Gastautor / 05.07.2013 / 09:59 / 6 / Seite ausdrucken

Der kleine Unterschied

Malte Lehming

Sieht man mal von den historischen Besonderheiten ab, den Absichten der Täter und dem Leiden der Opfer, lässt sich ohne Übertreibung sagen: Das systematische und regelmäßige Entfernen von Klosprüchen ist barbarischer, als es die Bücherverbrennung der Nazis war. Hier wie dort Ignoranz gegenüber geistiger Kreativität. Hier wie dort Arroganz gegenüber schriftlicher Fixierung gedanklicher Anstrengung.

Analog dazu lässt sich festhalten: Die Abhörprogramme des amerikanischen Geheimdienstes NSA sind schlimmer, als es die Spitzelpraktiken der Stasi waren. So ähnlich jedenfalls sagt es der Schriftsteller Uwe Tellkamp in der jüngsten Ausgabe der „Zeit“: „Was die Stasi noch unter fürchterlichem Aufwand betrieb, hat man heute mit 15 Mausklicks beisammen.“ Originell freilich war Tellkamps Vergleich nicht. Zuvor hatte die „Märkische Oderzeitung“ bereits geschrieben: „So intensiv und flächendeckend diese NSA arbeitet, wäre Erich Mielke stolz auf sie und ist man versucht, das Kürzel als Neue Stasi Amerikas zu übersetzen.“

In der „Lausitzer Rundschau“ wiederum stand: „Das Gift der Stasi hat schon die DDR-Gesellschaft zerfressen. Die US-Geheimdienste sind drauf und dran, mit ihren ebenso entfesselten Überwachungswahn die Freundschaft zu Europa und speziell zu Deutschland kaputt zu machen.“ Und am deutlichsten wurde der „Donaukurier“, der am vergangenen Samstag auf seiner Titelseite einen Offenen Brief an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten der Region veröffentlichte. Darin heißt es: „Fremde Menschen und Mächte, deren Absichten wir nicht kennen, entscheiden darüber, ob wir noch ein Privatleben haben oder nicht. Vor dieser Wirklichkeit verblassen Stasi-Methoden und orrwellsche Horrorfiktionen.“

Übersetzt man das alles, stellt sich die Frage: Was sind schon ein paar Jährchen Hohenschönhausen gegen das Sammeln großer Datenmengen?

Denn der kleine Unterschied ist der: Die Stasi bespitzelte die eigene Bevölkerung, um ihr totalitäres Regime zu festigen, die Opposition auszuschalten und Andersdenkende in die Kerker von Hohenschönhausen zu bringen. Bis heute gibt es viele Menschen, die darunter seelisch und physisch leiden. Hingegen muss unter der Abhörpraxis der NSA niemand leiden, der es nicht will. Das Ziel ist, nach allem, was man weiß, die Sicherheit der Menschen zu erhöhen. Selbst Edward Snowden hat keine Hinweise auf andere Intentionen geliefert. Überdies wurden durch die geheimdienstlichen Informationen – das zumindest beteuern alle, die in dieser Frage erkenntnistheoretisch privilegiert sind – Menschenleben gerettet.

So einfach ist das. Und weil es so einfach ist, muss man konstatieren: Wer diesen Unterschied nicht sieht, der will ihn nicht sehen. Wer ihn aber nicht sehen will, verharmlost in der Praxis die Verbrechen des Kommunismus ostdeutscher Prägung.

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Hendrik Wachmann / 05.07.2013

Zitat aus Malte Lehmings Beitrag: “So ähnlich jedenfalls sagt es der Schriftsteller Uwe Tellkamp in der jüngsten Ausgabe der „Zeit“: „Was die Stasi noch unter fürchterlichem Aufwand betrieb, hat man heute mit 15 Mausklicks beisammen.” Ich denke, dieser Vergleich ist wie der Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Die Stasi ist vor mehr als 20 Jahren mit der DDR untergegangen. Damals war die Technologie noch nicht auf dem heutigen Stand, logischer Weise. Hätte die Stasi damals die Technik von heute gehabt, dass sollte mir Uwe Tellkamp bitte glauben, sie hätte sie auch genutzt. Aber mit dem Stand der Technologie gestern, heute und morgen nimmt es Herr Tellkamp nicht sooooo genau.

Alexander Sandman / 05.07.2013

... Denn der kleine Unterschied ist der: Die Stasi bespitzelte die eigene Bevölkerung, um ihr totalitäres Regime zu festigen, die Opposition auszuschalten und Andersdenkende in die Kerker von Hohenschönhausen zu bringen. ... Ich sehe es auch nicht so tragisch, wie es zur Zeit dargestellt wird. Es ist mir persönlich auch ziemlich egal, was sie mit meinen Mails machen. Aber eine Frage beschäftigt mich. Wann und wo ist ist die Grenze? Läuft es damit irgendwann auf einen Überwachungsstaat hinaus? Dann darf man später nicht wieder behaupten, es hätte niemand gewarnt. Die Freiheit für die Sicherheit zu opfern, halte ich für sehr gefährlich. Jan Fleischhauer hat in seiner Spiegel Kolumne den Fall beschrieben, wie die Regierung ein Attentat auf dt. Boden erklären wolle, nur weil der Staat nicht permanent überwacht hat. Die Frage ist berechtigt. Erinnern wir uns an den Spielberg Film mit Tom Cruise. Hier haben Computer und Polizisten Verbrechen verhindert, weil Sie dachten sie können es. Aber es war alles manipuliert. In dieser schönen neuen Welt möchte ich aber nicht leben. Wenn einer unbedingt Terror will, dann wird er es auch tun. Egal wie viele Telefonate, Mails oder sonstige Informationen alle Geheimdienste auf der Welt gesammelt haben. Die moderne Kriegsführung nach dem zweiten Weltkrieg hat den Guerillakampf als Gegenmodell hervorgebracht. Zu allem gibt es also immer zwei Seiten. Und beide verdienen gesehen und gehört zu werden.

