Thilo Schneider / 07.09.2019 / 10:00 / Foto: Dmytro Ivashchenko / 24 / Seite ausdrucken

Erdogan ins All!

Es gibt von dem genialen amerikanischen Karikaturisten Gary Larson einen Cartoon, der mir sehr in Erinnerung ist: Eine amerikanische Hausfrau steht, hinter sich eine Rakete, am Fenster und sieht zu den Nachbarn hinüber, die gerade ebenfalls eine Rakete geliefert kommen. Ihr ärgerlicher und etwas empörter Kommentar: „Na schau an: Jetzt haben die Hendersons auch die Atombombe.“

Oder anders. In „Obelix GmbH und Co KG“ heißt es: „Ihr habt ein Haus, Ihr habt Sklaven – aber habt Ihr auch einen Hinkelstein?“ Ungefähr so, wie in den beiden Beispielen muss sich Präsident Erdogan beim Blick auf die Weltlage vorgekommen sein. Er hat alles. Millionenstädte, Brücken, einen wirklich schicken Palast und einen traumhaft großen Flughafen. Und einen Mercedes. Mindestens. Und er ist, dem offiziellen Vernehmen nach, der allerbeliebteste Führer, den es in der Türkei seit Süleyman dem Prächtigen je gab. Was er nicht hat, sind Smart-Bombs und Atomwaffen. Ja, das würde mich auch ärgern.

Es geht offensichtlich nicht darum, ob die Türkei als NATO-Mitglied überhaupt Atomwaffen oder Smart-Bombs benötigt. Schon in ihren vergangenen Feldzügen in den Kurdengebieten und Syrien ist die türkische Armee nicht gerade durch zögerliches oder zimperliches Verhalten gegenüber Zivilisten aufgefallen. Militärisch-filigrane „chirurgische Schnitte“ der „schlauen Bomben“ sind der Türken Sache sowieso nicht, das läuft da eher nach dem Motto: „Wenn Dir wer zu nahe kommt, dann wird er einfach weggebombt“, vielmehr scheint es sich hier einmal mehr um Prestigeobjekte zu handeln, damit der größte osmanische Führer aller Zeiten (nach Süleyman dem Prächtigen) vor sein ihn liebendes Volk treten und „Wir sind Atommacht“ verkünden kann.

Nicht, dass ich etwas gegen Profilneurotiker hätte. Ganz im Gegenteil finde ich sie lustig, und sie machen ja auch die Klatschblätter mit hübschen erfundenen Geschichten voll, und was wäre auch unsere Welt ohne irgendwelche Kleinstaatdespoten, vor denen man irgendwie Angst haben kann oder die uns unheimlich sind? Typen wie Kim Jong-un oder der kürzlich viel zu spät verstorbene „Präsident Mugabe“ sorgen doch für ein wohliges Schauern, wenn sie einmal mehr eine irrwitzige Idee verkünden oder wahlweise den Amerikanern oder Russen drohen. 

Schlingerkurs gegenüber dem jüdischen Staat

Das Problem dabei ist, dass derartig hübsche Profilierungsprojekte immer zu lasten der eigenen Bevölkerung gehen, denn die muss die lustigen Sachen ja letztlich bezahlen, und das meist nicht nur finanziell, sondern auch personell, wenn sie ihre Kinder in irgendeinen Krieg schicken müssen oder die Nahrungsmittel knapp werden. Dann ist natürlich das Geschrei nach internationaler Hilfe groß, dann wird getobt und gedroht, und selbst wenn die Staatengemeinschaft dann die Portemonnaies öffnet, darf sie sich von den betreffenden Führern auch noch dankbar beschimpfen lassen. Im speziellen Fall kommt hinzu, dass sich keine maßgebliche deutsche Stimme laut gegen El Presidente erheben dürfte, denn innenpolitisch will es sich die deutsche Regierung nicht mit ihren „Mitbürgern mit türkischem Migrationshintergrund“ verscherzen.

