In Berlin war letzte Woche herrliches Wetter und es gibt keinen besseren Platz, das Zerbröckeln der Welt zu beobachten, als die Terrasse des Restaurants Dressler Unter den Linden. Berlin ist eine der coolsten Städte der Welt, ein aufregender Marktplatz für junge Künstler. Es ist aber auch das Antlitz der wirtschaftlichen Zukunft. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland sank von 11% im Jahre 2006 auf 6,8% im April diesen Jahres, wobei die große Rezession von 2008 kaum Spuren hinterließ. Im Gegensatz dazu lag die Arbeitslosenquote in Spanien 2006 gerade mal bei 8%. Jetzt beträgt sie 25%. Spanien läuft Gefahr, gleich nach Griechenland zahlungsunfähig zu werden, aber die Deutschen interessiert das nicht wirklich. Deutschlands Exportzuwächse der letzten zehn Jahre stützten sich auf Asien, nicht auf Südeuropa.
Man kann eigentlich kaum von einer europäischen Wirtschaft reden, wenn sich die Basisindikatoren in den unterschiedlichen Ländern in die entgegengesetzte Richtung bewegen.
Deutschland wird die europäische Krise unbeschadet überstehen. Bisher hat Deutschland von einer Krise kaum etwas bemerkt. Die Immobilienpreise in Berlin steigen drastisch. Mir wurde gesagt, dass Griechen und Italiener mit Koffern voller Geld einfliegen, um in einen der wenigen Immobilienmärkte zu investieren, die während der Spekulationsblase keine Wertsteigerungen zu verzeichnen hatten. Noch wichtiger: die cleversten Griechen und Spanier sehen sich nach Arbeit in Deutschland um. Das Arbeitskräfte-Reservoir in Deutschland ist dabei, schnell zu schrumpfen, aber es wird Facharbeiter und Fachleute aus dem labilen Süden aufnehmen.
Auf dem Papier sollte die deutsche Wirtschaft irgendwann zwischen heute und 2050 zusammenbrechen, da die Anzahl der Deutschen im Alter zwischen 15 und 59 von 50 Millionen heute auf 33 Millionen fällt. Das ist fast genau so schlimm, wie der Bevölkerungsrückgang während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648), der weite Teile deutschen Territoriums entvölkerte. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (1620-1688) löste das Problem, indem er französische Protestanten einlud, die nach Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 in großer Zahl nach Preußen emigrierten, ebenso wie Slawen, Juden oder wer auch sonst immer wollte. Deutsch war im Berlin Friedrichs des Großen eine Minderheitensprache und wird wohl in zwanzig Jahren wieder eine solche werden.
Warum soll Deutschland gedeihen, während Spanien zusammenbricht? Das ist wie wenn man fragt, warum Facebook so viel wert ist und Myspace gar nichts. In dieser Welt bekommt der Sieger alles. Länder, denen es gut geht, müssen ein paar Sachen besonders gut machen. Deutschland macht weltweit die besten Werkzeugmaschinen, seine Schwermaschinen gehören zu den besten und von den Autos brauchen wir gar nicht erst reden. Die deutschen Hersteller dominieren zahllose wichtige Marktsegmente. Die Spanier machen nichts gut. Schon seit sie ihre Fertigung im 16. Jahrhundert nach Flandern auslagerten, machen sie nichts gut. Deutschland verfügt über jede Menge Herstellermarken und hunderte weniger bekannte Qualitätshersteller, zu denen mein Liebling, die Howaldtswerke gehören, eine Tochter von ThyssenKrupp, die für Israel U-Boote der Dolphin-Klasse bauen. Nennen Sie eine spanische Herstellermarke der Spitzenklasse. Es gibt keine.