Stephan Gruber / 05.07.2013

Ich finde es ausgesprochen schade, dass dieses so wichtige Thema durch die Bank von allen Seiten instrumentalisiert wird. Jeder ist in der Lage seinen eignen, meist begrenzten, Ereignishorizont einzubringen. Dass es als Wahlkampfthema dient ist schlimm genug, aber muss es noch dafür herhalten, dass jeder seine Ideologie darin bestätigt sieht? “Held” oder “Schuft” mag ja übertrieben klingen und man mag sich an “Achsen des Bösen, respektive Guten” erinnert fühlen. Aber “Bild” hat recht. Dies ist der Fels, an der im Moment unsere Regierung brandet. Die Mauerschützenprozesse haben gezeigt, dass man ein “Schuft” ist, wenn man sich “auf seinen Arbeitsvertrag” respektive “Befehl” beruft, statt auf die Verfassung seines Landes. Jetzt taucht in einzigartiger Weise eine mutige Person auf, die all unseren Idealen entspricht, sich nicht der herrschenden Macht, sondern der Verfassung seines Landes dienen möchte, der Archetyp eines Helden und was passiert? “Gut” und “Böse” tritt schlagartig in den Hintergrund, denn dies ist nur dann nützlich, wenn man sich und seine Taten stets auf der guten Seite wähnt. Nirgendwo ist dieses Thema also besser aufgehoben als hier und mancher möge sich ans Näschen fassen und fragen warum er die Welt immer in “gut” und “böse” eingeteilt hat und jetzt wo die Sachlage so klar ist, wie selten, sich plötzlich auf die Seite derer stellt, die “richtig” und “falsch” als Maxime führen. Snowdens Tat war all unserer ethischen Erfahrung nach “gut”, womöglich für die Welt “falsch”. “So einfach ist das!” Herr Lehming und doch so schwer, die eigenen Befindlichkeiten dieser Tatsache unterzuordnen. Beste Grüße Stephan Gruber

Heribert Eisenhardt / 05.07.2013

Sehr richtig: “der kleine Unterschied ist der: Die Stasi bespitzelte die eigene Bevölkerung, um ihr totalitäres Regime zu festigen” Und die kleinen Unterschiede werden m.E. immer häufiger, bewußt oder unbewußt, verwischt. Ein anderes Beispiel: vor einiger Zeit kam am 26. August im Fernsehen erst ein sehr kurzer Bericht über die unmenschliche Berliner Mauer und anschließend ein langer Bericht über alle genauso unmenschlichen Mauern dieser Welt, die auch noch viel höher und länger sind und an denen auch Menschen sterben. (z.B. Mexico/USA und Israel/Palestina). Der kleine Unterschied: Die DDR sperrte die eigene Bevölkerung mit der Mauer ein, die anderen Mauern verhindern illegale Einwanderung. Tja, manche kapieren’s halt nie!

Maria Leuschner / 05.07.2013

Auf die gleiche Weise log sich Uwe Tellkamp bereits im “Turm” sein sogenanntes “Bildungsbürgertum”, nämlich das seiner Familie zurecht. Wir eigentlichen Bildungsbürger (mein Großvater Arzt und Ablehner des DDR-staatlichen Krankenkassensystems, Vater Pastor) wären in seinem Roman sowieso nicht vorgekommen, da dies seinem Blickfeld nicht zur Verfügung stand. Da er nur Genossen der SED in seiner Familie hatte, wurden sie zu “Bildungsbürgern” umgepolt. Maria Leuschner,Dresden

Paul H. Ertl / 05.07.2013

Erstaunlicherweise empören sich die am lautesten, die nichts dabei finden, Geheimdienste - z.B. den BND - zu benutzen, Personen zu auch in Deutschland strafbaren Handlungen anzustiften, um an die Bankdaten deutscher Staatsbürger zu gelangen, die zu einem Teil Steuern hinterzogen haben mögen. Das läßt nur einen Schluß zu: Steuerhinterziehung ist ein viel gefährlicheres Verbrechen als Terrorismus, jedenfalls, wenn sich erstere gegen Deutschland, das es doch nur gut meint, und letzterer gegen die USA, die es - das weiß jede GrünIn - verdient haben, richtet. Sollten die K-Gruppler um Trittin & Co das wider Erwarten nicht tatsächlich glauben, glauben sie doch zumindest, damit bei einer bestimmten Klientel - Überschneidungen mit den “Israel-Kritiker” sind bestimmt nicht zufällig - punkten zu können. Alle, die im Trüben fischen ...

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