Der tatsächlich einzige Staat, der sich ob der osmanischen Weltmachtträume wirklich berechtigt Sorgen machen muss, ist, wie so oft, Israel. Erdogan ist mittlerweile nicht nur berühmt, sondern auch berüchtigt für seinen Schlingerkurs gegenüber dem jüdischen Staat. Nur, weil er montags noch „die Freundschaft mit dem jüdischen Volk schätzt“, bedeutet das nicht, dass er dienstags nicht Israel „als Terrorstaat“ „mit dem Geiste Hitlers“ bezeichnet. Es bleibt abzuwarten, ob sich die israelische Regierung eine weitere Wanna-Be-Atommacht wie den Iran in fast unmittelbarer Nachbarschaft gefallen lassen wird. Auch sind die Israelis nicht gerade zimperlich, wenn es um direkte Gefahrenabwehr geht, und es ist fast schon ein Wunder, dass noch keine Flugzeuge mit dem Davidstern abgehoben haben, um die iranische Atomforschung wieder auf den Stand von 1944 zurückzufahren. 

Erdogan legt mit seiner Eitelkeit und seinem internationalen Minderwertigkeitskomplex eine weitere Lunte im Nahen Osten, und er weiß das. Er arbeitet sehr hart daran, der Große Führer aller Sunniten zu werden und wünscht sich augenscheinlich auch einen entsprechenden Eintrag in den Geschichtsbüchern. Innenpolitisch dürfte ihm das Getöse um die Atommacht Türkei bei denen, die sich sowieso schon immer als Opfer des Westens oder „der Juden“ gesehen haben, größere Pluspunkte als ein Abbau der Staatsverschuldung oder so profane Dinge wie Währungsstabilität bringen. 

Von den Europäern hat Erdogan sowieso nichts zu fürchten. Ein kurzes Zwinkern und der Satz „Soll ich die Grenzen öffnen?“ dürfte genügen, um in den europäischen Hauptstädten zuerst Schnappatmung und dann maximal halbgare „tiefe Besorgnis“- Laberei auszulösen. 

Eigentlich hätte das Erdogan auch charmanter lösen können. Ein Beispiel, wie es richtig geht, hat ausgerechnet der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit seiner „Bavaria One-Mission“ geliefert. Das war wirklich lustig, tut niemandem weh und bedroht auch keinen. Ich würde mich da wirklich über eine türkische Mondmission, meinetwegen unter dem Titel „Space Turkey“, freuen. Und Erdogan könnte für sich in Anspruch nehmen, die erste unbemannte oder auch bemannte Weltraummission der Muslime initiiert zu haben. Der erste Sunnit auf dem Halbmond könnte ein Türke sein. Das wäre doch auch toll und da wäre auch wirklich niemand böse, und wenn er nett fragen würde, dann dürfte seine Weltmachttraumrakete bestimmt auch von Haifa oder Tel Aviv aus starten. Die Israelis sind da entspannt. Aber „smart bombs“? Es ist gefährlich, wenn Waffen schlauer als ihre Befehlshaber sind. So etwas führt schnell zu „friendly fire“. 

(Weitere Märchen des Autors aus 1.001er Nacht auf www.politticker.de

Foto: Dmytro Ivashchenko CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Frank Holdergrün / 07.09.2019

Ich würde nie mit einem türkischen Flugzeug-Piloten fliegen, sie agieren ähnlich gewagt wie die vierrädrigen Hochzeits-Piloten auf der Autobahn. Ein Türke im Halbmond, welch geniale Vorstellung, aber war Mohammed nicht längst dort, als er von Jerusalem gen Himmel auffuhr?

