Maxeiner & Miersch / 07.08.2013 / 08:09 / 7 / Seite ausdrucken

Größer ist besser

Das Buch „Small is beautiful“ des deutsch-britischen Ökonomen Ernst Friedrich Schumacher gehörte zur Standardausstattung alternativer Wohngemeinschaften der 70er-Jahre und hatte ähnlich viel Einfluss wie „Die Grenzen des Wachstums“ und „Global 2000“. Schumachers Vermächtnis wirkt weiterhin. Wenn Margot Käßmann oder Richard David Precht die Konsumgesellschaft geißeln, schwingen seine Ideen immer mit. Gerade erscheint wieder eine Neuausgabe mit einem Vorwort von Nico Paech, der für „Postwachstumsökonomie“ plädiert.

Der Titel des Buches sagt schon alles: Großfabriken, Großkraftwerke und sonstige unbescheidene Unternehmungen sind schlecht. Wir müssen zurück zu kleineren Einheiten, dann geht es auch der Umwelt besser. Das klingt sympathisch. Die Frage ist nur, stimmt es auch?

Nehmen wir als Beispiel eine Betriebsform von der nicht nur Schumacher-Jünger sondern fast alle glauben, sie sei schlecht, weil sie groß ist: Die Massentierhaltung. Der Begriff „Massentierhaltung“ wurde ein Synonym für Umweltzerstörung und Tierquälerei.

Ist sie tierquälerisch? Die Antwort, die Verhaltensforscher darauf geben, lautet: Nicht prinzipiell, es kommt auf die Tierart an. Rinder schließen sich auch in freier Wildbahn zu riesigen Herden zusammen, wie man an den Bisons der nordamerikanischen Prärie oder den afrikanischen Kaffernbüffeln sehen kann.

Aber nehmen wir mal Schweine, deren wilde Verwandtschaft maximal Rotten aus einigen Dutzend Artgenossen bildet. In großen wie in kleinen Ställen werden Schweine in Gruppen von etwa zwölf bis 45 Tieren gehalten. Wie viele solcher durch Wände abgetrennter Gruppen im gleichen Betrieb leben, spielt für das einzelne Tier eine geringe Rolle. 

Und was ist mit der Umwelt? Ist ein Stall mit 100 Mastschweinen umweltfreundlicher als einer mit 1000? Ganz im Gegenteil. Um die gleiche Menge Fleisch zu erzeugen, müssten zehn Grundstücke erschlossen werden, zehnmal die Logistik für Fütterung, Wasserversorgung, Lüftung, Reinigung, Fäkalienbeseitigung.  Die Wege für die Versorgung der Tiere würden länger.

Für diese einfache Rechnung braucht man nichts als ein wenig gesunden Menschenverstand und lernt zweierlei: Schumacher hatte unrecht, und wer auf „Massentierhaltung“ schimpft, sollte sich überlegen, was er damit eigentlich meint.

Erschienen in DIE WELT am 02.08.2013

 

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Maria-Anna Konietzko / 07.08.2013

“Wir müssen zurück zu kleineren Einheiten.” Ich wüßte ein Gebiet, das aber Käßmann und Precht wohl nicht meinten und das sie eher verschrecken würde, auf welchem kleinere Einheiten empfehlenswert und sinnvoll wären: das Staatsgebiet! Ein großer Staat mit vielen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen kann meist nur von einer - vorsichtig ausgedrückt -autoritären Regierung zusammengehalten werden (und zerfällt regelmäßig in kleine Einheiten, sobald der Zwang wegfällt, siehe Sowjetunion oder Jugoslawien), zudem lähmt ein großer zentraler Staat gewöhnlich die Wirtschaft indem er Wettbewerb verhindert. Also zurück zu kleinen homogenen Ländern mit unterschiedlicher Gesetzgebung, unterschiedlicher Wirtschaftskraft (ohne Finanztransfer an ärmere Länder) und eventuell auch unterschiedlicher Regierungsform. Eine Monarchie zum Beispiel kann für die Bevölkerung vorteilhafter sein als die bei uns praktizierte Demokratie, da Monarchen im Gegensatz zu Machtpolitikern meist langfristig denken und das Land geordnet und wohlbehalten für ihre Nachkommen erhalten wollen, zudem ist zum Beispiel eine nette alte Dame mit vorbildlichen Manieren und glamouröser Familie mehr Zierde für ihr Land, als ein offensichtlich in seiner Wichtigkeit badender Pfaffe (man verzeihe mir diesen Ausdruck) mit Ehefrau und Freundin! Spannend wäre auch eine Demokratie, in welcher das Wahl- und Stimmrecht an das Nicht-Erhalten von staatlicher Subvention jeglicher Art gebunden wäre! Also zurück zu den Anfängen der damaligen EWG, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Zollrichtlinien mit den Nachbarn aushandeln, mehr Größe und Gemeinsamkeiten bräuchte es nicht, vor allem keine gemeinsame Währung! In diesen kleinen Staaten könnten die Bewohner “mit den Füßen” für die angenehmste Regierungsart stimmen (ein Umzug von Hessen nach Bayern ist einfacher als einer ins Außer-EU-Ausland), die Länder aber auch die besten Einwanderer auswählen. So würden alle zum größten Einsatz gezwungen und Unfähigkeit, Faulheit und Schmarotzertum, aber auch Verschwendung oder Machtbesessenheit verschwänden vielleicht. Hier wären die kleineren Einheiten wirklich von Vorteil und wir sparten noch eine Menge überflüssiger Politiker, Bürokratien, Gesetze und Verordnungen und könnten uns vielleicht wieder per Glühbirne erhellen!

