Es lebe das Internet! Für die alten Schleusenwärter des Informationsflusses wird es zusehends schwieriger, den Bürgern Tatsachen vorzuenthalten. Gestern hatten wir besonders viel Freude am weltweiten Datennetz, denn ein netter Kollege machte uns auf eine ganz besondere Website aufmerksam. Sie heißt http://www.farmsubsidy.org und leistet einen wertvollen Beitrag zu mehr Transparenz in der EU. Wenn Sie wissen wollen, wohin ein beträchtlicher Teil ihrer Steuern fliest, klicken Sie mal dorthin.
Angesichts der Griechenlandkrise, diverser Bankenrettungen und leerer Haushaltskassen genießt das Thema Subventionen derzeit erfreulich viel Aufmerksamkeit. Leider bewirken die gewaltigen Geldsummen, mit denen verschwenderischen Regierungen und privaten Hasardeuren aus der Patsche geholfen wird, zweierlei: Erstens gewöhnt mach sich an große Summen, die angeblich nötig sind um den Schwund noch größerer Summen zu verhindern. Und zweites geraten die alltäglichen Geschenke, welche die EU und die einzelnen Regierungen an diverse Interessengruppen verteilen aus dem Blickfeld. Zum Beispiel die 55 Milliarden Euro (40 Prozent des EU Haushaltes), die alljährlich in den Agrarsektor gepumpt werden.
Damit das nicht so bleibt, hat ein Team um den britischen Journalisten Jack Thurston die Website eröffnet, die dokumentiert, wohin das Geld geht. Es geht natürlich nicht an das kleine Milchbäuerlein, mit dessen hartem Dasein gerechtfertigt wird, dass jeder Deutsche durchschnittlich 132 Euro im Jahr für Agrarsubventionen abgenommen bekommt. Deutscher Nehmer Nummer eins ist die Fleischwerk EDEKA Nord GmbH, die über 18,8 Millionen Euro erhält. Nummer zwei ist die Hamburger Molke-Verarbeitungsfirma Wheyco GmbH (13,9 Millionen). Drittgrößter deutsche EU-Knete-Empfänger ist das Land Schleswig-Holstein: ein kaum bekannter Solidaritätszuschlag Nord.
Hierzulande gibt es EU-weit die meisten Agrarsubventionsmillionäre: 268 Empfänger erhalten mehr als eine Million Euro. Da bleibt für den kleinen Milchbauern auf der schwäbischen Alb nicht mehr viel übrig. Große Landbesitzer, die Zucker- und die Milchindustrie sind die seligsten Nehmer.
Thurston und seine Freunde stießen beim Durchforsten der nationalen Berichte auf jede Menge seltsamer Empfänger, darunter einen Billardclub und einen Akkordeonverein, die angeblich förderungswürdige Vertreter der europäischen Bauernschaft sind. Nett auch, dass sich in Bulgarien die Geld verteilende Behörde selbst einen großen Happen vom Kuchen genehmigt, darunter 700 000 Euro für die Tochter des früheren stellvertretenden Landwirtschaftministers.
In Sachen Transparenz liegt Deutschland auf einem der mittleren Plätze. Zu denen, die am heftigsten verschleiern wohin die Subventionen fließen, zählt - wir ahnten es – Griechenland. Die griechische Empfängerliste war sehr unzugänglich, kritisiert Thurston. Und sie enthielt Rechenfehler.
Erschienen in DIE WELT am 07.05.2010