Josef Kraus, Gastautor / 31.08.2020 / 06:24 / Foto: achgut.com / 38 / Seite ausdrucken

Der neue „Sarrazin“: Dringt das Thema „Migration“ gegen „Corona“ durch?

Von Josef Kraus.

In Medizin und Psychologie gibt es den Begriff des „sekundären Krankheitsgewinns.“ Im Unterschied zum „primären Krankheitsgewinn“, der vor allem in der Genesung besteht, ist der „sekundäre Krankheitsgewinn“ derjenige, mit dem man qua Krankheit um einige Unannehmlichkeiten herumkommt. Zum Beispiel kann man dann bestimmte Pflichten oder schwierige Wahrheiten oder womöglich unschöne Begegnungen umgehen, weil man ja schließlich krank ist.

Was hat das mit der Lage in Deutschland zu tun? Eine Menge! Denn Deutschland ist nun mal ganz offiziell corona-krank. Da spielen andere Wahrheiten oder Probleme keine oder kaum eine Rolle mehr. Zum Beispiel gibt es jetzt offiziell nahezu keine Probleme mehr mit Migration, Wirtschaftsflüchtlingen, Kosten der Migration, Asylmissbrauch, eingewanderter Kriminalität usw. Das ist der sekundäre Corona-Krankheitsgewinn für Merkel und Co.

Doch halt, ab heute dem 31. August könnte/müsste/sollte es anders werden – wenn Öffentlichkeit und „Qualitätspresse“ denn mitspielen. Denn es erscheint Thilo Sarrazins neues Buch. Es hat sehr viel mit Migration zu tun und trägt den Titel „Der Staat an seinen Grenzen. Über Wirkung von Einwanderung in Geschichte und Gegenwart.“ 

31. August? Da gab es doch mal den 31. August 2015. Das ist der Tag, an dem Merkel angesichts anschwellender Flüchtlingszahlen den Spruch losließ: „Wir schaffen das!“ Es folgte am 4./5. September 2015 die totale Grenzöffnung – von Merkel solistisch exekutiert, ohne Parlament, ohne Konsultation mit den Bundesländern, ohne Rücksicht auf „Schengen“ oder „Dublin“ usw. Rechtlich hatte all dies keine Konsequenten für Merkels autokratisch einsame Entscheidung. Politisch hatte es allenfalls Konsequenzen insofern, als Merkel damit den größten Anteil am Erstarken der AfD und an einem der schlechtesten Wahlergebnisse der CDU nach 1949 hat. Für viele Bundesbürger hat es gleichwohl Konsequenzen, vor allem für sie als Steuerzahler und in zahlreichen Fällen als Opfer zugewanderter Gewalt.

Triumph der Gesinnung über die Urteilskraft

Der Vorwurf einer „Herrschaft des Unrechts“ bleibt bestehen, er ist nicht ausgeräumt, auch wenn Merkel trotzig und patzig bei einer Pressekonferenz am 15. September 2015 hinterherschob: "Ich muß ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, daß wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land." Und noch heute hält sie an ihrer naiv-humanitaristischen Ideologie fest. Den Triumph der Gesinnung über die Urteilskraft hat Hermann Lübbe so etwas einmal genannt.

Merkels dünne Begründung für die sperrangelweit geöffneten Grenzen, so in einem Interview vom 7. Oktober 2015, lautete: 3000 Kilometer deutscher Grenzen könne man nicht schützen. Dabei waren nach dem 5. September 2015 sämtliche Einheiten der Bundespolizei in Alarmbereitschaft versetzt und 21 Hundertschaften mit Bussen aus ganz Deutschland an die deutsch-österreichische Grenze gebracht worden, um am 13. September 2015 die deutsche Grenze wieder zu schließen. Indes: Die Grenzen blieben offen. Bis heute hat man in der Bundesregierung nicht eingeräumt, dass man falsch gehandelt hat. Der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte übrigens auf Grenzschließung gesetzt. Heute, Ende August 2020, verteidigt er Merkels Entscheidung. 

