Michael Esfeld, Gastautor / 06.06.2021 / 15:00 / Foto: M.E / 10 / Seite ausdrucken

Die offene Gesellschaft und ihre neuen Feinde (2)

Von Michael Esfeld.

Es ist kein Zufall, dass es weitgehend dieselbe Gruppe von Experten und ihren Organisationen wie Akademien im Verbund mit einigen Politikern und manchen Wirtschaftsführern ist, welche Coronakrise und Klimakrise zum Anlass nehmen, uns von einer offenen in eine geschlossene Gesellschaft hineinzusteuern. Die Ausbreitung des Coronavirus soll offenbar als Generalprobe für Folgendes herhalten: Durch das gezielte Schüren von Angst, negative Externalitäten so umfassend zu definieren, dass jede Freiheitsausübung unter Generalverdacht steht, um dann eine Kontrolle der Freiheit durch von angeblichen Experten formulierte Bedingungen durchsetzen zu können.

Wieso geschieht das? Für viele Wissenschaftler und Intellektuelle ist es offenbar schwer einzugestehen, kein normatives Wissen zu haben, das die Steuerung der Gesellschaft ermöglicht. Sie erliegen der Versuchung, die bereits Popper bei den von ihm kritisierten Intellektuellen und Wissenschaftlern ausmachte. Für Politiker ist es wenig attraktiv, am besten nichts zu tun und das Leben der Menschen seinen Gang gehen zu lassen. Da kommt die Gelegenheit recht, altbekannte, aber in neuer Form auftretende Herausforderungen zu existenziellen Krisen hochzureden und Angst zu schüren mit pseudo-wissenschaftlichen Modellrechnungen, die in Katastrophen-Prognosen münden.

Dann können Wissenschaftler sich mit politischen Forderungen ins Rampenlicht stellen, denen durch den angeblichen Notstand keine rechtsstaatlichen Grenzen gesetzt sind. Politiker können durch wissenschaftliche Legitimation eine Macht erhalten, in das Leben der Menschen einzugreifen, die sie auf demokratischem, rechtsstaatlichem Wege nie erlangen könnten. Bereitwillig hinzu gesellen sich diejenigen wirtschaftlichen Akteure, die von dieser Politik profitieren und die Risiken ihrer Unternehmen auf den Steuerzahler abwälzen können.

Es gibt einzelne Wissenschaftler, Politiker und Wirtschaftsführer, die bereits bei vergangenen Virenausbrüchen wie der Schweinegrippe 2009 politische Zwangsmaßnahmen gefordert hatten. Diese Personen waren darauf vorbereitet, den nächstbesten Virusausbruch dafür zu nutzen, um ihre Pläne – aus aufrichtiger Überzeugung, Machtwillen oder Profitinteressen – durchzusetzen. Aber gerade die Wissenschaftstheorie Poppers lehrt uns, dass kein Individuum oder keine Gruppe von Individuen die Entwicklung der Gesellschaft mittels eines vorbereiteten Planes (einer „Verschwörung“) bestimmen kann. Es waren kontingente Umstände – wie vielleicht die Bilder aus Wuhan und Bergamo – verbunden mit Panikreaktionen, die dazu führten, dass diesmal diese Pläne in breiten Kreisen von Medien, Politikern und Wissenschaftlern Anklang fanden. Es bildete sich dann ein Trend aus, der immer mehr gesellschaftliche Akteure mit sich riss und dem man sich nur schwer entziehen konnte.

Parallelen zum Ablauf des 20. Jahrhunderts

Diese Situation ist gut mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs vergleichbar, der sich auch aus kontingenten Umständen im Juli 1914 entwickelt hatte. In der Tat besteht die Gefahr, dass sich die Geschichte des 20. im 21. Jahrhundert wiederholt: Der politische Umgang mit der Corona-Pandemie entspricht dem Ersten Weltkrieg. Forderungen einer radikalen Umwälzung der Gesellschaft wie „Zero Covid“ (und deren Pendant im Klimaaktivismus) entsprechen dem Bolschewismus. Gegen diese Forderungen und das Versagen der Eliten insgesamt formiert sich ein radikaler Rechtspopulismus, der sich zum zeitgenössischen Pendant des Faschismus entwickeln könnte.

