Archi W. Bechlenberg / 08.05.2016 / 06:30 / Foto: Eva Rinaldi / 0 / Seite ausdrucken

Das Anti-Depressivum zum Sonntag: In der Hölle ist der Teufel los

Ob Sie, liebe Leser, wohl eine Vorstellung davon haben, welcher nahezu übermenschlichen Anstrengung es bedarf, in diesen unseren Zeiten Sonntag für Sonntag eine Kolumne abzuliefern, in der es um die heiteren, kultivierten, aufgeklärten, positiven Seiten des Daseins geht? Können Sie ermessen, wie sehr mir manchmal die Finger bluten, wenn ich ganze, bereits eingetippte Passagen wieder lösche (da alles andere als antidepressiv), in denen sich meine Wut und Abscheu über die grenzenlose Dummheit, Dreistigkeit und Verantwortungslosigkeit Bahn bricht, mit der die Erosion des einst aufgeklärten Europa vorangetrieben wird?

Aber einer muss den Job ja hier machen, und trotz all dem, was einem tagtäglich an Hirntotem vor die Augen kommt und jegliche Heiterkeit zu pulverisieren droht, liebe ich ihn innig. Das verdanke ich vor allem den großartigen Schreibern auf der Achse, die in ihren eigenen Texten alles das zum Ausdruck bringen, was auch mir auf dem Herzen liegt, was ich aber so für mich behalten kann.

„Wahn! Wahn! Überall Wahn!"

Es spricht nichts gegen Wahnsinn, soweit dieser künstlerisch-kreativ genutzt und umgesetzt wird und sich nicht in politischem Handeln manifestiert. Von Hans Sachs mit Wagnerischem Pathos besungen („Wahn! Wahn! / Überall Wahn! / Wohin ich forschend blick / in Stadt- und Weltchronik“)   hat Wahn nun einmal eine ganz andere Qualität, als von der Kanzlerin und ihren Satrapen inklusive der so genannten Opposition praktiziert. Und wenn ein Film in einer fast zehnminütigen, atemlosen Anfangssequenz alles, wirklich alles an Chaos zusammenbringt, was man sich nur dann ausdenken kann, wenn man – eine heutzutage gerne benutzte Floskel - „etwas geraucht hat“, dann ist das so saukomisch, dass, in Bezug auf den Unterhaltungswert, keine Kappen-, pardon, Kabinettsitzung in Berlin mithalten kann. Auch ahnt man bei einem solchen Film, dass er, im Gegensatz zu seinem politischen Pendant, gut ausgehen wird.

Zwei in Europa kaum bis gar nicht bekannte Komiker namens Ole Olsen und Chic Johnson stecken hinter dem 1943 gedrehtenHellzapoppin'“, der auf Deutsch den durchaus passenden Titel „In der Hölle ist der Teufel los“ trägt. Dort, in der Hölle, spielt denn auch der atemlose Anfang dieser 84 Minuten langen Tour de Force durch sämtliche Albernheiten, zu denen man in Hollywood fähig war, wenn man etwas geraucht hatte. Was man den Drehbuchautoren Nat Perrin und Warren Wilson bescheinigen dürfte, ohne ihnen damit zu nahe zu treten.

Ole und Chic landen per Taxi in der Hölle, weil Ole, anscheinend etwas reizbarer und impulsiver als sein Kumpel, zum Fahrer sagte, er solle „zur Hölle fahren“. Dort erwarten in einem wahren Feuer- und Glutinferno zahllose, mit Dreizackgabeln, Papphörnchen, knackigen Hosen und diabolischen Bärten ausgestattete Teufel alle Neuankömmlinge. Frauen drehen sich an Grillspießen, Männer werden in übergroße Konservendosen gepackt und aus allen Ecken und Enden entwickeln sich schräge Miniszenen.

Kein Quadratzentimeter Zelluloid, auf dem sich nicht etwas Verrücktes abspielt

Kein Quadratzentimeter Zelluloid, auf dem sich nicht etwas Verrücktes abspielt, und auch wenn der Film nach dem furiosen Auftakt später etwas zur Ruhe kommt, ist das nur eine trügerische. Dafür sorgt schon das Personal auf, hinter und vor der Leinwand: Ja genau, auch vor, die Zuschauer kommen nämlich auch nicht ganz passiv bleibend vor. Und dann stellt sich auch noch heraus, dass wir einem Film im Film im Film beiwohnen, der auch schon mal zurückgespult wird oder plötzlich angehalten, weil, wie eine Durchsage erklärt, ein gewisser Stinky Miller zu Hause erwartet wird. Und ehe Stinky Miller nicht den Saal verlassen hat, geht es nicht weiter.

Die Filmemacher waren sich der surrealen Qualitäten ihres 1941 entstandenen Streifens durch und durch bewusst, was sein Hinweis im Vorspann zu erkennen gibt: „Jegliche Ähnlichkeit zwischen Hellzapoppin' und einem Kinofilm ist reiner Zufall.“

Die Darsteller sind allesamt von unglaublich komischer Güte; Ole und Chic sind in diesem Panoptikum noch die farblosesten. Shemp Howard als Louie der Filmvorführer, Mischa Auer als falscher russischer Prinz Peppi oder Hugh Herbert als Geheimdetektiv überzeugen alleine schon rein durch ihr Äußeres (wovon die Angebetete des Operateurs Louie besonders viel besitzt), und die sensationell schräge Martha Raye, in Hollywood einst „The Big Mouth" genannt, rundet den Film mit ihrer enormeln Leinwandpräsenz ab. Wenn Martha Raye im wirklichen Leben auch nur annähernd so war wie in Hellzapoppin', versteht man, wieso sie sieben Mal verheiratet war. Ob man auch die Männer versteht, ist eine andere Frage.

Abgerundet – sofern man dem Film das Attribut „abgerundet“ zubilligen kann – wird das Ganze durch die schmissige Musik von Don Raye, Gene De Paul und Frank Skinner, die unter anderem vom legendären Jazzduo Slim & Slam sowie Startrompeter Rex Steward interpretiert wird, darunter eine atemberaubende Lindy-Hop-Tanznummer. Am Ende des wahnsinnigen Streifens will sein Regisseur (zur Erinnerung: wir sind in einem Film im Film im Film) den Autor des Drehbuchs erschießen, doch der hat schon mit so etwas gerechnet und trägt eine schusssichere Weste. Naja, nicht ganz schusssicher...

In der Hölle ist der Teufel los ist das perfekte Antidot zu In Deutschland ist der Teufel los, auch wenn es leider nicht so nachhaltig wirkt, wie es nötig wäre. Da im Film so viel passiert und es keine ruhige Minute zum Verschnaufen gibt, lässt sich der Film locker gleich zweimal hintereinander anschauen. Und immer und immer wieder. Es gibt ihn für kleines Geld in sehr guter Bildqualität auf DVD, zudem erfreulich adäquat auf deutsch synchronisiert. Tun Sie sich bitte nicht im Internet zu findenden Ausschnitte an, sie sind von grausiger Augenfeindlichkeit. Machen Sie sich einen  schönen Filmabend zuhause. Bitte beherzigen Sie aber vor dem Ansehen einen Rat, den ich vor vielen Jahren im Lexikon des Science Fiction Films von  Ronald M. Hahn und Volker Jansen fand (wenn auch zu einem ganz anderen Film): „Nur mit absolut dichter Gummihose ansehen!“

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com