat ja auch den harmloseren der Klimaerwärmung längst abgelöst. Jeder Leser muss begreifen: Hier ist Handeln angesagt, wenn wir nicht morgen alle sterben wollen. Wer könnte hier ernsthaft gegen staatlicherseits notwendige Maßnahmen und Einschränkungen des täglichen Lebens sein? Nur ein absolut dummer oder unmoralischer Mensch, sprich: der vielzitierte Klimaleugner, ein naher und ebenso hässlicher Verwandter des Ungeimpften.
Im SPIEGEL, Zentralorgan des linksgrünen Milieus und Sprachrohr der Klimabewegten, macht sich folglich ein Autor Ende August Gedanken über die kommenden Sommerferien, die ihn nur noch an den Untergang der Welt erinnern. Da kommt keine Freude mehr auf. Auch der zukünftige Wetterbericht wird sich von alten Begriffen frei machen müssen:
Der Klimawandel macht mir langsam Angst vor dem Wort »Sommerferien«. Die sechs Wochen zwischen Juli und August gehörten früher zu den schönsten des Jahres. Nun stellt sich mit jeder Wettervorhersage das beklemmende Gefühl ein, der Welt beim Untergehen zuzusehen. Noch verwenden Meteorologen den Begriff »heiter«, wenn sie ausdrücken wollen, dass das Wetter vor allem durch Sonnenschein bestimmt wird. Bald werden sie sich nach einem neuen Adjektiv umschauen müssen. (SPIEGEL 20.8.2022)
Fast 40 Prozent der Jugendlichen verspüren große Angst
Mit seiner Angst ist der zitierte Redakteur nicht alleine. Eine SINUS-Studie im Auftrag der Barmer im November 2021 zeigt, dass besonders jüngere Menschen unter dem Klimawandel leiden. Sie haben mehrheitlich Angst vor der „planetaren Erhitzung“. Fast 40 Prozent der deutschen Jugendlichen verspüren große Angst vor dem Klimawandel, etwa 30 Prozent haben mittelgroße Angst und nur 14 Prozent haben gar keine Angst, gehören also zu den Uneinsichtigen. Letztere haben offensichtlich die Warnung von Hans Joachim Schellnhuber, Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), nicht gehört: Ich sage Ihnen, dass wir unsere Kinder in einen globalen Schulbus hineinschieben, der mit 98% Wahrscheinlichkeit tödlich verunglückt.
Ein Teil der überwiegend auch dem linksgrünen Milieu zugeneigten Psychologen in Deutschland hat für die verbreitete Untergangsstimmung bereits einen Begriff gefunden: Klima-Angst, englisch Climate- oder Eco-Anxiety. Diese führt dazu, dass sich vor allem junge Menschen in ihrer Funktions- und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sehen. Die Sorge um das Klima macht auf Dauer antriebs- und mutlos, dabei überwiegen bei den Klimabesorgten tendenziell Mädchen und junge Frauen, wie auch ein Blick auf die Repräsentantinnen von Fridays for Future zeigt. 2020 schrieb die taz, nachdem gerade „Klimahysterie“ zum Unwort des Jahres ernannt wurde, dass dieser Begriff „die rechte Verzweiflung über die vorwiegend weibliche Klimabewegung“ zum Ausdruck bringt. Rechte und Männer, fast deckungsgleich, müssen folglich nachsozialisiert werden. Für entsprechende Bewusstseinsbildung bemüht sich etwa die weltweit agierende Organisation Men Engage Alliance. Der Gender-Gap im klimafreundlichen Verhalten wird dabei mit patriarchalen Männerbildern erklärt:
Da wo Buben und Männer lernen, sie dürfen keine Gefühle zeigen und keine Angst haben, und Mädchen und Frauen beigebracht wird, passiv zu sein und Sorgearbeit zu übernehmen, da kann es auch zu Geschlechterunterschieden kommen, wie Klimawandel wahrgenommen und wie mit ihm umgegangen wird.
Aber, es gibt Hoffnung. Eine aktuelle Studie der Partnervermittlung Parship kommt zum Ergebnis, dass immerhin jeder zweite heterosexuelle Mann seine Ernährungsgewohnheiten der Partnerin zuliebe ändern würde. Bio-Lebensmittel, gesunde Ernährung, vegane Nahrung, regionale Produkte. Fast 30 Prozent der Männer würden zugunsten ihrer Liebsten sogar – zumindest als Absichtserklärung – auf Fleisch verzichten. Liebe kann also die Welt retten.
„Im März habe ich mich sterilisieren lassen“
Die Klimaangst breitet sich flächendeckend besonders in Deutschland aus und ruft professionelle Bearbeiter auf den Plan. So warnt die Bewegung Psychologists for Future davor, Klimaangst einseitig als „Störung“ zu beschreiben. Denn eigentlich ist sie eine normale und gesunde Reaktion auf die globale Katastrophe, mit der wir alle konfrontiert sind. Letztere, so die klimabewegten Psychologen, ist zu bekämpfen und nicht die Angst davor. Dabei nimmt der Kampf gegen die „Klimaleugner“ in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft immer radikalere und in der Zukunft – hier muss man kein Prophet sein – wohl auch mehr und mehr gewalttätige Formen an.