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Zwangsmaßnahmen und das unbegrenzte Gelddrucken, um diese Folgen aufzufangen, könnten zu Inflation und schließlich einer Wirtschaftskrise führen wie am Ende der 1920er Jahre, in der die liberalen Kräfte in Kontinentaleuropa zwischen Bolschewismus und Faschismus zerrieben wurden. Es ist wichtig, sich dieser Gefahr bewusst zu sein, die Parallelen zum Ablauf des 20. Jahrhunderts zu erkennen und sich dem fatalen Trend, der sich im Umgang mit der Corona-Pandemie ausgebildet hat, entgegenzustellen.

Das Problem negativer Externalitäten und seine Lösung

Das Problem, das hier zutage tritt, ist ein altes. Es wohnt auch dem rein auf Schutz beschränkten Staat inne: Um jeden wirkungsvoll vor Gewalt zu schützen, müsste von jedem zu jeder Zeit der Aufenthaltsort nachweisbar sein; um die Gesundheit von jedem wirkungsvoll vor Ansteckung durch Viren zu schützen, müssten von jedem zu jeder Zeit die physischen Kontakte kontrollierbar sein. Das Problem ist die willkürliche Definition von negativen Externalitäten, gegen die auch der Liberalismus und sogar der Libertarianismus per se nicht gefeit sind. Denn es ist nicht klar, was eine negative Externalität ist und was nicht.

So kann man aus der Ausbreitung von Viren oder der Veränderung des Weltklimas negative Externalitäten ableiten, die letztlich in jeglichem Handeln von Menschen auftreten und die eine Reglementierung erfordern, sei es eine staatliche, sei es eine marktwirtschaftliche über die Ausweitung von Eigentumsrechten. Man könnte zum Beispiel jeder Person Eigentumsrechte an der sie umgebenden Luft zusprechen, so dass diese Luft nicht durch Viren belastet sein darf, die durch menschliche Körper verbreitet werden, oder bestimmte klimatische Bedingungen erfüllen muss, die durch menschliche Handlungen beeinflusst werden und so weiter.

Folglich ist der Gegensatz nicht der zwischen Staat und freien Märkten. In diesem Schema zu denken, greift zu kurz, um das zugrunde liegende Problem der willkürlichen Ausweitung negativer Externalitäten anzugehen. Die Kontrolle kann durch staatliche oder private Stellen erfolgen. Die Zertifikate, welche die Menschen reinwaschen und die Teilnahme am sozialen und wirtschaftlichen Leben ermöglichen, können von privaten oder staatlichen Stellen ausgegeben werden. Es kann Konkurrenz in Bezug auf sie und ihre konkrete Ausgestaltung geben. Das alles ist letztlich irrelevant. Der Punkt ist der Totalitarismus der allumfassenden Kontrolle, in den auch liberal angelegte Staats- und Gesellschaftsordnungen abgleiten können, wenn man es zulässt, negative Externalitäten so willkürlich zu definieren, dass am Ende jeder mit all seinem Handeln unter dem Generalverdacht steht, andere zu schädigen.

Ein transzendentales Argument

Dagegen kann man nur mit einem substanziellen Menschenbild angehen, das auf Freiheit und Menschenwürde basiert. Daraus ergeben sich Grundrechte, die in folgendem Sinne bedingungslos gelten: Ihre Geltung kann nicht einem höheren Ziel untergeordnet werden. Sie können nur ausgesetzt werden, wenn die Verteidigung der Existenz des Staates, der ihre Geltung durchsetzt, dieses erfordert, wie im Falle eines äußeren Angriffs. Das ist das Fundament der offenen Gesellschaft im Sinne Poppers, das, wie oben erwähnt, gelegt wird durch das Naturrecht, die Forderung der politischen Durchsetzung universeller Menschenrechte in der Aufklärung und so weiter.

