Thilo Schneider / 03.05.2020 / 10:00 / Foto: Timo Raab / 23 / Seite ausdrucken

Ich weiß es nicht und ich will es auch nicht wissen

Ich habe weder studiert, noch habe ich überhaupt Abitur. Ich kann das zugeben, ich komme trotzdem ganz gut über die Runden. Vielmehr kam ich ganz gut über die Runden, mittlerweile allerdings etwas unter die Räder. Meine Unfähigkeit, mit langen Zahlenkolonnen, Stochastik, Statistik und einem Geo-Dreieck oder auch nur einem verdammten Zollstock umzugehen, macht mich derzeit zum definitiven Opfer und willigen Sklaven des Robert-Koch-Instituts, des „John Hopkins Center for Systems Science and Engineering“, der Sparkasse, der Presse, meines Hausarztes und meiner geschätzten Kollegen auf der „Achse des Guten“. Ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung, wovon die alle reden. Verstanden habe ich bisher Folgendes:

Wir haben Stand 23.04.2020 eine Infektionsrate von R<1, was bedeutet, dass ein Corona-Kranker 0,7 andere nicht Corona-Kranke ansteckt, was aber Blödsinn ist, weil es ja keine 0,7 Menschen gibt, es sei denn, man zählt Kinder und verschrumpelte alte Menschen nicht als volle Menschen mit dem Wert 1. Übersetzt bedeutet dies also, dass zehn Coronakranke sieben Nicht-Coronakranke anstecken, was ja Sinn macht, weil sie ja auch keine anderen Coronakranken anstecken können, weil die die Seuche ja schon haben. 

Das ist sehr erfreulich, denn das heißt, dass ich in einem Pulk von sieben Leuten laufen und dabei zehn Coronakranke treffen muss, um mich sicher zu infizieren. Oder so. In Spanien hat es heute 436 Virenschiffe pro 100.000 Einwohner, in Italien sind es 310 Unglückliche pro 100.000 Italiener, in unserem charmanten Land besteht eine Chance von 0,179%, auf einen Kranken zu treffen, wenn man 100.000 Leuten die Hand schüttelt. Außer natürlich, einer dieser 179 Typen kommt auf mich zu und schmatzt mir herzhaft auf die Backe oder auf die Wange, dann wiederum könnte er mich mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit anstecken, wenn er das mit den anderen neun Typen um mich herum ebenfalls macht und außerdem noch neun Kumpels dabei hat, die auch krank sind. Vorerst gehe ich also nicht mit zehn Leuten an Orte, wo noch andere zehn Leute sind, außer, ich wäre in Schweden, weil es da anders ist.

Mit 23 Einwohnern und drei Elchen

Allerdings kann ich im Moment sowieso nicht nach Schweden, sondern nur von draußen reingucken, ferner hocken die alten Schweden auch nur mit 23 Einwohnern und drei Elchen in lustigen bunten Holzhäuschen auf einem Quadratkilometer zusammen. Außer in Stockholm und Turku, aber Turku liegt ja auch schon in Finnland, da ist es dann egal. Natürlich bist du als Gast und Gastronom anders drauf, wenn der Lieferservice wenigstens eine Stunde Anfahrtszeit hat. Wir hier in Deutschland haben da ungefähr das Zehnfache zu bieten (außer bei den Elchen), wobei sich eine besonders signifikante Anzahl von Dorftrotteln ausgerechnet in der Hauptstadt zusammenballt.  

Deswegen meide ich Berlin mehr als ein BVB-Anhänger die Fankurve in der Allianz-Arena. Aber ich schweife ab, denn in Schweden gibt es nur 16.000 Infizierte, während es in Niedersachsen doppelt so viele Fälle gibt, allerdings sind in Niedersachsen erst 1.000 Leute gestorben, das sind in Schweden doppelt so viele, was bedeutet, dass, würden die Schweden geschlossen nach Niedersachsen gehen, es plötzlich 4.000 gestorbene Schweden gäbe, es sei denn, die nach Niedersachsen eingewanderten Schweden würden in der niedersächsischen Statistik jetzt als „neu hinzugekommene Niedersachsen“ gelten, womit die Schweden dann versehentlich die Anzahl der niedersächsischen Opfer verfünffacht hätten. Das würde ich mir anstelle des niedersächsischen Ministerpräsidenten verbitten, sonst heißt es bei der nächsten Kabinettsitzung bei Anne Will wieder „soundso“. Auf jeden Fall lässt sich aber aus den Zahlen schließen, dass die Schweden nun einmal keine Niedersachsen sind. Wozu immer das gut sein soll.

