Woodstock in Pjöngjang fällt aus. Das Festival “Rock für den Frieden”, mit dem die unter Imageproblemen leidende Demokratische Volksrepublik (dreifach gemoppelt hält besser) Nordkorea im Sommer 2007 ihre guten Absichten beweisen wollte, wird nicht stattfinden. Mehr als 50 westliche Bands hatten sich angemeldet, auch wir hatten an dieser Stelle vor genau zwei Monaten über den Coup berichtet. Doch der Organisator des Festivals, ein Exil-Koreaner, hat sich nun derart mit dem Regime zerstritten, dass er “Rock für den Frieden” kurzerhand absagte. Mehr noch: Nach Jahren unermüdlichen Werbens für Staat und Partei ist Jean-Baptiste Kim abtrünnig geworden. Schuld ist das süße Gift des Kapitalismus. Kim hat seine Homepage “Voice of Korea” geschlossen und dort ein bemerkenswertes Dokument seines Abschieds vom Kommunismus hinterlassen.
“Ich habe in vielen Interviews das Regime verteidigt, aber ich muss eingestehen, dass dies alles Lügen waren”, gesteht er. Kim schreibt von bitterer Not, verlogenen Funktionären und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft: “Das einzige Mittel, um das Land zu verändern, heißt Geld.” Deshalb hofft Kim auf ein Ende aller internationalen Sanktionen. “Lasst die Nordkoreaner mit der Welt Handel treiben, und sie werden die Macht des Geldes kennen lernen, das ein besseres Leben bedeutet. Wenn sie einmal die Süße gekostet haben, werden sie nie zur Bitternis zurückkehren.” Er selbst will sich künftig ganz seinem “kleinen Telefongeschäft” in London widmen.
Jetzt steht Nordkoreas Führung dumm da. Ihr größter Fan in Europa steigt aus und hinterlässt auf seiner Homepage ein kapitalistisches Manifest - und einen Werbelink für Mobiltelefone! Und das alles, nachdem er sich lange mit westlichen Musikern beschäftigt hat. Womit erneut bewiesen wäre, dass der erleuchtete Führer Kim Jong Il ein Genie ist. In Nordkoreas Staatsradio wird Marschmusik gespielt.
Kölner Stadt-Anzeiger, 10.02.07