Eran Yardeni
Ich kann nicht erklären, warum es so ist, aber auf mich wirken die Warnungen des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime vor einer „empfindlichen Störung des öffentlichen Friedens hierzulande“, wenn der Film „Die Unschuld der Muslime“ in Deutschland gezeigt wird, eher als eine Bedrohung denn als eine Warnung. Bedenklich aber ist vor allem der Versuch, die Pyramide auf den Kopf zu stellen.
Durch seine Warnungen erweckt der Zentralrat den Eindruck, dass der Film selbst, als wäre er ein lebendiger Organismus, den öffentlichen Frieden stört. Der Film ist wie ein zickiger Querulant, der nach Deutschland reist, um da die sonst ordentlichen, harmonischen und reibungslosen Beziehungen zwischen den unterschiedlichen ethnischen und religiösen Gruppen zu stören. Diese peinliche Filmproduktion enthält dämonische Eigenschaften, die junge Leute dazu verleiten, auf ihre Vernunft zu verzichten und wie Amokläufer die nächste amerikanische Botschaft zu überfallen. Warum aber ausgerechnet moslemische Jugendliche? Warum ausgerechnet westliche Einrichtungen? Ein unlösbares Rätsel.
Diese Denkweise und Erklärmuster sind uns wohl bekannt. Es geht um ein ziemlich effektiven Mechanismus von Täuschung und Selbsttäuschung. Das Hauptziel ist, die Verantwortung der moslemischen Gesellschaften für die hysterischen Ausbrüche ihrer Mitglieder der westlichen Welt oder irgendwelchen mit magischen Kräften aufgeladenen Objekten und Gegenständen zuzuschieben.
Schließlich sind es nicht die moslimischen Jugendliche, die für den Hass auf die Juden verantwortlich sind, sondern die Horror-Bilder in Al Jazeera. Und es waren natürlich die Mohammed-Karikaturen, die am 30. September 2005 in einer kleinen weltweit ziemlich belanglosen dänischen Zeitung veröffentlicht wurden, die damals die Ausschreitungen in der islamischen Welt verursachten und nicht eine kollektive hysterische Gesinnung von Millionen Moslimen, die nicht wirklich verstanden haben, weswegen überhaupt sie protestierten. Und selbstredend sind die Armut und die Unterdrückung in den arabischen Ländern nur durch die Selbstverwirklichung der zionistischen Bewegung zu erklären. Es ist immer der Andere, der daran Schuld hat, wenn alles schief geht.
Die jetzige Diskussion über die neuen Mohammed-Karikaturen, die am Mittwoch in dem französischen Satiremagazin „Charlie Hebdo“ veröffentlicht wurden, und vor allem die Art und Weise wie die französische Regierung darauf reagierte, als sie vor Provokationen warnte, zeigen uns, warum die „Er-ist-daran-Schuld-Methode“ so erfolgreich ist. Europa ist immer da, um die Verantwortung zu übernehmen, die die islamische Welt loswerden will.
Karikaturen und Filme können ohne menschliche Hilfe keinen öffentlichen Frieden stören. Auf YouTube kann man, wenn man will, alles finden. Von antisemitischer Propaganda, über antichristliche Inhalte bis hin zu antimuslemischen Hassfilmen. Die Frage ist, was man damit macht. Man kann es ignorieren, man kann dagegen demokratisch protestieren, man kann auch Botschaften stürmen und Botschafter töten. Die Antwort auf die Frage, welche Entscheidung man treffen soll, hat nichts mit den jeweiligen Inhalten zu tun, sondern nur mit der Fähigkeit des Menschen, seiner Vernunft zu gehorchen. Und Mangel an Vernunft ist der größte Feind des öffentlichen Friedens.