Wolfgang Röhl / 02.07.2009 / 00:25 / 0 / Seite ausdrucken

Die “Zeit” und das Ende der Billigflieger. Reality-Check

Im Juni, die Ferienzeit hatte noch gar nicht richtig begonnen, war ich öfters unterwegs. Ich stand auf den Flughäfen von Frankfurt, Köln, Palma de Mallorca und Ibiza herum und wunderte mich. Da starteten und landeten auch massenhaft Flieger von Air Berlin, Tuifly, Germanwings, Ryanair, Easyjet und andere Maschinen von Billig- oder Low cost-Airlines. An ihren Gates herrschte Remmidemmi, sie schienen gut gefüllt zu sein. Wie war das möglich? Eigentlich war es unlogisch, denn „Das Ende der Billigflieger“ war doch schon längst verkündet worden. Und zwar in der “Zeit“, dem seriösesten Press-Erzeugnis, das sich Freunde der Weltbetrachtung aus der Perspektive des Ohrensessels (Thomas Bernhard)  nur wünschen können…

Ach, Sie kennen jenen berühmten, einzigen, aber immer wieder auf vielen Kanälen gesendeten TV-Werbespot der Zeit nicht? Wo der schöne Giovanni di Lorenzo (der allerdings mal dringend was mit seinen Zähnen machen sollte), wie somnambul durch die Flure der Zeit-Redaktion geistert? Gleich hinter ihm Schmitti, der eiserne Ex-Kanzler, Zeit-Herausgeber und unser aller liebster Welterklärer; zwar am Stock gehend, aber dennoch wie ein strenger Spieß blickend, auf dass Giovanni keinen Mist baue? Gucken Sie mal rein ins Werbefernsehen! Sie werden über diese Miniatur begeistert sein.

Giovanni also gelangt im TV-Spot vom Flur rasch in die Grafik, wo eine superkompetent aussehende Karriere-Tante mit einem Designer-Brillengestell aus ihrer edlen Wäsche heraus scharf auf einen Computerschirm schaut, wo gerade die Zeit-Frontpage gebaut wird. Deren Titel lautet, ja eben, „Das Ende der Billigflieger“. Ich vermute, dass der Spot ungefähr vor einem Jahr gedreht wurde, als der Ölpreis mächtig anzog. Damals spitzten sämtliche Untergangspropheten den Griffel. Und schrieben, neben vielem anderen, auch das Geschäftsmodell der Billigflieger in Grund und Boden.

Natürlich trat von all dem nichts ein. Jäh sackte der Ölpreis gegen Ende des Jahres 2008 ab. Er steht nun wieder etwas höher, aber auf 200 Dollar pro Barrel, wie es die Doomsayers vor Jahresfrist prognostizierten, wird er so schnell nicht steigen. Die Fliegerei hat Probleme, das ist wahr, aber die hatte sie immer. Und ihre Probleme haben noch ganz andere Gründe als den Ölpreis. Billig-Airlines, flexibel wie sie sind, stellen sich längst anders auf, kooperieren, reagieren clever auf Marktverschiebungen. Wer unter der Krise am meisten leidet, das sind die Nicht-Billigairlines wie Lufthansa, deren größter Ertragsbringer, die Business-Class, furchtbar leidet. Ich wurde kürzlich auf einem Flug in die USA zusammen mit meiner Frau aus der Holzklasse kurzerhand in die Business-Class verfrachtet, damit es in dieser nicht so leer aussah. So macht die Krise Spaß!

Klassenlose Airlines wie Air Berlin und andere haben da noch die geringsten Probleme.

Was das alles über die Zeit sagt? Vielleicht dies: wer erklärt haben möchte (zum Beispiel vom Zeit-Feuilletonchef Jens Jessen), warum junge Menschen mit Migrationshintergrund einfach nicht anders können, als faschistoide deutsche Rentner in U-Bahn-Stationen ins Koma zu befördern, ist mit der Zeit prima bedient. Ebenso, wer wissen will, warum das deutsche Subventionskino, das leider kein Schwein sehen will, unheimlich wichtig ist für die Kultur unseres kleinen Staatswesens.

Für härtere Infos empfehlen sich möglicherweise andere Quellen als die “Zeitschrift, die wirklich was zu sagen hat” (Zeit-Claim). Nageln sich mich da nicht fest! Ist schwierig.

 

 

 

 

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