Phillip Meiser / 07.08.2013

Was für ein Unsinn. Die beiden Autoren, sollten zwangsweise zu vierwöchigen Arbeitsaufenthalt in einer 1000 Tiere Mastanlage gezwungen werden. Mal sehen, ob sie noch das gleiche schreiben, wenn sie sich täglich mit Tierkadavern und Gülle beschäftigen dürften.

Klaus Weil / 07.08.2013

Wie häufig, haben diese Leute keine Ahnung von Betriebswirtschaft. Das wiederum bewirkt genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich wollen, nämlich Verschwendung von Resourcen und Energie. Dabei hätte ein Blick in ein Wirtschaftslexikon unter dem Stichwort Skaleneffekt gereicht, um zu erkennen, dass sie falsch liegen. Aber ich vermute, sie wollen das gar nicht wissen. Beim Skaleneffekt (englisch: Economies of Scale) handelt es sich um einen Begriff der Produktionstheorie; andere deutsche Bezeichnungen lauten Skalenertrag und Größenkostenersparnis. Bezeichnet wird damit das Verhältnis der Produktionsmenge zu den eingesetzten Produktionsfaktoren. Idealerweise steigt mit der Intensivierung der Produktionsfaktoren auch die ausgebrachte Produktionsmenge. Man spricht von einem positiven Skaleneffekt, wenn die Produktionsmenge stärker steigt als die Erhöhung der eingebrachten Faktoren. Ein solcher positiver Skaleneffekt ist ein typisches Kennzeichen moderner Massenproduktion: Bei einem hohen Produktionsausstoß verteilen sich die anfallenden Gesamtkosten im Betrieb auf mehr Produktionseinheiten (die deutsche Bezeichnung „Größenkostenersparnis“ macht das gut deutlich). Wichtig ist das z.B. dann, wenn ein Unternehmen Wachstumsziele wie Kosten- oder Preisführerschaft anstrebt.

Philipp Richardt / 07.08.2013

Stichwort “economies of scale” - größenabhängige Kostenvorteile. Gehört zum Standardrepertoire des BWL-Studiums 2. Semester. Zumal ein Grßsbetrieb, wie in den Beispielen, nur lokal begrenzt kontaminieren kann. Zehn Kleinbetriebe kontaminieren an zehn verschiedenen Stellen.

Thomas Wenninger / 07.08.2013

Das Argument geht überhaupt nicht auf Schumachers Argumente ein. Und obendreinist es falsch, denn nach dieser Logik wäre ja auch ein Betrieb mit 1000 Mastschweinen unökonomisch, warum nicht 100000, 1 Million, 10 Millionen Mastschweine in einem Betrieb ?

Gerd Stender / 07.08.2013

Sehr geehrte Autoren, Sie argumentieren kurz und schlüssig, doch sollten Sie bedenken, dass es sich bei Frau Käßmann und Co um Vertreter der Ersatzreligion “Ökologismus” handelt. Gläubigen ist mit Fakten nicht beizukommen. Ähnlich verhält es sich bei den Themen “Klimaerwärmung” und “erneuerbare” Energien. MfG Gerd Stender

Hans Mohrmann / 07.08.2013

Dass kleinere Strukturen größeren überlegen sein können, lässt sich an der Qualität der Produkte einer auf die regionale Versorgung orientierten Landwirtschaft ablesen. Schon mal Importspargel versucht? Sicher nicht. Ein auch nur mittelmäßiger Koch würde sowas niemals tun. Die olfaktorisch und gustatorisch miserable Qualität verschiedener Lebensmittel - siehe die gefürchtete Hollandtomate und die auf Transportfähigkeit gezüchtete Elsanta-Erdbeere - zeigen uns die wenigstens aus Sicht eines sensiblen Essers effektiveren Strukturen des “Kleinen”. Der perfekte Koch unterhält häufig seinen eigenen Garten oder hält Kontakt zu einem ortsansässigen Gärtner. Die Frage ist nicht, ob Massentierhaltung per se von Übel, sondern was das eigentlich ist, Massentierhaltung. Will man etwa in der Milchviehwirtschaft zur ebenso ineffizienten wie kuhfeindlichen Anbindehaltung zurück?

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