Sarrazin gibt sich wie Millionen von Bundesbürgern nicht damit zufrieden. Was ihn bewegt, schreibt er auf Seite 349 seines neuen Buches: „Die Erkenntnis, dass Massenauswanderung aus Afrika und dem westlichen Asien den betroffenen Ländern bei der Lösung ihrer Probleme nicht hilft, für die Zielländer in Europa aber in vielerlei Hinsicht bedrohlich und potenziell destabilisierend ist, war der Anlass, dieses Buch zu schreiben.“

Nun hat Sarrazin also – sorgfältigst recherchiert und vorbereitet – sein sechstes Buch seit 2010 geschrieben. Damals meinte eine Kanzlerin Merkel zu Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ (2010), dass dieses Buch „nicht hilfreich“ sei. Nun ja, hätte Merkel dieses 2010er Buch gelesen, wäre sie im Spätsommer 2015 mit ihrer eigenwilligen Grenzöffnung nicht in die Humanitarismus-Falle getappt. Und hätte die SPD dieses Buch ihres nun gefeuerten und Nicht-Mehr-SPD-Mitglieds gelesen, wäre sie nicht auf 15 Prozent im Westen und auf unter zehn Prozent im Osten der Republik abgestürzt. Sarrazins erstes Buch wäre also sehr wohl hilfreich gewesen. Ob das aktuelle Sarrazin-Buch „hilfreich“ ist. Ja, denn außer dass es bestens recherchiert und mit fast 700 Fußnoten hervorragend belegt ist, ist es hilfreich, weil es alle Diktate der „political correctness“ hinter sich lässt.

„Weltgeschichte der Einwanderung“

Der welthistorisch interessierte Leser wird im ersten Drittel des neuen Sarrazin-Buches auf seine Kosten kommen. Dort geht es um die „Weltgeschichte der Einwanderung“. Der Autor selbst nennt diesen Teil einen „Parforce-Ritt“ durch die Menschheitsgeschichte. Sarrazin menschheitsgeschichtlicher Rückblick reicht von der Wiege des „homo sapiens“ vor 200.000 bis 100.000 Jahren in Afrika über dessen Wanderungen nach Europa, Asien und Australien bis hin zu frühen Hochkulturen, vor allem in Ägypten und Israel. Über Rom und Athen kommt Sarrazin auf die Germanen zu sprechen. Dezidiert widmet er sich den Arabern und dem islamischen Kalifat. Er scheut sich nicht, deutlich zu machen, dass die ausgeprägteste Form von Sklaverei im islamischen Kulturkreis stattgefunden habe. 

Zur Sprache kommen ferner Indien, China, Japan, das Osmanische Reich sowie die deutsche Ostsiedlung. Gegen den historisch korrekten Strich gebürstet ist dann vor allem Sarrazins Darstellung des Kolonialismus und seiner Folgen. Er schreibt: „Nach dem Ende der Kolonialzeit vor 60 Jahren bleibt die Entwicklung in Afrika, insbesondere in Subsahara-Afrika, deutlich hinter anderen ehemaligen Kolonialgebieten zurück.“ An späterer Stelle wird Sarrazin noch deutlicher: „Es hat sich ein ausufernder postkolonialer Diskurs etabliert, der die Opferrolle der ehemaligen Kolonien in den Mittelpunkt stellt, aber z.B. um die koloniale Vergangenheit des Osmanischen Reiches einen großen Bogen macht.“ Das sei eine „Ideologie, die unter Verzicht auf historische Trennschärfe die Vergangenheit zulasten der Europäer moralisieren will.“ 

Politisch brisant wird es im Buch später, vor allem ab dem „Einschnitt 2015“. Für Deutschland und Europa zieht Sarrazin die Schlussfolgerung: „Eine wirksame quantitative Begrenzung der Einwanderung aus Afrika und dem westlichen Asien ist für Deutschland und Europa eine vitale politische und gesellschaftliche Notwendigkeit. Für die Legitimation des demokratischen Systems kann sie zu einer Überlebensfrage werden.“ Und diejenigen, die etwa nach Deutschland einwandern wollten, müssten laut Sarrazin auch die Bereitschaft mitbringen, die in Deutschland geltende „Leitkultur“ zu verinnerlichen. Darüber hinaus fordert Sarrazin ein wirksames Grenzregime, eine Beschleunigung der Asylverfahren auf eine Dauer von maximal 30 Tagen, eine konsequente Abschiebepraxis sowie ein Zurück beim Asyl-Artikel 16 des Grundgesetzes hin zum Grundsatz, der bei dessen Einführung galt. 

