Von Maximilian Stein.
Maximilian Stein ist das Pseudonym eines Lesers, der uns vor einigen Tagen unter seinem richtigen Namen die folgenden Zeilen schrieb. Wir veröffentlichen diesen Text, weil er so authentisch darüber berichtet, was die 2G-Regeln konkret für Sport- und andere Vereine in der Provinz bedeutet, die dort eine immense Bedeutung haben.
Gestern war ein Wendepunkt in meiner persönlichen Sicht auf das Corona-Regime im Lande.
Bisher habe ich das Geschehen eher mit Kopfschütteln als mit Angst oder Wut beobachtet. Wissen Sie, ich wohne auf dem Land (Grüße an Cora Stephan – ich mag ihre Beiträge sehr – es stimmt alles. Und einen Notstromer habe ich jetzt auch), mit guten Nachbarn und weit weg von Lärm, Hektik und Haltung. Wofür Andere einen Kurzurlaub brauchen, brauche ich nur Freizeit – alles was man sonst zur Erholung benötigt, ist immer da, vor meiner Haustür. Von hier aus kann man schon fast amüsiert zusehen, wie die urbanen haltungs- und meinungsgestählten Eliten mit ernster Miene und verbissenem Eifer ihr Lebensumfeld zerstören. Leider auch das der Anderen, aber hey, ich kann die Welt nicht vor ihrer eigenen Dummheit retten – wenn sie es so wollen, sollen sie machen. Kneipe zu oder 2G? – Was soll‘s? Im Keller steht der Wein und das Bier, der Grill im Garten, der Kamin im Wohnzimmer, der Nachbar eine WhatsApp-Message weit weg – meistens braucht es die nicht einmal, der Nachbar kommt auch unaufgefordert zum Plausch herüber und er hat es noch nie geschafft, zur Unzeit in meinem Garten zu stehen, was sicher am Bier liegt, das er meist dabei hat. Is’ hier so. An Gemeinschaft mangelt es uns also auch nicht. Wir kommen soweit klar.
Kurz vor Weihnachten habe ich mich dabei ertappt, eine alte Technik aus DDR-Zeiten angewandt zu haben. Ich kenne unsere Tierärztin recht gut, aber nicht so gut, dass ich mir sicher wäre, wie sie zum Umgang der Leute mit Corona steht. Also musste ich zum Gesprächsauftakt herausfinden, wie ihre Position ist, ohne meine eigene zu schnell preiszugeben. Kein Problem – das ist eine Standard-Methode aus dem Werkzeugkasten eines jeden DDR-Bürgers. Sie funktioniert hervorragend, vor allem, wenn sie das Gegenüber auch beherrscht – ich hätte nur nie gedacht, dass ich sie nochmal brauche. Nach kurzem Gespräch verabschiedete sie mich mit den Worten (sinngemäß): „Das hat es nicht mal zu Honeckers Zeiten gegeben, dass man die Leute so gegeneinander aufhetzt. Es ist eine Schande!“
Das hat mich ziemlich nachdenklich gemacht. Sind wir schon wieder so weit? Ich habe mich dann wie immer mit einer lautlosen Schimpftirade wieder aufgebaut: „Ihr blöden Wessis*, ihr rennt mit wehenden Fahnen in eine Diktatur und wisst nicht einmal, wie man damit umgeht. Wir Ossis* können es noch, wir kommen einigermaßen klar.“
Per WhatsApp die Büchse der Pandora geöffnet
Seit gestern schaffe ich es auch mit der schönsten stillen Schimpftirade nicht, mich wieder aufzubauen. Mir fällt nicht mal eine ein.
Wir hatten im (Sport-)Vereinsvorstand darüber gesprochen, wie wir weitermachen mit der neuen Verordnung. Technisch kein Problem, 2G+: Nachweis, Listen, Vor-Ort-Test, usw. Man hat sich ja daran gewöhnt. Plötzlich wurde mir klar, was anders ist als bisher: Wir müssen Leute ausschließen! Vereinsmitglieder, die seit Jahren im Verein sind und uns unterstützen! „Warum soll denn ein getestetes ungeimpftes Mitglied bedrohlich sein und ein getestetes geimpftes nicht?“ „Es ist halt so vorgegeben. Wir können doch nichts dafür und jetzt machen wir das so. Eh‘ wir gar nichts anbieten… Und überhaupt – sollen sie sich doch impfen lassen!“ Damit war die Diskussion vorerst beendet.
