Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Ernest & Young (EY) haben internationale Investoren im letzten Jahr ihr Engagement in Deutschland erneut reduziert.
2023 wurden nur 733 Investitionsprojekte von ausländischen Unternehmen angekündigt, was einem Rückgang von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Dies ist der niedrigste Stand seit 2013 und der sechste kontinuierliche Rückgang in Folge.
Deutschland belegt immer noch den dritten Platz im europäischen Vergleich. An erster Stelle steht Frankreich mit 1194 Investitionsvorhaben, allerdings auch mit einem Rückgang, nämlich von 5 Prozent. Großbritannien, welches nicht mehr zur Europäischen Union gehört, wird als Investitionsstandort beliebter und steht an zweiter Stelle mit 985 Projekten, ein Anstieg um sechs Prozent.
Der Vorsitzende der EY-Geschäftsführung, Henrik Ahlers, sieht den Rückgang als beunruhigende Entwicklung an. Er zitiert: "Das ist ein Alarmsignal. Deutschland wird abgehängt, andere europäische Standorte entwickeln sich viel dynamischer."
Auf einen längeren Zeitraum betrachtet ist die Zahl der Investitionsprojekte in Deutschland seit 2017 um 35 Prozent gesunken, während das Minus in Großbritannien in diesem Zeitraum 18 Prozent betrug. Frankreich verzeichnete hingegen einen Anstieg um 20 Prozent.Grund ist unter anderem eine Umsiedlung von Firmen im Zuge des Brexit nach Frankreich. Deutschland konnte davon nicht profitieren. Allerdings hat sich Britannien seither als Investitionsstandort attraktiver gemacht, wie die Steigerung zum Vorjahreszeitraum zeigt.
Ahlers führt das schwache Abschneiden Deutschlands auf mehrere Gründe zurück, darunter hohe Steuerbelastung, hohe Arbeitskosten, teure Energie und überbordende Bürokratie im Land. Die Investitionen gehen zurück, die Stimmung bei Verbrauchern und Unternehmen ist schlecht, und die Konjunktur in Deutschland entwickelt sich schwächer als in jedem anderen Industrieland. Dies wurde auch in einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum weltweiten Wirtschaftswachstum bestätigt. Wogegen für die Welt als ganzes ein Wirtschaftswachstum von 3,1 Prozent für 2024 vorausgesagt wird, werden Deutschland nur 0,2 Prozent Wachstum prognostiziert.
Auch in ganz Europa war die Entwicklung schwach, aber nicht so schwach wie in Deutschland. Die Zahl der angekündigten Projekte sank um vier Prozent auf insgesamt 5694. Die Türkei (plus 17 Prozent) und die Schweiz (plus 53 Prozent) verzeichneten das größte Wachstum. Europa hat das Niveau vor der Pandemie immer noch nicht erreicht, die Anzahl der Projekte lag elf Prozent unter dem Wert von 2019.
US-Unternehmen waren immer noch die wichtigsten Investoren in Europa und Deutschland, aber die Zahl der Projekte ging um 15 Prozent zurück, insbesondere in Deutschland um 22 Prozent. Ahlers führt dies auf milliardenschwere Subventionsprogramme in den USA wie den Inflation Reduction Act (IRA) zurück. "Die US-Standortpolitik zeigt Wirkung", sagte er. "US-Konzerne investieren anscheinend verstärkt im eigenen Land und seltener in Europa." Das Vertrauen der US-Investoren in Deutschland sei zwar nicht vollständig verloren gegangen, aber erschüttert. Es sei wichtig, dieses Vertrauen wiederherzustellen, betonte Ahlers.
Es könne jedoch nicht darum gehen, einen Subventionswettlauf zu führen. Stattdessen müssten die Rahmenbedingungen verbessert werden. Allerdings zeigte sich Ahlers skeptisch, ob dies schnell gelingen könne, da die Probleme in Deutschland tief verwurzelt und struktureller Natur seien. Eine Trendwende werde daher nicht von heute auf morgen eintreten. Eine echte Steuerreform und der Abbau von Regulierungen seien erforderlich.
(Quelle: Süddeutsche Zeitung, Manager Magazin, Dts-Nachrichten)