Aus der Süddeutsche Zeitung vom 6. Februar 2007:
Der Schmock schlägt zurück
Was ein Schmock ist, lässt sich von Fall zu Fall unterschiedlich übersetzen. Die einen behaupten, dieser jiddische Begriff bedeute nichts anderes als “Arschloch”, Wikipedia umschreibt ihn mit “ungeschickter Tölpel”, im Duden ist die Rede von “gesinnungsloser Zeitungsschreiber”. Wie auch immer: Schmock genannt zu werden, ist nicht schmeichelhaft.
Unter diesem Vorzeichen ließen gestern der in Toronto lehrende jüdischen Soziologieprofessor Y. Michal Bodemann und der Spiegel-Autor Henryk M. Broder durch ihre Anwälte vor dem Landgericht München I streiten. Broder hatte Bodemann auf seiner Internet-Homepage als “Schmock der Woche” bezeichnet.
Im SZ-Feuilleton hatte Bodemann Ende 2004 unter der Überschrift “Unter Verdacht” einen Artikel über “Parallelgesellschaften und Anti-Islamismus” geschrieben. Darüber hatte sich Broder dermaßen echauffiert, dass ihm Formulierungen über den “[gelöscht]” und “[gelöscht]” nur so aus der Feder flossen, die Rede war vom “[gelöscht]” und “[gelöscht]”, der so [gelöscht] sei, “dass verglichen mit ihm ein [gelöscht] noch als [gelöscht] durchgehen könnte”. Unsinn zu reden und zu schreiben, sei ja schon immer das Privileg deutscher Professoren gewesen, aber keiner sei in der letzten Zeit so weit gegangen wie Y. Michal Bodemann - “der nächste Schmock der Woche wird es schwer haben, sich gegen ihn zu behaupten”, schloss der Broder-Aufsatz. Denn der Professor aus Kanada sei “der Megaschmock des Jahres”. Ziemlich starker Tobak, vor allem wenn man bedenkt, dass Bodemann und Broder mal Freunde waren.
Nun wurde bereits in einem früheren Verfahren gerichtlich verfügt, dass Broder derartige Beleidigungen zu unterlassen habe. Inzwischen hat sich der Spiegel-Mann außerdem verpflichtet, das Foto seines Lieblingsfeindes, das er gleichfalls nicht mehr auf der Homepage zeigen darf, nicht durch einen Teletubby zu ersetzen. Gestern wurde nun noch um “immateriellen Schadenersatz” gestritten, landläufig Schmerzensgeld genannt. Der Vorsitzende Richter der 9. Kammer meinte dazu, dass Broder - wie auch immer man zum Bodemann-Text stehe möge - Grenzen überschritten habe. Würde man das zulassen, gäbe es kein Halten mehr. Das müsse Broder spüren, meinte das Gericht. Da er den “Schmock” nicht in einem Boulevardblatt oder Nachrichtenmagazin verbreitet habe, sondern privat auf der Internetseite, schlug das Gericht einen Vergleich vor: 5000 Euro soll Broder zahlen, dann sei der Fall erledigt. Beide Seiten können noch bis zum 12. Februar darüber nachdenken.
Ekkehard Müller-Jentsch
PS: Broder, der sich zurzeit auf einer Lesetour im südlichen Grönland befindet, bestreitet, er sei jemals mit Bodemann befreundet gewesen.