Der begabte Monsieur Macron

Pastor, Offizier, Ergotherapeut, Kumpel, Agitator, väterlicher Lehrer: Die sprachlichen Fähigkeiten von Emmanuel Macron camouflieren seine Politik.

Von Marie Dufond.

Emmanuel Macron ist gut. Er ist sogar sehr gut. Gemeint sind hier gewiss nicht seine Entschlüsse oder eine Güte moralischer Art. Nein, die Rede ist von seinen sprechtechnischen und rhetorischen Mitteln. Emmanuel Macron hat Talent, und er ist vor allem sehr gut trainiert worden.

Emmanuel Macron kann fast alles: den Pastor, den Offizier, den Ergotherapeuten, den Kumpel, den Agitator, den väterlichen Lehrer. Und er kann in einer einzigen Rede alle Varianten ausspielen, es gelingt ihm sogar, in einem einzigen Satz drei Wechsel zu vollziehen, selbst in Interviews, die er ja weniger vorbereiten kann als seine Reden. Das verdient eine nähere professionelle Betrachtung.

Am wirksamsten ist Emmanuel Macron, wenn er Ungeheuerlichkeiten im sanften Stil eines Ergotherapeuten vorträgt. Dieser Stil definiert sich nicht nur auf der rein sprachlichen Ebene, sondern auch auf der prosodischen. Zentral ist dabei das Glissando um eine große Terz oder Quarte im letzten Wort des Satzes. Auch Sozialarbeiter und Eltern, die sich für einen Erziehungsstil im Sinne gewaltfreier Kommunikation entschieden haben, gestalten ihre Sätze so.

Ergotherapeut: „Lena-Sophie, nun sehe ich leider: Du hast du dich nicht an unsere Abmachung gehalten. Das finde ich wirklich schade.“

Emanuel Macron: „Mitbürgerinnen und Mitbürger, es haben sich zu viele nicht an das Gebot, zuhause zu bleiben, gehalten. Es bleibt uns daher nichts anderes übrig, als erneut einen Lockdown zu verhängen.“ Das französische Wort für Lockdown confinement stand in Macrons Satzkonstruktion am Ende. In der vorletzten Silbe ließ Macron seine Stimme bereits um einen Ganzton sinken und in der letzten „-ment“ dann um eine große Terz abwärts glissandieren. Das Glissando im Satz des Ergotherapeuten ist im [a:] von „schade“ unterzubringen, da schafft man durchaus auf Anhieb eine Quarte. Wer üben will: Es empfiehlt sich dazu in einer Mischung aus Strenge und vorgespieltem Bedauern dezent mit dem Kopf wackeln.

Wie ein Papa am Sandkastenrand

Während eines Interviews gab Macron den väterlicher Lehrer: „Monsieur, wenn Sie sich die Freiheit nehmen, sich nicht impfen zu lassen und mich dann infizieren, wo ist dann meine Freiheit?“

Wie ein Papa am Sandkastenrand: „Quentin, du möchtest doch auch nicht, dass dir Ben-Luca mit der Schaufel auf den Kopf haut!?!“

Unwichtig, ob Ben-Luca überhaupt Ambitionen hatte, Quentin mit der Schaufel auf den Kopf zu hauen und ob Quentin diese imaginierte Handlungsumkehr in seinem Alter überhaupt intellektuell erfasst. Ebenso unwichtig, dass ein geimpfter Präsident von diesem freiheitsliebenden, ungeimpften Bürger nichts zu befürchten hätte. Was zählt, ist die Performance! Merke: In der Rolle väterlicher Lehrer spielen die rhetorischen Mittel eine größere Rolle als die sprechtechnischen. Wer üben will: körpersprachlich bietet sich das Ausbreiten der Arme an, die leeren Handflächen dem Gesprächspartner zugedreht. Hier nicht übertreiben, ein Winkel von 45 Grad zum Becken ist ausreichend.

Am 12. Juli zeigte Emmanuel Macron in eben jener Fernsehansprache, in der er die Impfpflicht für einige Berufsgruppen ankündigte, im einleitenden Teil seiner Rede den Pastor: „[...] und Japan, stellen Sie sich vor, das sich auf die Ausrichtung der Olympischen Spiele vorbereitet, wird sie abhalten – ohne einen einzigen Zuschauer.“

Pastor: „Gedenken wir heute auch alle der Armen in dieser Welt, die, stellen Sie sich das einmal für Ihre Familie vor, täglich auskommen müssen – mit nur einer Schale Reis.“

Wichtig ist die hier durch den Gedankenstrich wiedergegebene kleine Pause vor „ohne einen einzigen Zuschauer.“ bzw. vor „mit nur einer Schale Reis.“ Wer üben will: Ergänzende Mittel sind ein Rallentando im Bereich der traurigen Kunde, kleine Zäsuren zwischen den Worten und das Herabgleiten der Stimme um mindestens eine Quinte während des letzten Teilsatzes. Wenn die mikrofontechnischen Bedingungen es zulassen, sollte ein dezentes Diminuendo nicht fehlen. Mimische und körpersprachliche Zurückhaltung und schon ist die Mischung aus Trauer, versteckter Anklage und der Mitgefühlsabpressung erreicht.