Am bizarrsten äußert sich die Klimaangst derzeit in der Auffassung, Kinder zu bekommen, wäre der größtmögliche Egoismus angesichts des kommenden Armageddon. Nachfolgend sollen hier nur zwei typische Vertreter der jungen Generation zu Wort kommen, wobei gleich dazu gesagt werden muss, dass dieselbe Umfrage, im österreichischen STANDARD vom Juli 2021, in der jüngeren Generation von Migrantenfamilien, wahrscheinlich zu einem etwas anderen Ergebnis kommen würde:
Im März habe ich mich sterilisieren lassen. So wie sich unsere Welt entwickelt, möchte ich kein Kind in sie setzen. Die Erderwärmung führt zu extremen Wetterbedingungen. Die vielen Menschen auf der Erde treiben den Klimawandel voran. Es wäre egoistisch, ein Kind zu bekommen, das die Auswirkungen noch stärker spüren wird. (…). Mein größter Beitrag zum Klimaschutz ist es daher, auf Kinder zu verzichten. (Lena, 28 Jahre)
Acht Jahre lang war ich mit meiner Freundin zusammen und wollte Vater werden. Als ich darüber nachgedacht habe, in welcher Lage sich die Erde befindet, hat sich meine Meinung geändert. Es gibt Szenarien, die gruseln mich. (…) Das will ich meinen Kindern nicht antun. (...) Ich versuche, nicht mehr zu fliegen, habe mein Auto weggegeben, fahre nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder gehe zu Fuß. Ich esse kaum Fleisch und möchte in Zukunft vegan leben. Außerdem engagiere ich mich in der Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion. (Florian, 29 Jahre)
Ein Kind als größtmögliche CO2-Schleuder
Das Reproduktionsverhalten wird hier direkt an den Klimawandel gekoppelt, der ein Kind als größtmögliche CO2-Schleuder outet. Besondere Zeiten erfordern eben besondere Maßnahmen und können das eigene Leben, als Teil einer globalen Heilsbewegung, transzendieren. Angesichts des Faszinosums des verordneten Ausnahmezustandes wird aber auch alles andere banal und profan. Allgemein: Wenn die Katastrophe kommt, und sie wird, so die Klimaapologeten, unweigerlich kommen, dann macht vieles, etwa Kinder zu bekommen, einfach keinen Sinn mehr, ja wird in gewisser Weise zum unmoralischen Akt.
Der propagierte Ausnahmezustand entlastet darüber hinaus von den täglichen Mühen. Insofern ist es nur konsequent, wenn die jugendlichen Angstmacher von Fridays for Future die Schule schwänzen. Wofür für Nachwuchs sorgen, wofür noch lernen, wenn morgen sowieso alles den Bach runtergeht, wofür sich anstrengen? Das hat alles in dieser Sichtweise keinen Sinn mehr, sondern ist – aus der Perspektive des Klimabewegten – eine durchaus rationale Entscheidung.
Die heute herrschende Angst kennt dabei kein akzeptables Risiko mehr. Je sicherer unsere Welt wird, desto größer wird die Angst vor einem Restrisiko. Die Katastrophenrhetorik feiert so ständig neue Superlative, es geht um nichts weniger als den Weiterbestand der Welt und der Gattung Mensch. Negative Prophezeiungen für eine weit entfernte Zukunft (das Klima im Jahr 2100) kann man empirisch nicht widerlegen. Es sind reine Glaubenssätze. Die Mahner und Menschenfeinde – der Typus Lauterbach – befinden sich dabei stets auf der sicheren Seite. Tritt der vorhergesagte Schrecken nicht ein, kann man immer noch darauf verweisen, ohne die warnenden Stimmen wäre alles viel schlimmer gekommen. Widerlegt werden kann das nicht.
Nun ist die „German Angst“ ja sprichwörtlich geworden. Deutschland ist nicht nur der Vorreiter einer Angst vor der Apokalypse, sondern zugleich in seiner Hybris unübertreffbar: Atomkraft, Waldsterben, Gentechnik, Technik allgemein, Klima etc. Stets ist die Angst riesengroß, aber auch der eherne Glaube, besser die Hybris, selbst so etwas wie das Klima nach eigenen Vorgaben (1,5 Grad!) verändern zu können.
Der Klimanotstand legitimiert die Abschaffung demokratischer Prozesse
Die Angst vor dem Weltuntergang stellt das profane Leben, ein wichtiger Distinktionsgewinn, in einen größeren Bedeutungszusammenhang. Dabei hat Angst immer „recht“, sie kann niemals „widerlegt“ werden, jedes rationale Argument, jede Statistik, prallt an ihr ab. Zudem kann beim Klima ohne große Anstrengung die Position des moralisch Guten eingenommen werden, etwas, das wir auch bei Corona täglich miterleben konnten. Der viel zitierte Klimanotstand setzt unser normales Leben außer Kraft und legitimiert die Abschaffung demokratischer Prozesse. Denn die Probleme, so die allgemeine Auffassung, sind zu groß, als dass sie noch von einzelnen Staaten gelöst werden können.