Nicht bei uns zu Hause. Meine Frau sagte: „Ich mache da nicht mit! Überlege doch mal: Wenn wir nicht das ‚Glück‘ gehabt hätten, eine Infektion durchzumachen, wären wir jetzt auch raus! ‚Das ‚Glück!' Jetzt redet man schon vom ‚Glück‘, krank gewesen zu sein! Nein, ich beteilige mich daran nicht. Unter diesen Umständen gehe ich nicht zum Training, selbst wenn ich ,darf'! Jetzt bin ich mal solidarisch, und zwar mit denen, die ausgesperrt werden!“ „Und unsere große Wettkampfveranstaltung im Frühjahr?“ „Auch 2G. Ich mache da nicht mit!“ „Dann ist das Thema Geschichte. Ohne unsere Beteiligung wird das höchstwahrscheinlich nichts.“ „Dann ist es so! Ich stand 89 nicht auf der Straße, um mich jetzt an so etwas zu beteiligen!“
Starker Tobak. Irgendwie mussten wir den Vorstand behutsam auf das Problem hinweisen. Also eine abendliche WhatsApp in die Gruppe gestellt (sinngemäß): „Es könnte sein, dass für unsere Wettkampfveranstaltung im Frühjahr Helfer ausfallen, weil sie die 2G-Regel nicht erfüllen können. Uns fallen da X, Y und Z ein, die schon mal fehlen. Mit Helfern war es immer knapp, und die drei waren zuverlässig – es wird schwer, auf sie zu verzichten. Wer weiß, wen es noch betrifft...“
Die Büchse der Pandora war geöffnet.
Verein vor der Zerreißprobe
Zum Glück stand noch Hopfentee im Keller. Während meine Frau zu Bett ging, arbeitete mein Kopf. Die 2G-Regel ist schlicht und scheint einfach der nächste Schritt zu sein, aber sie ist viel mehr als das. Das wurde mir brutal klar. Wir, die Vereine, werden damit zu Werkzeugen der Durchsetzung eines verfassungswidrigen Zwangs gemacht. Wir werden missbraucht, um gesunde Menschen zu einer Impfung zu zwingen, die für den Fremdschutz, um den es angeblich geht, erwiesenermaßen untauglich ist. Das „+“ am 2G macht das allen klar. Und es macht noch mehr klar: nämlich, dass es gar nicht um Schutz geht, sondern um Druck. Getestete Ungeimpfte unterscheiden sich von getesteten Geimpften hinsichtlich der von ihnen ausgehenden Ansteckungsgefahr nicht das kleinste bisschen, müssen aber fernbleiben. Die Krone setzt dem ganzen die Regel auf, dass Dritt-Geimpfte sich nicht testen müssen. Im Angesicht der seit Wochen bekannten bestenfalls marginalen Wirksamkeit der Impfung gegen die neueste Corona-Mutante kann man nicht deutlicher zum Ausdruck bringen, dass der Schutz der Leute vor Ansteckung nicht das Ziel dieser Maßnahme ist. Frau Giffey nimmt ja diesbezüglich auch kein Blatt mehr vor den Mund.
Unser Verein aber steht vor einer Zerreißprobe, und es ist vollkommen unklar, ob und wenn, wie er sie überstehen wird. Auf der einen Seite die, die nicht verstehen, „warum man sich nicht einfach impfen lässt,“ und auf der anderen Seite die, die sagen: „Nein, so nicht mit uns, wir machen da nicht mit!“ Unversöhnlich – wie von Medien und Regierung gewollt und herbeigetrötet. So wenig, wie die einen es mit sich vereinbaren können, unter diesen Bedingungen gemeinnützige Sportveranstaltungen zu organisieren, so wenig wollen die anderen verstehen, warum sie auf die Ungeimpften Rücksicht nehmen sollen – sind doch selbst schuld. Wir müssen zusammenhalten. Und "Wir" heißt nicht, dass Du auch gemeint bist. – Das Lachen bleibt einem im Halse stecken.
Es scheint unterhalb der Wahrnehmungsschwelle vieler, vor allem der großen Sport-Verbände, zu liegen, welche Konflikte hier induziert werden und wie diese die Menschen in den Vereinen beschäftigen. 2G+ ist kein technisches Regelwerk zu Hygiene, wie es 3G war. 2G+ bedeutet Ausschluss von Mitgliedern ohne belastbaren Sachgrund. Die Durchsetzung wird den Vereinen aufgebürdet, die den betroffenen Mitgliedern die Tür weisen müssen. Nicht wenige Vereine drohen daran zu zerbrechen, da Mitglieder hinschmeißen werden. Sei es, weil sie ausgeschlossen werden, sei es, weil sie es nicht ertragen, Freunde und Bekannte so behandeln zu müssen. Gemeinnützige Vereine sind fragile Gebilde, trotzdem sind sie mit die wichtigsten Haltebolzen unserer Gesellschaft. In Vereinen leisten Menschen ehrenamtlich Millionen Arbeitsstunden, und sie tun das aus der Überzeugung heraus, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu müssen. In Vereinen finden Kinder und Erwachsene wichtige Ankerpunkte... Ach, egal. Sollen sie sich doch impfen lassen.
...oder absaufen.
Damit komme ich nicht klar.