Norbert Bolz, Gastautor / 07.12.2020 / 10:00 / Foto: Imago / 123 / Seite ausdrucken

Die Propagandisten des permanenten Ausnahme-Zustands

Wenn man sich von den Philosophen, so es sie überhaupt noch gibt, etwas wünschen dürfte, wäre es eine Kritik der politischen Urteilskraft. Die Schwierigkeit liegt darin, dass man politische Urteile nicht beweisen kann, sondern sie können sich nur bewähren. Denn es gibt keine Tatsachen im Politischen. Deshalb hat Max Weber Augenmaß und Verantwortung gefordert. Und tatsächlich war die Geschichte der Bundesrepublik bis zur Jahrtausendwende durch einen verantwortungsbewussten Reformismus geprägt. 

Davon kann heute nicht mehr die Rede sein. Mit einer simplen Fünf-vor-zwölf-Rhetorik will die politisch-mediale Elite in allen Lebensbereichen einen radikalen Wandel herbeiführen – mit dem Versprechen, dass man Deutschland bald nicht wiedererkennen wird. Man denke nur an die Energiepolitik ohne Atom und Kohle, die Auflösung der nationalstaatlichen Souveränität in Europa, die grenzenlose Massenmigration und die Kulturrevolution durch “Gendern” und “Politische Korrektheit”. Wer hier nicht mitkommt, den nimmt der Staat gerne bei der Hand – von der Wiege bis zur Bahre. Und wer sich weigert, sieht sich von den Gesinnungspolizisten in die rechte Ecke der ewig Gestrigen gestellt.

Das Syndrom des politischen Moralismus kann man auf die Formel bringen: Je schwächer der gesunde Menschenverstand, desto stärker die Gesinnung. Und wo Gefühle statt Argumente die Debatten bestimmen, kommt es ganz unvermeidlich zur Verteufelung der Andersdenkenden. Der politische Moralist sieht im politischen Gegner einen Unmenschen. So wird die Exkommunikation wieder aktuell – als sozialer Boykott.

Propagandisten des permanenten Ausnahmezustands

Man muss wohl von einer Pseudomorphose der Demokratie sprechen. Die formalen Strukturen bestehen noch, aber es ist längst ein neuer Geist eingezogen. Und gerade die Aktivisten sehen in der Demokratie ein Auslaufmodell. Das gilt nicht nur für die übergriffigen Klimanotstands-Aktivisten, sondern auch für die Propagandisten des permanenten Ausnahmezustands der Pandemie. Das gilt vor allem aber für den globalen Paternalismus der Davos-Menschen, die mit ihrem “Great Reset” im Schatten von Corona eine Weltrevolution von oben planen. 

Kleine Minderheiten bestimmen die Tagesordnung. Es gab schon immer Aktivisten mit verrückten Forderungen, aber das Neue ist, dass Politik und Medien ihnen nach dem Mund reden. Die „woken“ Schüler, Studenten und Professoren machen denjenigen, die in unseren Bildungsanstalten noch ihre fünf Sinne zusammen haben, das Leben zur Hölle. Gender Studies, Critical Whiteness Studies und ähnliche Erfindungen des „Dekonstruktivismus“ sind ein okkultistischer Schwindel, mit dem Salonbolschewisten vor einem alles ertragenden Publikum zaubern – oder wie die Amerikaner sagen: Voodoo Science. 

Alle Ideologien, die heute als progressiv gelten, haben der Wahrheit den Krieg erklärt. Mit ihrem Angriff auf Kultur, Geschmack und Intelligenz wollen die Taliban des Westens die letzten Reste von Geist und Geschichte tilgen: als Bilderstürmer und Denkmalsstürzer. Gäbe es das Buch nicht schon, so hätte “Der Untergang des Abendlandes” wohl das Zeug zu einem Bestseller.