Auf Parship verliebt sich alle elf Minuten ein Single in einen Ehebrecher, in Spanien verdoppelt sich die Zahl der Infizierten alle 39 Tage. In der Türkei verdoppelt sich die Zahl der Infizierten nur alle 15 Tage, was ich anstelle Erdogans als Riesen-Erfolg meiner Politik feiern würde, da ich damit Zweitbester im Wunscheuropa wäre, straffe Führung zahlt sich aus! Lediglich Russland liegt da noch derzeit mit einer Verdoppelungsrate von sechs Tagen vor dem Multitalent vom Bosporus. Letztlich ist Corona ja keine Frage der Zahlen, sondern des politischen Verkaufs! Es kapiert ja sowieso niemand, was tatsächlich läuft. Deswegen ist Nordkorea im Rennen um die gesündeste Bevölkerung auch einsamer Spitzenreiter. Von dort werden keine Infizierten gemeldet. Allerdings hege ich den Verdacht, dass dort Infizierte als „Volksverräter“ vor ein Flakgeschütz geschnallt werden, das wäre zwar auch eine Möglichkeit, einer Pandemie zu begegnen, ist aber als weltweites Modell eher ungeeignet. So viele Flakgeschütze gibt es ja gar nicht.

Aber wir müssen nicht ins Ausland, um signifikante Unterschiede in den Zahlen festzustellen. Während die Gegend um die Weltmetropole Tirschenreuth derart verseucht ist, dass sich die Kranken in Prozent messen lassen (1.489 Fälle auf 100.000 Einwohner, wobei der komplette Landkreis nur 72.000 Einwohner hat), tut sich im Wahlkreis Uckermark der Kanzlerin der deutschen demokratischen Bundesrepublik: Nichts. 28 Infizierte und ein Todesfall. Dieses hervorragende Ergebnis ordentlicher Gesundheitspolitik der beliebten Lokalpolitikerin wird nur noch durch – Überraschung – Wilhelmshaven und Emden getoppt, die nur 17 beziehungsweise 15 Infizierte haben und überhaupt keine Toten verzeichnen. Was nicht heißt, dass es sie nicht gibt. Sie sind eben nur nicht verzeichnet.

Vielleicht lassen die Bürgermeister hier alle Infizierten über die Grenze in die Niederlande karren oder werfen sie halbtot in die Weser, damit die Statistik stimmt. Immerhin belegt Niedersachsen bei den Ertrunkenen den dritten Platz in Deutschland. Ich weiß es nicht und ich will es auch nicht wissen. In Wilhelmshaven kommen auf 100.000 nicht vorhandene Einwohner gerade einmal 23 Infizierte. Ich finde das erstaunlich für eine Stadt mit einem internationalen Tiefseehafen und dem größten Bundeswehrstandort, da sollte doch etwas mehr als in Tirschenreuth los sein. Allerdings dürften in Wilhelmshaven auch mehr Flakgeschütze stehen… 

Wie ich es auch drehe und wende: Für mich als Laien und Mathegenie bleibt nur die Feststellung, dass ich mich in Spanien oder Tirschenreuth schneller als in Nordkorea oder Emden anstecke. Allerdings darf ich derzeit als Bayer und Untertan von Markus dem Söder ohne „triftigen Grund“ nicht einmal den Landkreis verlassen. Und das bei der höchsten Dichte an derzeit geschlossenen Gaststätten und Biergärten pro 1.000 Einwohner: Vier. Auf die Zahlen für die meisten Gastronomiepleiten pro 100.000 Einwohner warten wir hier noch. 

 (Weitere statistische Beiträge pro 100.000 Leser des Autors unter www.politticker.de

Foto: Timo Raab

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G. Hoffmann / 03.05.2020

Es wird ja allerorten so getan, als wäre Corona tödlicher als alles zuvor dagewesene, sogar viel gefährlicher als das Grusel-Giftgas CO2. Über die Genesenen wird nur am äußersten Rand, wenn überhaupt, berichtet. Jedes Fitzelchen von Begleiterscheinung wird zu einem pompösen Monster aufgeblasen und statistische Wunschberechnungen als Wahrheiten verkündet. Die Vernichtung ist nah - die zweite Welle kommt !  Dabei gab es noch nicht mal eine erste Welle. Unsere Medien übertrumpfen sich täglich gegenseitig mit Horrormeldungen, damit Herr Gaids weitere Millarden mit Impfungen scheffeln kann. Bakterienverseuchte Gesichtslappen werden als nützlicher Schutz gepriesen und im schönsten Frühling sollen wir zuhause bleiben. In einer Irrenanstalt geht es dagegen normal und gesittet zu.

Bernhard Idler / 03.05.2020

Die Schweden sind nicht unbedingt weniger infiziert als die Niedersachsen, sondern vor allem weniger getestet (ungefähr ein Drittel soviel bezogen auf die Bevölkerung). Das erklärt, warum sie dennoch mehr sterben. Und warum man die Infektionsrate nicht wirklich weiß, denn überall ist die tatsächliche Zahl der Infizierten unbekannt, weil nur ein kleiner Teil der Bevölkerung getestet wurde, und der ist nicht repräsentativ). Es ist zwar ironisch gemeint im Text, doch es ist für alle wahr: Niemand hat annähernd genügend Daten. Entscheidungen müssen aufgrund unzureichender Daten getroffen werden (das gilt übrigens weithin für sehr viele Entscheidungen). Es gibt in der richtigen Wissenschaft auch keine endgültige Wahrheit. Richtige Wissenschaftler ringen darum, sind froh über jede fundierte Kritik an ihren Thesen, nur so können sie der Wahrheit näherkommen. “Skeptiker” als Schimpfwort gibt es nur in der Klima-“Wissenschaft”, einer ideologischen Pseudowissenschaft. Die prägt aber leider die Erwartung der Leute an Wissenschaftler als allwissende “Fachleute”, die im Besitz der alleinigen Wahrheit sind. Die hat in der richtigen Wissenschaft niemand.