Macron wanzt sich an

Macron als Kumpel: In den letzten Wochen hat Macron viele kleine Videos für junge Leute aufgenommen. Er präsentiert sich dort im T-Shirt und hält sein Smartphone selbst. Er antwortet auf Fragen junger Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sie ihm auf TikTok gestellt haben, er hatte sie dazu aufgefordert. Emmanuel versucht sich im Setting und im Tonfall an die junge Generation anzunähern, ach, wozu der Pädagogensprech, Macron versucht sich an sie ranzuwanzen. Er performt zwischen Kumpel und Vertrauenslehrer, sein Subtext: „Ich bin ganz nah an euch dran, ich verstehe eure Sorgen wegen der Impfung, ich erklär's euch, habe ja Wissen und auch Lebenserfahrung, aber hey, keine Arroganz, ganz auf Augenhöhe.“ Im jeweiligen Bildhintergrund der Videos atmet alles Reichtum, Emmanuel im T-Shirt ist ja im Urlaub in einer Villa an der Côte d'Azur. Schwer zu beurteilen, ob dem Präsidenten tatsächlich Fragen von jungen Bürgern auf TikTok gestellt werden, einige Journalisten und Kommentatoren zweifeln das an und Macrons Beliebtheit ist in den Umfragen seither auch nicht gestiegen. Ebenso unklar bleibt, ob der Präsident mit diesen Videos junge Menschen von der Sinnhaftigkeit, Notwendigkeit und Unbedenklichkeit dieser Impfung überzeugen kann.

So weit eine nähere Beschreibung einiger ausgewählter Techniken des Emmanuel Macron. Wer sich dafür interessiert, welche Rückschlüsse man aufgrund seiner rhetorischen und sprechtechnischen Virtuosität auf seine Psyche ziehen könnte, sei auf den Psychiater und Psychotherapeuten Adriano Segatori verwiesen, der 2017 ein kleines Psychogramm von Emmanuel Macron auf Youtube veröffentlichte. 

Stänkern kann Emmanuel Macron natürlich auch: nach den Regionalwahlen Ende Juni 2021 hatte er die äußerst geringe Wahlbeteiligung von 30 Prozent damit erklärt, dass die Franzosen sonntags, anstatt wählen zu gehen, offensichtlich vorziehen, an den Strand zu gehen. Und nun ziehen die Franzosen vor, mitten in den Ferienmonaten Juli und August allsamstäglich zu demonstrieren.

Einmal Nachdenken und zurück bitte.

 

Marie Dufond lebt nach 27 Jahren in Süddeutschland, fünf Jahren in der Schweiz und 14 Jahren in Norddeutschland seit Februar 2020 in Südfrankreich. Sie ist studierte Expertin für Kommunikation, Stimme und Sprache.

Foto: SuperikonoskopCC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Silas Loy / 30.08.2021

Der Kerl ist vom Scheitel bis zur Sohle ein Marketingprodukt. Das riecht man noch über 100 Meilen gegen den Wind in Deutschland. Schon als er plötzlich mit seiner “Bewegung” auf der Medienbühne erschien war das alles nur Reklame. Gleichzeitig wurde der aussichtsreiche Kandidat der Republikaner, Francois Fillon, von einer willigen französischen Justiz plattgemacht. Und was die Wahlbeteiligung angeht: die Abgeordneten der Nationalversammlung haben nur etwa 48% der Wahlberechtigten gewählt, sie hat also nicht mal als Ganzes noch die Mehrheit der Franzosen hinter sich. Macron ist ein Marketingclown, kein Politiker, und seine En-Marsche-Mandatsträger:innen sind die dazu passeneden Laiendarsteller. Die echte Politik findet in Frankreich wohl wieder mal auf der Strasse statt, ob Gelbwesten, Dance Encore oder Impfkritiker. Bon chance!

H.Milde / 30.08.2021

@Bernd Meyer. Jo, fragen sollte man ihn schon, aber auch hinsichtlich seiner von ihm selbst lyrisch in “Der große Basar” beschriebenen “besonderen Nähe” zu Kindern, als er noch in Frankfurt/M in den sog. Kinderläden “wirkte”, und ob auch strafbare Handlungen an schutzbefohlenen Kindern dort vorgenommen wurden? Auch andere “Grüne”, wollen anscheinend immer noch Pädosexualkriminalität “legalisieren”, einschließlich erzwungener Kinderehen von hierlebenden kulterdiversen Gesellschaften….. Ganz aktuell: -> Jung"Grüner” aus Brandenburg, also der Wahlkreis der Bundeskanzlerinnenkandidierenden Plagalena herself, der einem Minderjährigen sog. “DickPics” zugesendet hat, im Darknet… Schon länger her aber auch ein ever"green”: -> Was war/ist mit den >900 Kinder-Opfern der “Odenwaldschule” ´66-98 die wohl engste Kontakte zu den Spitzen-Grünen hatte, oder “Grüne”/AL Berlin wo in den 80-90er > 1000 Kinder-Opfer an Pädosexualkriminelle ausgeliefert gewesen sein sollen?

