„Coolcations“ gegen den Klimawandel

Wer im Sommer nicht immer an den Klimawandel in Form von Sonne und Hitze erinnert werden will und sich nach dem Winter sehnt, für den gibt es jetzt "coolcations".

Man hatte es geahnt. Nach mehr als einem halben Jahr Kälte, Nässe, trüb verhangenem Himmel endlich der erste Tag mit Sonne und knapp über 20 Grad, und schon gehen die Warnungen gegen die nächste Hitzewelle wieder los. Es ist erst April, heißt es  munkelnd, also darf es noch nicht sommerlich sein. Der April macht was er will, heißt die alte Bauernregel: alle Jahreszeiten in einem Monat, manchmal an einem Tag. Auch Schnee im April hat es schon mal gegeben, die neue Eiszeit brach deswegen nicht an. Und natürlich auch schon ein Vorgefühl von Frühling, ohne dass deswegen alles verbrennt.

Passend zum Thema „Hier kommt die Hitze, alle in Deckung“ gibt es nun schon den neuen Trend „coolcations“, also cool vacations (kühler Urlaub), eine weitere dumme anglizistische Wortspielerei, wovon Deutschland voll ist. Also bevor der Sommer überhaupt in der Nähe ist, schon mal den Sommerurlaub planen, wo es eigentlich keinen Sommer gibt, es immer kühl ist, damit man nicht so sehr am Klimawandel leiden muss – wie Karl Lauterbach letztes Jahr in Italien. Warum Lauterbach allerdings im Hochsommer nach Italien reist, um sich dann über die Hitze zu beschweren, weiß nur er. Aber für ihn gibt es ja nun „coolcations“, und die drögen Skandinavier mit „Lachsfich“ als Spezialität passen zu seinem Naturell vielleicht auch besser als die Italiener. Und die Vorstellung, neben Lauterbach im Thyrenischen Meer zu baden, finde ich erschreckend.

Unter den Reisezielen werden dann kühle und coole, eher wenig besuchte Reiseziele wie die skandinavischen Länder, Schottland und das Baltikum angepriesen. Sicher, es muss nicht immer Mittelmeer sein, schon gar nicht im Hochsommer, und eine bessere Verteilung der Touristenmassen ist auch eine gute Sache. Die nördlichen Länder haben sicher auch ihren Reiz, gerade was die Natur betrifft. Die Nordland-Fans werden jetzt sicher über mich herfallen ob meiner Ignoranz, aber so richtige Begeisterung stellt sich nicht ein, wenn man gerade den langen deutschen Winter und den immer sehr durchwachsenen Frühling hinter sich hat und dann liest: „Auf deiner Schottland-Reise solltest du neben guter Regenkleidung auch stets ein paar warme Pullis im Gepäck haben. Das Wetter im äußersten Norden Großbritanniens ist nämlich launisch, und nachts können die Temperaturen bis auf zehn Grad Celsius sinken.“

Oder: „Island eignet sich wunderbar zum „Coolcationing“, denn heiß wird es dort abseits der feuerspeienden Berge selbst im Hochsommer nicht: Oft herrschen Temperaturen um maximal 13 Grad Celsius! In den Sommermonaten hast du zudem die höchste Schönwetter-Chance für einen Roadtrip entlang der 1.332 Kilometer langen Ringstraße, die gerade Island-Newbies zu vielen Highlights bringt.“ 13 Grad Maximum, Regen, mit der Hoffnung auf ab und zu Sonne im Sommer, ein beschränktes kulinarisches Angebot, Preise, die einen schwindeln lassen, und nüchterne Holzhäuser als architektonischer Höhepunkt, da buche ich doch sofort!

Sebastian Biehl, Jahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten und lebt, nach vielen Jahren im Ausland, seit 2019 mit seiner Familie in Berlin.

Foto: Henyk M. Broder

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Leserpost

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Marc Greiner / 14.04.2024

Und die Ketzer fliegen noch immer in den Süden während den Sommer-Ferien. Und im Winter gleich nochmal. Zum verzweifeln diese Ignoranz;)

Lutz Herrmann / 14.04.2024

Währungsstabilität im Urlaub ist was Tolles. Votiere für die dünn besiedelten Landstriche Skandinaviens. Da kostet der Kasten Bier immer noch 80 DKK wie anno dunnemals, keine messernden Migranten weit und breit, keine Putinversteher. Yeah!

Wilfried Cremer / 14.04.2024

Hauptsache, der Kerl taucht nicht als Müller-Lüdenscheid in meiner Wanne auf. Und wenn, dann werde ich ein Foto machen. Um das Klima abzukühlen.

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