B. Ollo / 07.09.2019

Da kennen Sie die türkische Geschichtsschreibung aber schlecht. Wenn Ankara der Meinung ist, man hätte etwas als erster gemacht, dann schreibt Ankara das einfach in die Geschichtsbücher. Irgendeine windige Quelle wird sich finden und Wissenschaftler und ihre Prinzipientreue sind ohnehin weltweit längst überbewertet, in Ankara ohnehin ausgetauscht, wer sich nicht kaufen lässt. So war es bereits bei der Entdeckung Amerikas, eine ur-türkisch-osmanische Glanzleistung und Erfindung, so wird es auch beim Mond in den Geschichtsbüchern stehen, mit Hinweis auf Mohammed und den Koran oder wie auch immer. Mir kamen immer mal weitere Beispiele zu Ohren, was man in diesen Kreisen alles erfunden haben will, aber da müsste ich nachschlagen.

Sebastian Weber / 07.09.2019

Erdolf. Unsere türkischen Mitbürger lieben ihn. Und er küsst ihre Augen. Was will man mehr?

Rico Martin / 07.09.2019

Ein Muslim im Weltall? Gott bewahre! Das würde bedeuten, das die Religion des Friedens auch den Frieden im Weltall beendet.

J.P. Neumann / 07.09.2019

Der türkische Staat ist im wesentlichen nur Fassade. Zumindest das hat Erdogan mit dem letzten Sultan gemeinsam. Auf dem Papier hat die Türkei 500.000 Soldaten und 6000 Panzer, damit eine der grössten Armeen der Welt. Allerdings schafft sie es nicht, die eigenen Kurdengebiete in den Griff zu bekommen, geschweige denn eine 20km Sicherheitszone in Irak/Syrien abzustecken.  Die Türkei ist Spielball anderer Mächte, insbesondere auch in finanzieller Hinsicht.  Ein Lösung der durch Erdogan kumulierten Probleme ist schwierig, zumal die grosse Klappe des Führers in krassem Missverhältnis zu seinen Möglichkeiten steht.  Die EU muss, ob sie will oder nicht, ihre eigenen Grenzen selbst sichern. Erdogan kann es nicht, dass Merkel ihn ins Spiel brachte, war von vornherein schlichter Unfug.  In der Tat eine Mondmission.

Richard Kaufmann / 07.09.2019

Nun, das mit Israel hat die Türkei gemeinsam mit Deutschland als weiteres offen antisemitisches Land, das es sich nicht verkneifen kann, mit gestrecktem Zeigefinger zu mahnen (der Deutsche streckt den Zeigefinger in die Höh’ anstelle von - Sie wissen schon. Ein Land, das sich nach sie vor weigert, die Botschaft in die jahrtausende alte Hauptstadt des Judenstaates zu verlegen. Stattdessen finanziert dieses Land Raketen und Sprengsätze, die israelische Bürger töten sollen. Also, Herr Schneider, lassen wir das. Sie sind gut und lustig an anderer Stelle. Mag vielleicht Erdogan ein Sultan sein, was ist dann Ihre zittrige “Anführerin der freien Welt”?

Gerd Heinzelmann / 07.09.2019

Sehr geehrter Herr Thilo Schneider, Wissen Sie warum ich Ihre Artikel nicht lese? Sie haben einen hervorragenden Bundeskanzler verraten.

Thomas Taterka / 07.09.2019

Das Borderline - Stratego des ” Großen Führers der Sunniten ” mag ja für den ein oder anderen fremdelnden Islamexperten ein Buch mit sieben Siegeln sein, die klaren Abneigungen seiner Anhänger in Deutschland sind es nicht. Davon kann sich jeder in diesem Land überzeugen, der nicht unter Vorurteilen oder Berührungsängsten leidet. Vor allem in Großstädten. Auf Wochenmärkten, in türkischen Lebensmittelgeschäften oder auch beim Zeitungs- und Zigarettenhändler- natürlich ” inkognito “, d.h. affektfrei. Zum Glück hat Israel Regierungen, die seine Bürger wirklich zu schützen beabsichtigt, von einigen ” Patzern ” mal abgesehen. Gefahren werden dort als Gefahren erkannt . Und der Realitätssinn als überlebenswichtig. Das absolute Gegenteil zu diesem Land.

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