So ist es nicht nur bei der Fertigung. Mit seinen 82 Millionen Menschen hat Deutschland bisher insgesamt 1.618 Olympia-Medaillen gewonnen. Spanien hat 50 Millionen Einwohner aber nur 115 Medaillen. Auf Pro-Kopf-Basis ist das ein Achtel. Spanier wachen nicht morgens auf und wollen hinausgehen, um auf irgendeinem Gebiet der Weltbeste zu werden.
Es gibt hunderte erstklassiger italienischer Firmen, von denen die meisten klein sind (mit Absicht, um unter dem Radar der Steuern zu bleiben) und es gibt eine Vielzahl französischer Weltklasseprodukte. Spanien ist eine Niete und wird von daher mit ziemlicher Sicherheit Pleite gehen. Das Land lebte die letzten zehn Jahre von einer der größten Immobilienblasen der Welt und jetzt, wo die Blase geplatzt ist, gibt es für die spanische Wirtschaft kaum noch Alternativen. Natürlich gibt es viele tüchtige Spanier. Das sind die, die dann für die Deutschen arbeiten. Es gibt auch viele tüchtige Türken, und wenn die Türkei weiter in den Islamismus taumelt, werden die besten türkischen Ingenieure abspringen und ebenfalls in Deutschland arbeiten.
In einer „winner-take-all”-Welt kann man gut davon leben, auf irgend einem Gebiet der Beste zu sein, man kann schlecht davon leben, generische Produkte billig zu produzieren. Südkorea hat sich für den ersten Weg zum Erfolg entschieden. Kein Volk ist mehr davon durchdrungen, die Besten sein zu wollen. Die nationale Besessenheit mit olympischen Erfolgen und die stürmische Begeisterung für Sportler wie die Eiskunstläuferin Kim Yu-na werden begleitet von dem Aufstieg Koreas in solchen wichtigen Marktsegmenten wie Smartphones. Es gibt viele Gebiete, auf denen man der weltweit Beste werden kann und daher kann jedes Land versuchen, auf einem Gebiet Bester zu werden. Aber man muss Bester werden wollen. Ich leide nicht an Hispanophobie. Spanien kann den besten Dichter des 20. Jahrhunderts vorweisen (Federico Garcia Lorca) und unbestritten den besten klassischen Musiker (Pablo Casals). Aber es ist leider eine Tatsache, dass die Weltwirtschaft Spanien nicht vermissen würde, wenn das Land morgen in den Atlantik stürzte.
Es gibt einen anderen Weg, sich dem Wettbewerb zu stellen, und der geht über die Produktion mittelmäßiger Produkte zu niedrigen Preisen. Das Problem ist, dass die labilen Griechen, Spanier und Italiener das Euro-System dazu nutzten, um sich auf Pump mehr zu bezahlen, als sie Wert sind. Es ist beachtenswert, dass die Lohnstückkosten in Deutschland seit 2000 praktisch unverändert blieben. Die von der vorigen, sozialdemokratisch Regierung unter Gerhard Schröder eingeleiteten Reformen des Arbeitsrechts schränkten die Macht der Gewerkschaften ein und eliminierten die Anreize für die Deutschen, auf Dauer von der Sozialhilfe zu leben. Die Löhne blieben maßvoll und die Produktivität wuchs. Die Lohnstückkosten in Griechenland wuchsen im selben Zeitraum um fast 40%, in Italien und Spanien um 30%. Lohnkürzungen in gleicher Höhe würden Griechenland, Italien und Spanien die Chance verschaffen, mit den Deutschen in Wettbewerb zu treten. Aber diese Argumentation lässt sich schlecht verkaufen.
Glauben Sie den Berichten nicht, die einen neuen Finanz-Crash im Lehman-Stil vorhersagen. Was passieren wird, ist deutlich undramatischer. 2008 wusste niemand, wie man die Verbindlichkeiten der Wall Street bewertet (beispielsweise die famosen Garantien von AIG auf Subprime-Papiere). Mittlerweile kennt jeder den Umfang des Problems. Es geht jetzt nur um Verhandlungen darüber, wer über die Klinge springen muss. Und im Ergebnis werden das auf die eine oder andere Weise die Südeuropäer sein.