H.Milde / 30.08.2021

Bei diesem Musterschüler hingegen scheint der WEF/Schwab das G€ld für die Rhethorikkurse von Young Global Leader/Shaper wohl dahingehend nicht ganz umsonst ausgegeben zu haben, im Gegensatz zu Plappalena, oder gar #? Aber der Sinn und Antrieb ist wohl der gleiche bei allen iS: Knechtschaft ist Freiheit, Besitzlosigkeit ist Reichtum, Bevormundung ist Demokratie, solidarischer Sozialismus ist Selbstverwirklichung und Krankheit ist Gesundheit….. So beschrieb es einst Shakespeare: “Fair is foul, and foul is fair!” Was für ein Abyssos..

Sabine Lotus / 30.08.2021

Liebe Fr@u Maack, an genau diesem Thema scheiden sich dann die Geister. Ist das, was Sie dort berechtigterweise beschreiben, wirklich eine Ausbildung? Bisken Geschichte, bisken Rhetorik und fertig ist der Schwabenhansel? Oder geht es nicht vielmehr um das Erlernen der menschlich, psychologischen Schwächen, in die man dann mit dem staatstragenden Sabbelblabbel, unter voller Unterstützung der ‘gut befreundeten Medien und Impfluenzer’  volles Rohr hineinschießen kann? Ja, sicherlich haben Sie recht. Auch das ist eine Ausbildung. Fragt sich nur in was…

Michael Hinz / 30.08.2021

@Ludwig Luhmann - verwandt mit Niklas? Jedenfalls alles auf den Punkt gebracht. Daß die Franzosen auf diesen Schmiermichel reingefallen sind ist unfassbar. Der ganze postmoderne Strukturalismus war für die Katz. Jetzt haben sie mehr zu ‚dekonstruieren‘ als je zuvor. En marche.

Sabine Schönfelder / 30.08.2021

Macron: „Monsieur, wenn Sie sich die Freiheit nehmen, sich nicht impfen zu lassen und mich dann infizieren, wo ist dann meine Freiheit?“ Nachhilfe in Demokratie:  DEINE Freiheit besteht darin, Dich selbst zu impfen, wenn DU DIR wegen einer Erkältung in die Hosen machst, Du kleine ´Mac(k)e ˋ du. Welch häßliche Variante einer menschlichen Ausprägung. Klein, ehrgeizig, verschlagen, skrupellos. Ein eitler Egoist und selbstverliebter Sadist. Die regelmäßige Lüge und professionelle Täuschung gehören ebenso in sein Instrumentarium als Handlanger des internationalen Megakapitals, wie sämtliche psychologischen Werbestrategien zur Massenmanipulation. Ein kleines Frettchengesicht, unsympathisch mit der Geschmeidigkeit des ´flottˋ gekleideten engagierten Jungmanagers, versprüht und presst er während seiner Reden unappetitlich eklig gerne Speichel durch seine kleine häßliche Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen. Bäh! Häßlich ist überhaupt die Vokabel, die jeder psychisch gesunde Mensch bei Klein- Emmá  assoziert. Häßlich ist seine falsche, eintrainierte Mimik und sein affektiert gestraffter Knabenkörper, der beim Betrachter Dynamik und Größe suggerieren soll. Häßlich ist seine ewig verlogene Hinhalte-Taktik gegenüber dem Volk, der Impfzwang zur Destabilisierung der „französischen“ Gesundheit zugunsten der Pharmaindustrie und der QR-ID. Häßlich ist seine Bigotterie, indem er angeblich Armut bekämpft, während er sie durch finanzielle Abhängigkeiten bewußt vergrößert. Häßlich ist sein Faible für Luxus und High Society, während er die französische Seele planvoll zerstört, indem er die einheimische Bistro- und Restaurantkultur mit pseudopandemischen Maßnahmen in die Knie zwingt. Er ist ein kleiner räudiger Hund, gesponsert von globalen Wirtschaftsinteressen, um Frankreich zu schaden, zu knechten, und um die legendäre Résistance der Franzosen zu brechen. Schmeißt ihn aus dem Land, liebe Nachbarn, aber nicht in unsere Richtung. Wir haben bereits eine Abrißbirne!

Belo Zibé / 30.08.2021

Wunderbare Beobachtungen! Habe gerade die sozialtherapeutische Terz und Quarte in Schade ausprobiert. Anzumerken wäre vielleicht, dass es zwingend eine Glissando Dur-Terz sein muss. Eine Moll-Terz transportiert nämlich mangelnde Willensstärke , Zweifel und Kraftlosigkeit. Die reine Quarte ist penetrant , zum Tritonus gesteigert sogar noch schlimmer. Allen drei gängigen Varianten ist gemeinsam, dass sie mich aggressiv machen und ich wie Quentin gerne eine Schaufel in der Hand hätte und…..

Arne Borg / 30.08.2021

Die deutsche Variante heißt Söder.

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