Galerie von Tim Maxeiner / 12.05.2019 / 06:25 / Foto: Tim Maxeiner / 12 / Seite ausdrucken

Die versunkene Stadt. Eine Metapher

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Vor 90 Jahren, Anfang 1929 im Süden von Los Angeles. Point Fermin in San Pedro, dem Hafenviertel von Los Angeles, war damals ein beliebtes Ausflugsziel. Angelinos konnten damals noch mit dem Redcar, der später abgerissenen Straßenbahn, von Downtown hierher ans Meer fahren. Über eine Treppe gelangten sie vom Point-Fermin-Park die Klippen hinunter zum Wasser.

Der Immobilien-Magnat George Peck hatte das Areal für den Bau luxuriöser Villen mit einem fantastischen Ausblick über den Pazifik erschlossen. Geschäfte und ein Hotel florierten. 

Doch es zeigen sich plötzlich tiefe Risse in Straßen und Gärten. Die Los Angeles Times berichtet von einem riesigen abgrundtiefen Loch, das sich plötzlich im Garten eines Hauses auftut. Niemand hatte die fragile geologische Struktur untersucht, auf der das Viertel errichtet worden war. Die schöne Aussicht hatte sorglos gemacht. Und das rächte sich jetzt.

Der Untergrund besteht aus losen Felsen und Ton. Wellen fressen sich durch Felsspalten allmählich in das Areal und unterspülten die Tonschicht, die sich mit Wasser vollsaugt.

Der Untergrund gerät allmählich in Bewegung, Gas- und Wasserleitungen bersten, Häuser und Luxushotels müssen nach und nach geräumt werden. Teilweise werden sie einfach an einen anderen, sichereren Ort verfrachtet. Am Ende sinken vier Hektar Land Richtung Meer.

Paseo Del Mar ist auch heute noch eine wunderbare Wohngegend, doch der Pazifik nagt weiter daran. 2013 holte das Meer sich die Küstenstraße, zum zweiten Mal, nur an einer anderen Stelle. Doch dieses Mal ging es schneller, die Straße rutschte über Nacht in die Tiefe. Ein Stück weiter gefährden tektonische Verschiebungen die Stabilität der Straße. Keine Technik kann diese Prozesse stoppen, es gibt einfach Kräfte, die stärker sind als der menschliche Wille, die Natur zu überwinden.

Das Betreten der Überreste von "Sunken City" ist wegen der Gefahr verboten, und ein Stahlzaun soll die Menschen daran hindern. Doch niemand hält sich daran. Nach einem langen Dornröschenschlaf haben erst die Einheimischen und später mehr und mehr Touristen den faszinierenden Platz wiederentdeckt.

Felsformationen mit scharfen Kanten zeichnen sich gegen den Pazifik ab. Catalina Island liegt wie ein Scherenschnitt am Horizont. Die Szenerie spielt mit dem Auge, und die Grenze zwischen Zwei- und Dreidimensionalem verwischt. Es scheint so, als bewege der Betrachter sich in einem riesigen Diorama

Internet und Social-Media ziehen sogenannte "Urban-Explorers" an, Parties werden gefeiert und Fotos auf Instagram geshared, auf alten Betonplatten döst man in den Sonnenuntergang. Allerdings nimmt auch Vermüllung zu und die Kritik an manchen Auswüchsen. Beschränkten sich die Graffiti früher auf die Beton-Überreste, so werden inzwischen auch die Felsen, die wenigen Bäume und der Meeresgrund bei Ebbe besprüht. 

Das Areal übt eine morbide Anziehungskraft auf die Menschen aus. Es gibt sogar eine eigene Facebookseite für diese verbotene Touristen-Attraktion. Viele kennen Sunken-City, ohne es zu kennen, aus dem Film "The Big Lebowski" aus dieser Szene.

Hier im Video eine Skulptur, die Sunken-City als Diorama lebendig werden lässt.  

Nachbemerkung: Ein halbes Jahr nach dem Versinken der Stadt begann am 24. Oktober 1929 in New York die Weltwirtschaftskrise. Auch da stürzte die Welt von einer Klippe.

Foto: Tim Maxeiner

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Stefan Lanz / 12.05.2019

Danke für diesen Artikel, bisher war mir Sunken City unbekannt… Und ich gehe davon aus, dass die meisten Fotos von der Familie Maxeiner selber stammen - sehr schöne Aufnahmen dabei, am witzigsten war der meditierende Fuchs

Matthias Braun / 12.05.2019

” Vor uns sät das Leben seine Blumen; Hinter uns mäht die Vergänglichkeit.” ( Johann Heinrich Witschel )

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