Von der deutschen Entwicklungshilfepolitik erwartet Sarrazin, dass Transferleistungen nur noch erfolgen sollen, wenn die betreffenden Herkunftsländer der „Schutzsuchenden“ bei deren Rückführung und deren Identitätsüberprüfung behilflich sind. Flüchtlinge, die mit Hilfe von Schleppern den Weg über das Mittelmeer wählen, sollen aufgelesen und an ihren Ausgangspunkt zurückgebracht werden – gegebenenfalls unter militärischem Schutz. Militärische Interventionen als Methode zur Bekämpfung von Fluchtursachen sieht Sarrazin allerdings sehr skeptisch: „Bei der Betrachtung aller militärischen Interventionen des Westens in Afrika und dem westlichen Asien über die vergangenen Jahrzehnte hinweg verspüre ich eine tiefe innere Spaltung. Möglicherweise hätte eine strikte Politik der Nicht-Intervention dazu geführt, dass Konflikte schneller ausbrennen und dass sich neue Machtstrukturen schneller etablieren, sodass es vielleicht sogar weniger Blutvergießen gegeben hätte.“

Alles in allem: Die Lektüre aller 480 Seiten von „Sarrazin Nummer 6“ samt der fast 700 Querverweise, Belege, Quellen usw. lohnt. Das Buch ist ein Feuerwerk an Fakten und Argumenten, die jeder braucht, der sich um dieses, das Land spaltende Thema kümmert oder der hier sachgerecht mitdiskutieren will. Hierfür ist das Buch sehr „hilfreich“.

 

Thilo Sarrazin: Der Staat an seinen Grenzen. Über Wirkung von Einwanderung in Geschichte und Gegenwart. München,Langen Müller, 480 Seiten, 31. August 2020

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giesemann gerhard / 31.08.2020

Migration heute bedeutet regelmäßig oder häufig Eindringen in Länder, die schon komplett überbevölkert sind, so wie DE. Es gibt nicht viele Länder, die noch dichter besiedelt sind als wir hier. Das ist historisch erst- und einmalig und somit sind frühere Wanderungen damit nicht vergleichbar. Hätten wir in DE eine Gesamtbevölkerung von ca. 40 Millionen, dann wäre unsere Bev.-dichte gleich groß wie die von FR oder PO gerade jetzt. Frankreich und Polen haben absolut keinen „vollständigen demographischen Zusammenbruch“, noch nicht einmal im Ansatz. Allein schon aus diesem Grunde ist Immigration zu uns ab zu lehnen – unabhängig sogar von der wichtigen Frage, WER denn da ankommt. Und uns auch noch bedroht. „Wir sind hier, wir werden immer mehr und wir beanspruchen DE für uns. Gewöhnt euch dran“, Hasnain Kazim, freier Journalist in Wien. Wir müssen wissen: Sie kommen nicht als Freunde. Boumedienne, in „gutezitate“, selber gucken. Daran kann und will ich mich nicht „gewöhnen“. Und dann die Show auch noch bezahlen.

m. neland / 31.08.2020

Eingewanderte Gewalt, eingewanderter Antisemitisme, eingewanderte Clanwirtschaft und Krankheiten, eingewanderte Minderintelligenz und Unkultur. Herr S. ist ein kluger Kopf und ein Verteidiger der christlich-abendländischen Wissens-und Kulturgesellschaft. Ein hervorragender Analytiker und Wissenschaftler, präzise und aufrichtig. Man darf gespannt sein auf sein neues Buch.

Frances Johnson / 31.08.2020

“Für die Legitimation des demokratischen Systems kann sie zu einer Überlebensfrage werden.” Eines demokratischen Systems, dessen Demontage wir möglicherweise gerade beiwohnen dürfen mittels einer für schwerkranke Ältere schweren Grippe. Desgleichen spricht der Parteiausschluss Sarrazins nicht gerade für ein robustes demokratisches System. Auch nicht das Aufblasen von Zahlen von Rechten durch Sarrazins ehemalige Parteigenossin Esken.

Michael Hinz / 31.08.2020

Es steckt kein einziger Politiker in der „Humanitarismus-Falle“. Nur ein ganzes (ehemaliges) Volk, dem von seinen Nomenklaturen der Krieg erklärt wurde. Tagesschau gestern und Aufmacher Bild und Funke-Medien heute lassen nur einen Schluss zu: es wird an einem deutschsprachigen Nordkorea gearbeitet. Allein das rasante Tempo überrascht mich noch.