Zu der offenen Gesellschaft gehört eine Wissenschaft, die ebenso offen ist in ihrer Forschung und Lehre wie die Gesellschaft, genauso wie Vertragsfreiheit und die mit ihr verbundene wirtschaftliche Freiheit. Letztere besteht aber nicht für sich allein, sondern nur auf dem genannten Fundament. Denn nur von diesem Fundament aus, das jedem unbedingt das Recht zur freien Lebensgestaltung zuspricht, kann man dann negative Externalitäten eingrenzen in Form konkreter und signifikanter Schädigungen der Freiheit anderer, welche dann in der Tat äußere Eingriffe in die Lebensführung von Personen rechtfertigen.

Noch einmal anders formuliert: Das Axiom ist die Freiheit jeder Person im Denken und Handeln; einen Menschen als Person anzuerkennen, heißt, ihm diese Freiheit zu gewähren und damit seine Würde zu respektieren. Damit ist das Recht verbunden, sein Leben selbst zu gestalten. Es gibt keinen moralischen Wert, der über dieser Würde steht und in Hinblick auf den es gerechtfertigt sein könnte, negative Externalitäten zu definieren, die das Handeln jedes Menschen unter den Generalverdacht der Schädigung anderer im Hinblick auf diesen Wert stellen (wie Gesundheitsschutz oder Klimaschutz).

In der Philosophie nennt man eine solche Überlegung ein transzendentales Argument, das a priori gilt. Empirisch, aus der Geschichte ebenso wie aus der Erfahrung, die wir zur Zeit wieder machen, ist zudem offensichtlich (wenn man nur hinschauen will), dass dann, wenn man diese Grundlage verlässt, stets großer Schaden für die allermeisten Menschen angerichtet wird und Nutzen nur für die Elite derjenigen, welche von den Bedingungen profitieren, die den Zutritt zur geschlossenen Gesellschaft regeln. Dieses empirische Argument ergänzt das genannte transzendentale Argument.

Von den Medien vorgegaukelte Realität

Wie nach dem Zweiten Weltkrieg stehen wir heute vor einer Weichenstellung, welche unsere Gesellschaft für die kommenden Jahrzehnte prägen könnte, weil sie einen Trend setzen könnte, der alle wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien umfasst. Peter Sloterdijk hat im März 2020, zu Beginn der Coronakrise, gesagt, dass der Westen sich als genauso autoritär wie China erweisen wird. (1) Leider sollte er im vergangenen Jahr in einer Weise recht bekommen, die viele, der Autor dieses Papiers eingeschlossen, nach der Erfahrung der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts nicht für möglich gehalten haben.

Ein großer Teil der Organisationsformen der gesellschaftlichen Gruppen ebenso wie der politischen Parteien – einschließlich derer, welche die Bezeichnung „liberal“ führen – hat sich in den Trend zu dem neuen Totalitarismus umfassender Kontrolle eingereiht. Aber es gab auch viele, die sich aus liberaler, religiöser oder sozialer Überzeugung dagegen gewandt haben – oder einfach nur, weil sie sich nicht den gesunden Menschenverstand haben nehmen lassen durch eine modellierte Realität, die ihnen Medien vorgegaukelt haben.

Es ist höchste Zeit, dass wir uns der Weichenstellung bewusst werden, vor der wir stehen. Dazu braucht es einen nüchternen Blick, der sich nicht von den Ängsten trüben lässt, welche die neuen Feinde der offenen Gesellschaft schüren, nämlich den Blick und das Vertrauen darauf, was jeden einzelnen von uns als vernunftbegabtes Lebewesen auszeichnet: die Würde der Person, die in ihrer Freiheit im Denken und Handeln besteht.

Teil 1 finden Sie hier.

 

Prof. Dr. Michael Esfeld ist Professor für Philosophie an der Universität Lausanne und Mitglied des Akademischen Beirats des Liberalen Instituts.

