Tobias Kaufmann / 13.12.2006 / 10:39 / 0 / Seite ausdrucken

Die Fragen des Mahmud Ahmadinedschad

Es klingt verrückt. Eine „wissenschaftliche“ Konferenz in Teheran soll herausfinden, ob und in welchem Ausmaß der Holocaust stattgefunden hat. Als ob dieses schwärzeste Kapitel deutscher Geschichte nicht umfassend erforscht wäre. Doch Irans Staatschef Ahmadinedschad für verrückt zu halten hieße, ihn zu unterschätzen. Der Mann träumt vom Sieg der islamischen Revolution über den Westen, und zwar unter seiner Leitung. Dazu dienen Irans Atomprogramm und Propaganda. Geschickt hat sich Ahmadinedschad den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ausgesucht, der im Iran zwar so gut wie keine Rolle spielt, aber im Westen wie auf der „arabischen Straße“ geradezu obsessiv verfolgt wird.
Die „Holocaust-Konferenz“ karikiert die westliche Debattenkultur, die Ahmadinedschad in Wahrheit ablehnt. Das Ergebnis steht schon vorher fest: Israel muss verschwinden. Wenn es den Holocaust nicht gegeben hätte - verlöre der Staat dann nicht seine Existenzberechtigung? Und wenn es ihn gab - warum wird ein jüdischer Staat dann nicht in Europa gegründet statt auf dem Boden der Palästinenser?
Diese Logik ist zwar falsch, denn unabhängig von den historischen Erfahrungen der Judenvernichtung ist das Existenzrecht Israels durch den UN-Teilungsplan von 1947 garantiert. Das Regime stellt seine Gedankenspiele aber nicht im luftleeren Raum an. Der Iran weiß um Europas schlechtes Gewissen gegenüber den Juden. Er weiß aber auch, dass der jüdische Staat im Westen nicht gerade beliebt ist. Und er registriert, dass er Israel drohen kann, ohne dass es über Protestnoten hinaus Folgen für ihn hätte. Offenbar versucht Ahmadinedschad mit geschickten Provokationen auszuloten, wie weit die USA, Europa und nicht zuletzt Deutschland zu gehen bereit sind, um das „zionistische Gebilde“ zu schützen.

(Kölner Stadt-Anzeiger, 13.12.06)

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