Hier tritt die globale Ideologie des Great Reset auf den Plan. Das Klimathema ist insofern unüberbietbar, da es keine Unschuldigen mehr kennt. Alle sind betroffen, sprich: schuldig, es gibt keine Grenze der Verantwortung mehr. Man könnte von einer säkularisierten Erbsünde sprechen, die durch die bloße Anwesenheit des Menschen in der Welt existiert. Nur Buße und Verzicht, siehe die derzeitigen Aufrufe der Politik zum Energiesparen, kann die Welt noch retten. Der Klimawandel ist der neue Ausnahmezustand, der alle möglichen Formen dirigistischer (Verbots-)Politik legitimiert. Der Ukrainekrieg erlaubt hier nur ein Überbieten von Erziehungsratschlägen und Verzichtsaufrufen, die bereits vor seinem Ausbruch Einzug in Medien und Politik gefunden haben. Der Waschlappen des grünen Landesvaters Kretzschmann ist hier nur ein besonders absurdes Beispiel.
Die Angst vor dem Klimawandel kann und wird meines Erachtens die Einbruchstelle für weitreichende Veränderungen unserer Gesellschaft und unseres täglichen Lebens sein. Es wird die Neigung weiterbestehen, den Ausnahmezustand, bei Corona bereits erfolgreich erprobt, als ein staatliches Steuerungsinstrument einzusetzen. Dafür muss nur, mit tatkräftiger Hilfe der Massenmedien, eine Krise historischen Ausmaßes angerufen werden, die auf psychische Resonanz – besonders bei jüngeren Menschen – trifft. Wie zu Beginn angesprochen, haben wir es hier auch mit einem Generationenkonflikt zu tun. Es stehen sich beim Thema Klimawandel Zukunft und Vergangenheit unversöhnlich gegenüber. Die Alten (v.a. weiße Männer) müssen endlich abdanken, etwas, das jede radikale Jugendbewegung auszeichnet.
Anstrengungslosigkeit erzeugt nur radikale Undankbarkeit
Mit den Alten, ihrer Geschichte und ihren Werten will man nicht mehr in Verbindung gebracht werden. Die erste Generation, die in ihrem Leben keinerlei Entbehrungen oder Verzicht mehr leisten musste, hat mit dem Klimawandel ihr säkulares Heilsprojekt gefunden, auf das sie ihren Generationenkonflikt projiziert. Politik und Medien sind längst in ihr Fahrwasser geraten und überbieten sich förmlich in Huldigungen und vorauseilendem Gehorsam. Alles das, was in Europa von vergangenen Generationen mit Disziplin, Leistung, Entbehrungen und Arbeit geschaffen wurde, wird abgewertet, diskreditiert und verleugnet. Das ist die Folge einer kulturellen Entwicklung, die dazu führte, zu glauben, man könne auf alles und jedes Ansprüche erheben, ohne das Geringste dafür tun zu müssen. Anstrengungslosigkeit erzeugt aber nur radikale Undankbarkeit.
Entscheidend ist, dass die Welt der Erwachsenen mehr und mehr verschwindet. Die eigene Beschimpfung wird sogar, siehe Gretas Reden, masochistisch genossen und mit Applaus bedacht oder mit einem Sitz im Aufsichtsratsgremium von Siemens belohnt (auch wenn Luisa Neubauer ihn nicht angenommen hat). Verantwortungslosigkeit ist ein Zeichen der kindlichen Psyche, sie darf unbegrenzt fordern, traf bis dato aber immer auf ein Korrektiv von Erwachsenen. Die heutige infantile Gesellschaft hat sich in Deutschland längst von der Realität verabschiedet. Kinder an die Macht.
Es mag gegenwärtig eine Hoffnung sein, dass die von der Wirklichkeit vorgegebenen Probleme (etwa die Energieversorgung eines Industrielandes) die Klimaangst relativieren wird und ihre Propagandisten leiser werden. Kälte ist am Ende einfach bedrohlicher als Hitze. Dem steht aber entgegen, dass in einer säkularen Gesellschaft die unbefriedigte Sehnsucht weiter besteht, ein Opfer bringen zu dürfen. Es allein verspricht Selbsterhöhung und Selbstaufwertung. Dieser aus der Religionspsychologie bekannte Mechanismus ist in unseren westlichen Gesellschaften gerade dabei, die Grundlagen unseres Wohlstandes zu zerstören. Eine repräsentative Umfrage der ING Deutschland kommt im August 2022 abschließend zum Befund: Die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist einer Umfrage zufolge dafür, dem Umweltschutz auch zu Lasten des Wirtschaftswachstums Vorrang einzuräumen.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Beitrags wurde das rote Einfärben von Wetterkarten bei hohen Temperaturen als neue Entwicklung dargestellt und in den Kontext der Klimaangst gesetzt. Diese Beschreibung erwies sich jedoch nicht als zutreffend, daher haben wir sie entfernt. Wir bitten um Entschuldigung.