Spanien wird wahrscheinlich rund 20% seines BSPs für die Rettung seiner bankrotten Banken aufwenden müssen. Eine richtige Rettung wird das nicht sein: die 85 Milliarden Dollar an nachrangigen Verbindlichkeiten der Banken — zwei Drittel davon werden von Einzelpersonen gehalten — lösen sich in Luft auf, so dass die Spanier einen Großteil ihrer Ersparnisse verlieren werden. Wenn Spanien seine Schuldenrückzahlungen an Kreditgeber wie Griechenland reduziert, führt das dazu, dass andere europäische Banken (hauptsächlich französische) zum Trocknen aufgehängt werden, wie gerade die spanischen Banken. Ihre nachrangigen Verbindlichkeiten lösen sich in Luft auf und Franzosen verlieren den Großteil ihrer Ersparnisse. Eine Finanzkrise lässt sich leicht beheben, wenn man den Schaden auf Einzelpersonen, Versicherungsunternehmen und Pensionskassen abwälzen kann. Viele Europäer werden verarmen, und zwar schnell. Und die Chinesen oder die Deutschen oder die Kanadier oder wer sonst noch Geld übrig hat, werden kommen und die Banken rekapitalisieren. Die Deutschen bleiben auf einem Haufen Darlehen an die Europäische Zentralbank sitzen. Sie werden damit leben.
Das Schlimmste wäre, wenn noch mehr öffentliche Gelder in korrupte und uneffiziente Wirtschaften gepumpt würden, um deren Versagen zu subventionieren, wie das Präsident Obama letzte Woche auf dem G8-Gipfel vorgeschlagen hat. Reformen können helfen! Einige meiner konservativen Kollegen scheinen zu glauben, dass man durch Verstreuen von angebotsseitigem Elfenstaub über die Club Med-Wirtschaften diesen wieder zu einem kräftigem Wachstum verhelfen könnte. Tatsächlich würden jedoch Arbeitsmarktreformen Wunder wirken in Italien, das eine sehr niedrige private Verschuldung, ein großes öffentliches Vermögen und viele starke Bereiche aufweist. Im allgemeinen haben sich diese Wirtschaften den ihnen bevorstehenden unangenehmen Weckruf selbst verdient. Das Problem mit den Südeuropäern besteht darin, dass sie auf einer Kombination aus familiärem Amoralismus und Abhängigkeit vom Staat insistieren: jeder betrachtet den Staat als seinen Feind, wenn es ums Steuerzahlen geht, beharrt aber auf staatlichen Zuwendungen und Schutz durch den Staat. Im Falle Spaniens kann man wie ein Einheimischer dem Touristen sagen, dass dieser Weg nicht begehbar ist. (Portugal ist eine Ausnahme. Die stoischen Portugiesen arbeiten hart und zahlen ihre Steuern, wodurch das kleine Land bessere Chancen hat als Spanien.)
Spanien kann den Amerikanern als Schreckensbeispiel dienen. Wenn wir den Amerikanern keine Möglichkeit lassen, ihre Träume zu verwirklichen, Bester der Welt zu sein, den Ball aus dem Park zu schlagen, das Gold zu suchen, werden wir als Nation versagen. In einer „winner-take-all”-Welt beißen den Letzten die Hunde. Wenn wir Gewinner bestrafen, stellen wir sicher, dass alle von uns erfolglos bleiben. Spanien zeigt, wie schnell ein scheinbar blühendes Land aus den Fugen geraten kann, wenn der unternehmerische Motor ausfällt. Wenn wir den unternehmerfeindlichsten Präsidenten der amerikanischen Geschichte nicht loswerden, wird es bei uns nicht wie in Europa ausschauen, sondern wie in Spanien.
PJ Media, 28 Mai 2012
Übersetzung aus dem Englischen von Herbert Blaha