Foto: Imago

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K. Nerweiß / 07.12.2020

,,Kleine Minderheiten bestimmen die Tagesordnung. Es gab schon immer Aktivisten mit verrückten Forderungen, aber das Neue ist, dass Politik und Medien ihnen nach dem Mund reden.” Andersherum wird ein Schuh draus: Die kleinen Minderheiten sind die Mobilgarden von Politik und Medien - wie schon in der Großen Proletarischen Kulturrevolution. Es ist kein Auftragsverhältnis, sondern es eint sie die gemeinsame Überzeugung.

Frances Johnson / 07.12.2020

Das ist ein sehr interessantes Photo. Ein brechend voller Saal. Hat jemand aus diesem Saal (inkl Service-Personal) C19 bekommen, während man das zur gleichen Zeit jedem Demo-Teilnehmer unterstellte, vor allem dann, wenn es die falsche Demo war? Kann man die antiken Fenster überhaupt öffnen? Ich werde es nächstes Jahr mal wieder anschauen mit diesem Punkt im Kopf, falls Markus Söder nicht bis dahin eingezogen ist. Jedenfalls sind alle Fenster geschlossen auf dem Photo. Wasser predigen und Wein saufen - das ist dieses Bild.

beat schaller / 07.12.2020

@T.Schneegass, Ich befürchte, dass ich Ihnen und Ihren Ergänzungen recht geben muss. Hervorragender und kurzer Bericht Herr Bolz. b.schaller

Karl Vogel / 07.12.2020

Manche Texte speichere ich lokal, für den Fall, dass gnädig spät Geborene dereinst nachfragen, wie es damals so war und wie es soweit kommen konnte und ob wir nichts gemerkt haben. Diesmal speichere ich auch das dazugehörige Foto. Diese Märchen-Kulisse - köstlich. Und die Sonnenkönigin, wie sie, gesammelt, mit freundlicher Herablassung, es huldvoll gestattet im Glanze für die Ewigkeit konserviert zu werden. Und ihr Hanswurst nebendran, wie auch er, so gut er eben kann, den bedeutungsvollen Gesichtsausdruck abruft, den er am Morgen im Badezimmer noch geübt hatte. Und das brav maskierte Gesinde gedrängt am Rand. Und am entfernten Ende die Blendwerk-Verfertiger beim aufgeregten Hantieren sozusagen im Gegenschuss.

Andreas Rochow / 07.12.2020

“Alle Ideologien, die heute als progressiv gelten, haben der Wahrheit den Krieg erklärt. Mit ihrem Angriff auf Kultur, Geschmack und Intelligenz wollen die Taliban des Westens die letzten Reste von Geist und Geschichte tilgen: als Bilderstürmer und Denkmalsstürzer.” Es tut so gut, dass es einen Professor gibt, der es wagt, solche Gedanken öffentlich zu machen. Wie jeder Bolschewismus werden auch diese Staatstaliban ihre Beharrungskräfte verlieren, weil sie in ihrer Wagenburg dem Irrtum erliegen, sie nicht zu brauchen. Ihr Zerstörungswerk wird sie zuerst verschlingen und den Rest tut unser gutes Gedächtnis. Nie wieder darf die Methode Gysi erfolgreich sein, mit der die die Täter-Opfer-Umkehr und das große Vergessen eingeleitet wurde, die für die Spaltung unserer Gesellschaft maßgeblich verantwortlich sind.

T. Schneegaß / 07.12.2020

@Matthias Popp: Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie der Meinung, in diesen gegenwärtigen, sogenannten"Demokratien” wird politisches Handeln durch die herrschenden Kliquen (vom Autor als politisch-mediale Eliten etwas vornehmer bezeichnet) an den Tatsachen, also an objektiv Vorhandenem und ideologiefrei ausgerichtet? Wenn ich Sie also richtig verstehen sollte, dann gehören Sie genau zu den Gläubigen, die sich Diktaturen heran"bilden”, um ihren Machterhalt zu sichern.

T. Schneegaß / 07.12.2020

@Block Andreas: Die Verbündeten der Taliban des Westens.

Helmut Scheid / 07.12.2020

Hallo Frau Ilona Grimm@ und Judith Panther@ ihre niedergeschriebenen Worte teile ich vollends, danke! Danke aber auch an alle anderen Gleichgesinnte/er, die hier geschrieben haben…................

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