Hartmut Laun / 31.08.2020

Wenn erst die anderen Länder, in der Hauptsache die in der EU,  langsam aber sicher zur Besinnung kommen und die Auswirkungen von Merkels “Wir schaffen das” in ihrem Land erleben und verkraften müssen - denn die Folgen von dem deutschen “Wir schaffen das” reichen weit über Deutschland hinaus -  dann wird Deutschland wieder einmal, zum dritten Mal,  als der große Zerstörer auf der Anklagebank sitzen.

aaron treppe / 31.08.2020

Kurz gesagt: Argumente zählen nichts mehr, und wenn einem absolut nichts mehr einfällt, träumt man sich sadistisch den qualvollen Tod des politischen Gegners herbei, wie es Mely Kijak und der liebe Deniz getan haben. Dass die das noch nicht mal ihren Job gekostet hat, während z.B. Thomas Fischer, weil er nicht zu 100% auf den Dietl Kreuzzug der Aufschreiweiber und ihrer Männchen, die auf anständiger Art nie eine Freundin finden würden, springen wollte, mit Schimpf und Schande von der Zeit rausgeschmissen wurde, ist bezeichnend und abstossend zugleich.  Die Politik und die Medien sind sich zu 100% siegessicher, was zählen Fakten, wir drehen das wie es uns gefällt, wie bei dem kriecherischen drängelnden Laschet, der jetzt plötzlich nach all dem Versagen, als der Staatsmann mit der ruhigen Hand präsentiert wird, dabei sieht jede,r dass er bestenfalls für die Rolle des zurückgebliebenen Bruders von Angela taugt, der zu lange an Pattex geschnüffelt hat. Alles egal, sie grinsen und gewinnen erneut, denn wir sind verloren, der Untergang der BRD ist beschlossene Sache.

Alexander Rostert / 31.08.2020

Das Thema, das wegen Corona aus den Schlagzeilen verdrängt wird (und das wohl auch werden soll) ist weniger die Migrationsbombe als vielmehr die Eurobombe, die seit zwölf Jahren tickt. Der Coronavirus kommt für die Mächtigen so exakt zur richtigen Zeit, um ein Narrativ um eine angeblich von einem Virus und nicht von einer verfehlten Währungspolitik verursachte Weltwirtschafts- und -finanzkrise aufzubauen, dass man fast auf die Idee kommen könnte, sein Auftreten sei bestellt worden.

Hagen Müller / 31.08.2020

Abgesehen davon, dass die BRD bereits *Erfahrungen* mit Einwanderung aus den Kriegsgebieten hatte, hätte man spätestens seit *Lampedusa* (2012), verursacht durch den Lybienkrieg/arabischen *Frühling*, auch in Syrien hatten Kampfhandlungen begonnen, die kommenden Ereignisse voraussehen können. Voraussehen MÜSSEN. Kanzlerin Merkel und anderen Verantwortlichen ist also nicht NUR der Vorwurf der Grenzöffnung am 05.09.15 zu machen, sondern auch der Vorwurf, durch jahrelanges NICHT- Handeln diese Situation selbst verursacht zu haben. //// Zur Entlastung der damals handelnden (nicht handelnden, falsch handelnden) Personen könnte man ggfs. mutmaßen, dass es dezitierte Absprachen mit der Türkei über den Abschluß des Syrienkrieges gegeben hat (man erinneren sich: Planungen für Syrien unter Einbindung von Islamisten wurden auch in D. durchgeführt, *Die Zeit*, 2012: “Das neue Syrien kommt aus Wilmersdorf”*, Assad war an allen Fronten auf dem Rückzug, es stand eine türkisch/saudi-arabische Intervention bevor), die durch den Einmarsch der Russen von deutscher/europäischer Seite nicht mehr eingehalten werden konnten und an die sich die Türkei, vllt. in Verbindung mit anderen Akteuren, dann auch nicht mehr gebunden fühlte und die Flüchtlingswelle rollen ließ bzw. sie zur Erzwingung bestimmter Handlungen der deutschen/europäischen Seite bereits in Gang gesetzt hatte. Aber auch falls das so oder ähnlich gewesen wäre, würde es ebenfalls nur die Unfähigkeit/ Unwilligkeit, gepaart mit Naivität der handelnden deutschen Politiker auf diplomatischem, militärischem und geopolitischem Gebiet dokumentieren. Ich persönlich gehe fest davon aus, dass dieser zweitgenannte Problemkreis maßgeblich war, aber nie kommuniziert wurde. 

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