Daniel Kirchner / 03.05.2020

Keine Ahnung, ob das bei diesem Artikel wichtig ist, aber Niedersachsen hat knapp 11000 Fälle und 450 Tote. Der Ort Mitterteich im Landkreis Tirschenreuth (Oberpfalz/Bayern) feierte ein Starkbierfest mit angeblich 990 Fällen und 61 Toten im Anschluss.

Jürgen Probst / 03.05.2020

Ganz lustig, aber was soll das?

Karsten Dörre / 03.05.2020

Das Problem ist, dass alle Corona-Infizierte als Sensenmänner betrachtet werden und Infizierung an sich schon eine Katastrophe sei (Zombiefilmeffekt). Bei Grippe wird dies so nicht gesehen, sind mathematisch aber genauso tödliche Überträger für Vorerkrankte wie bei Corona. Die Uckermark ist weitestgehend mit Urwäldern bepflastert. Kommt man aus einem Wald raus, ist man im nächsten Wald drin. Die dort ansässigen Urmenschen leben weitestgehend indigen, autark und weit verstreut. Für Gegenden wie MV, Uckermark oder Ostfriesland hat sich das Corona-Virus gedacht, ein paar subversive Spione zu senden, um erfolgreich für Hysterie und Panik zu sorgen. Heutzutage ist es einfach, Menschen am Sicherheitsbedürfnis zu kratzen und schon pfeift der Orkan in deren Hosen.

Wolfgang Kaufmann / 03.05.2020

„John Hopkins“ — Johns Hopkins mit -s am Ende, so viel Zeit muss sein. – Ihre Lieblingspartei bekleckert sich übrigens derzeit nicht gerade mit Ruhm; bei Lindner derzeit nur Phrasen statt Substanz. Obwohl er kürzlich ein neues Wort gelernt hat: „smart“. Also: Die F.D.P. geht gerade *smart* unter, aber das volle Kanne.

Ilona Grimm / 03.05.2020

Lieber Herr Schneider, ich mag Ihre Rechnereien und Ihren Humor gar sehr. Es schadet gar nichts, zuzugeben, dass man nicht weiß, ob Corona nun männlich oder weiblich oder divers ist und, wenn ja, wieviele. Schön wäre, von den hochbezahlten Kapazitäten im weiten Feld des Virentums zu hören, dass sie im Grunde nur einen winzigen Ausschnitt des großen Ganzen beurteilen können. Dass sie aus Karrieregründen auf Merkel-Zedong und ihr Gefolge (samt Söder dem Großen) hören müssen, wissen wir ja alle. Deshalb sagen nur Pensionäre die Wahrheit. Von den ReGIERenden Demut zu erwarten, würde allerdings zu weit gehen. Dafür ist der Rausch uneingeschränkter Macht zu verführerisch. Für Demut ist das Volk zuständig und gern bereit, wie sich am braven Befolgen der Maskenpflicht ablesen lässt. Unterwürfiger als mit bedecktem Gesicht und schmalem Sehschlitz zwischen wochenlang nicht geschnittenen Haaren und Maske kann man sich kaum zeigen. Außer man kröche auf dem Bauch. Aber das kommt vielleicht noch. Tapfer bleiben! Ceterum censeo Merkelum esse expellam (©[Cato] Hjalmar Kreutzer)

Peter Holschke / 03.05.2020

Herzlichen Glückwunsch Herr Scheider, sie wurden verarscht, Das werde ich jetzt jedem an den Kopf knallen, der am Corono-Fieber leidet. Auch den Genesenen. GIYF, die Stichworte lauten: Massenhysterie und Hypochondrie. Mit kollektivem Wahn oder dem Drehen an den Reglern der Massenpsychologie läßt sich das auch erklären. Das war der größte Aprilscherz der Geschichte. In der Spielzeugkiste befindet sich gar widersprüchliches Zeug, wie Statikiken, Ungereimheiten, Unlogiken, damit dem brave Kind beim Stubenarrest nicht langweilig wird. Was? So etwas gibt es nicht? Das kann nicht sein. Na hör einer! Aber klar!. Immerhin wurde in diesem Corona-Krieg nicht auf Franzosen geschossen. Und es gab keinen Krieg gegen die Spatzen, die sind diesmal in China davongekommen. Luft wurde auch nicht verteufelt, was zugegeben noch mehr Gaga ist. Ja, ja, die Doofen sind immer nur die Anderen.

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