Dieser Zweiteiler ist die ausführliche Fassung eines Artikels, der unter dem Titel „Die geschlossene Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, Karl Popper neu zu lesen“, erschien in der Neue Zürcher Zeitung. Die gekürzte Fassung erschien zuerst beim Liberalen Institut.

Foto: M.E

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Leserpost

netiquette:

Mathias Hartmann / 06.06.2021

Ich wüßte nicht, wie sich der heutige Rechtspopulismus zu einem zeitgenössischen Pendant des Faschismus entwickeln könnte. Der Protofaschismus war geprägt von Futurismus, Ideen der Lebensreform, Irrationalismus, mehr oder weniger Sozialismus und Militanz. Wenn etwas in ein Pendant des Faschismus führt, dann der Great Reset, dem sich aber politische Bewegungen entgegenstellen, die heute als rechtspopulistisch bezeichnet werden.

Sabine Schönfelder / 06.06.2021

Ein wunderbarer Beitrag von einem unabhängig- und selbstdenkenden Menschen. Vielen Dank. Allen Foristen, die sich am Umfang, der inhaltlichen und sprachlichen Kompetenz des Autors stören, sei gesagt: Nicht jede Abhandlung wird ausschließlich für das „Achgut“-Format konzipiert. Der Autor stellt die aktuelle politische Entwicklung in den Kontext historisch-philosophischer Betrachtungsweisen in prägnantem und zugleich flüssigem Sprachstil. Angenehm zu lesen, gut verständlich. Dennoch bewegt sich der Verfasser m.E. etwas „eingeschränkt“, da in seinem philosophischen Umfeld verfangen. Der Erfolg jeglicher diktatorischer Bestrebungen entsteht nicht aus den Tiefen der Philosophie, sondern aus Manipulationstechniken der PSYCHOLOGIE. Ständige agitative Attacke, gezielt und unermüdlich, wirkt bewußtseinsverändernd auf die Psyche der Adressaten. Im Permanent-Propaganda-Nebel findet sich eben gerade KEIN Raum zur selbstständigen Reflexion. Nur Anweisung und Ausführung, alternativlos. Ihr Beitrag ist theoretisch unangefochten, praktisch allerdings relativ wirkungslos. Menschlich-intellektuell, werter Autor, sind SIE eine Zierde der Menschheit mit Beispiel-Charakter. Alleine das macht die Welt ein bißchen besser.

sybille eden / 06.06.2021

Wo gibt es RADIKALEN Rechtspopulismus ???  Ich sehe überall nur RADIKALEN LINKSPOPULISMUS ! Und welche Partei hat den Begriff “Liberal” im Programm ??? Ich kenne keine die relevant wäre. Und es ist kein “NEUER FEIND” der offenen Gesellschaft, es ist immer wieder der ALTE, BEKANNTE Feind, und der heißt STAAT ! Danke auch an Thomas BROX führ die gestrige Einschätzung und den tollen Kommentar !

Jörg Nestler / 06.06.2021

Es braucht Bürger, die über Freiheit, offene und geschlossene Gesellschaft nachdenken und wie Popper ihre Schlüsse ziehen. Aber solche Menschen sind in der Minderheit. Die Freiheitsrechte des Grundgesetzes haben wir nicht durch eine Mehrheitsentscheidung der Bürger dieses Landes erhalten. Für eine Mehrheit ist die geschlossene Gesellschaft ohne Freiheit und Eigenverantwortung eine Option. Frau Merkel ist in solch einer Gesellschaft aufgewachsen und findet eifrige Helfer in West und Ost, die sie als Politiker oder Journalisten in den Medien dabei unterstützen, ganz Deutschland in eine geschlossene Gesellschaft zu transformieren. Wir bekommen den Spiegel vorgehalten, wo sich die Minderheiten und Mehrheiten befinden und damit auch die Macht. Skrupellose Politiker kümmern sich nicht um philosophische Überlegungen. Popper ist denen egal. Es wäre ein breiter Aufstand in den anderen Parteien, den Medien, den Unternehmen und gesellschaftlichen Organisationen nötig, um den eingeschlagenen Kurs aufzuhalten. Diesen Widerstand wird es nicht geben; denn alle aufzählten Akteure befinden sich bis auf wenige Ausnahmen auf der Seite derer, für die die offene Gesellschaft keine Wert hat. Die offene Gesellschaft war ein Geschenk der Siegermächte USA und Großbritannien. Die deutsche Politik schmeißt dieses Geschenk nun weg.

Stefanie Waldeck / 06.06.2021

Sehr geehrter Professor Esfeld, sehr vielen Dank für Ihren unermüdlichen Einsatz dafür, dass die unveräußerlichen Freiheitsrechte, wie sie vor allem in der Vernunftaufklärung hergeleitet und definiert wurden, erhalten bleiben. Es ist genau dieser Gedanke, an dem alles hängt: Welches Menschenbild liegt unserem Staatssystem zugrunde, das des unmündigen und abhängigen, oder das des freien und selbstverantwortlichen Bürgers, wie es vor allem von Kant beschrieben wurde. Leider studiere ich nicht mehr, sonst würde ich buchstäblich in Ihren Vorlesungen an Ihren Lippen hängen.

Ralf Pöhling / 06.06.2021

Die entscheidende Frage ist, wer die wahren Feinde der offenen Gesellschaft sind und wie man mit ihnen umgeht. Geht man mit ihnen direkt oder indirekt um? Der direkte Umgang sorgt wahrscheinlich für eine schwer zu kontrollierende Eskalation, die wirklich so enden könnte, wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der indirekte Umgang kann dies verhindern. Allerdings führt dies zu Unmengen an Nebel und damit folglich zu Fehlinterpretationen, die wiederum soweit an Fahrt gewinnen können, dass die Täter sich noch vehementer zu Opfern stilisieren können und als wahre Verursacher des ganzen Wahnsinns nicht erkannt werden. Die offene bzw. liberale oder sogar libertäre Gesellschaft hat eine Konzeptlücke. Nämlich die, wie mit ihren Feinden umzugehen ist. Und derer sind es im Moment einfach viel zu viele. Im Äußeren, wie leider auch im Inneren. Und sie tarnen sich sogar als Verfechter der offenen Gesellschaft, kapern ihre Begrifflichkeiten und nutzen ihre Freiheiten zur Unterwanderung und Übernahme. Der indirekte Umgang mit dem Problem hat seine Grenzen. Der direkte Weg erfordert jedoch eine Wehrhaftigkeit, die weiten Teilen unseres Volkes im Moment leider abgeht. Und das müssen wir als erstes ändern. Auch eine offene und liberale Gesellschaft muss aktiv mit Macht und potentieller Gewalt gegen ihre Feinde verteidigt werden können. Ihre wahren Feinde. Und diese gilt es zu erkennen und bloßzustellen. Wir befinden uns im Krieg. Einem Krieg, den man uns niemals offen erklärt hat und dessen Auswirkungen in unseren Reihen und unserer Gesellschaft deshalb bisher noch nicht zweifelsfrei als Kriegshandlung erkannt worden sind. Die Wahrheit ist nicht “angeblich” und keine Verschwörungstheorie. Allerdings ist nicht jede Verschwörungstheorie wahr, sondern oft das Resultat von Fehlinterpretationen des bewusst gesetzten Nebels. Den Nebel kann man jedoch erst dann ganz wegblasen, wenn die potentielle Abschreckung groß genug ist. Das zivilisierte Volk muss bewaffnet werden.

Rainer Niersberger / 06.06.2021

Man erkennt, dass der Autor Philosoph und nicht Politiker ist, was fuer sich genommen keineswegs das Schlechteste sein duerfte. Dass es Menschen gab und gibt, die aus allen anderen als hehren Motiven ein totalitaeres System einführen wollen, faellt ihm sichtlich schwer einzugestehen. Er beschreibt sowohl Zustand wie auch Gefahr zutreffend, laesst aber dabei (bisher) fast geflissentlich die durchaus handfeste polit/wirtschaftliche Zielsetzung einer Gruppe von Akteuren mit einem sehr “speziellen” Menschenbild aussen vor.  Nun moegen Leute wie Hitler, Stalin, Mao und Co. durchaus massive ideologische Aspekte verfolgt haben, entscheidend war und ist die totale Macht ueber alle ihre Untertanen, was exakt wie heute auch unbegrenzte und willkürliche(kafkaeske) Eingriffe in die private Lebensführung, die voellige Kontrolle und sehr unangenehme Sanktionen bei Freiheitsgebrauch beinhaltete. Man sollte weniger auf die partiell unterschiedlichen, den aktuellen Optionen und der Verfasstheit der Gesellschaft geschuldeten, Methoden achten, sondern auf das offenkundige Ziel der Damen und Herren aus Politik und dem Grosskapital. Man will, narrativ gestuetzt, was keine totalitaere Besonderheit darstellt, eine Masse von “gleichen” Untertanen schaffen, deren Existenz sich in jeweils total kontrollierter Arbeit und Konsum erschöpft, mit etwas hedonistischen Freigang. Da wir es, wieder einmal, mit sehr konkreten Taetern des Regimes und ihren Helfern zu tun haben, die uebrigens vorsaetzlich und nicht etwa zufaellig jegliche Gewaltenkontrolle abgeschafft haben, wuerden nur die historisch bekannten Mittel gegen die Transformatoren von oben helfen.  Spaetestens dann gaelte es, die Philosophie zu verlassen und den Feinden der offenen Gesellschaft die rote Karte zu zeigen, vermutlich unter Einsatz des unmittelbaren Zwangs, denn freiwillig gehen die nicht vom Feld.

Gudrun Meyer / 06.06.2021

In vielem sehe ich das genauso. Aber der “radikale Rechtspopulismus” ist in der Regel nicht radikal, sondern erscheint denen so, die sich auf der entgegensetzten, linken Seite immer mehr radikalisieren. “Rechtspopulismus” ist überhaupt ein reiner Propagandabegriff, mit dem Konservative belegt werden, deren Ansichten und Parteien man verbal mit der extremen Rechten verschmelzen will. Real braucht diese Verschmelzung nicht zu sein; das Wahlprogramm der AfD unterscheidet sich kaum vom Wahlprogramm der CDU 2002. Und außer den spontanen Überreaktionen der politisch-medialen Klasse auf ein Virus hat es tatsächlich gezielte Vorbereitungen auf die Einführung einer weiteren, geschlossenen Gesellschaft gegeben. Am 07.02.2020 bestellte das Innenministerium bei wissenschaftlichen Instituten (die auf staatliche Finanzierung angewiesen sind) , darunter beim RKI, alarmistische Szenarien und Prognosen, um “Maßnahmen präventiver und repressiver Natur” damit durchzusetzen (aufgemacht in WELT am Sonntag, 07.02.2021). Gleichzeitig, im 02./03. 2020, mutierten die “rechten Corona-Warner und Verschwörungstheoretiker” zu “rechten Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern”. Es gab keinen Langzeitplan, man setzte keine Absichten aus früheren Jahrzehnten um, und ganz ohne ehrliche Angst vor einem neuen Virus hätte man sicher nicht den totalen Staat durchsetzen können. Aber in der Situation von Anfang 2020 muss ein derartiger Plan aufgekommen sein. Am 11.02.2020 kamen die gewünschten “wissenschaftlichen” Stellungnahmen im BMI an. Glaubt jemand, in ganzen 4 Tagen würde ein neues Virus samt seinen Auswirkungen untersucht? Natürlich nicht. Eine tatsächlich wissenschaftliche Arbeit war nicht erwünscht, das Regime brauchte lediglich Aussagen des RKI und weiterer Institute, um repressiv durchregieren zu können.  Als im April/Mai 2020 Demonstranten die Wiedereinsetzung ihrer Grundrechte verlangten, brüllte die Journaille gegen “Rechts”. Soll das etwa noch ein Missverständnis gewesen sein . . .?

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