Hannes Stein / 10.12.2008 / 17:09 / 0 / Seite ausdrucken

Tacheles oder: Kleine islamophobe Religionskunde

Mein Problem mit dem Schlagwort (ein Begriff ist es nicht, dazu fehlt ihm die Trennschärfe) “Islamophobie” ist, dass so getan wird, als sei die Ablehnung einer Religion dasselbe wie Rassismus.
Anders als Du, lieber Alan, hege ich keine zärtlichen Gefühle für die Jungfrau Maria (obwohl ich Dein Maria-Buch schön und erhellend finde), und ich hege auch keine zärtlichen Gefühle für den Islam. Gleichzeitig bin ich zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit, Leben, Eigentum und Menschenwürde jedes Marienverehrers und jedes Muslims zu schützen. Das sind doch Selbstverständlichkeiten.
Darf ich hier kurz meinen theologischen Vorbehalt gegen den Islam erläutern? (Ich meine wirklich: gegen den Islam, nicht den Islamismus.)
Also:
Ich denke, dass der Islam nicht in eine Reihe mit dem Juden- und dem Christentum gehört. Nach jüdischem Glauben hat Gott sich in der Geschichte offenbart, sehr verschiedenen Menschen und zu verschiedenen Zeiten. Und jeweils auf sehr verschiedene Art! Gott zeigt sich Adam, Gott spricht zu Noah, Gott antwortet Hiob im Gewitter, Gottes Stimme redet zu Abraham, Isaak und Jakob, Gott offenbart sich Moses und dem Volk Israel am Sinai, Gott beauftragt Jeremias und Jesaias und Amos. Das Christentum hat sich einfach hintendran gehängt und erklärt, Gott sei in jenem Zimmermannssohn aus Galiläa Mensch geworden.
Nach islamischem Glauben offenbart sich Gott nicht in der Geschichte, sondern in einem Diktat.
Der Erzengel Gabriel steigt vom Himmel auf die Erde herunter und offenbart Mohammed den gesamten Koran, dessen vollkommenes Urbild—sozusagen: das Original zur Fotokopie—oben im Himmel verbleibt. Der Koran ist ein grundsätzlich anderes Buch als die Bibel, eben weil er ein Buch ist. Bei der Bibel handelt es sich ja um eine Anthologie. Der Koran kennt nur ein einziges Genre: die Gottesrede. Der Allerbarmer erzählt im Plural majestatis die Vorgeschichte der Offenbarung nach, dann sagt er, was er von den Muslimen an rechtem Verhalten einfordert.
Diese beiden (wie mir scheint) fundamental unterschiedlichen Offenbarungsbegriffe haben tiefreichende Konsequenzen, was das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen betrifft.
Eine biblische Grundidee ist diese: Gott bindet sich durch Verträge an die Menschen und macht sie dadurch frei. Er verspricht Noah, dass es keine neue Sintflut geben werde, er verspricht Abraham, dass in seinen Nachkommen alle Völker gesegnet sein werden, er verspricht Israel am Sinai, dass er sein Volk nicht verlassen wird, wenn es sich an sein Gesetz hält. (Der Vertrag am Sinai ist ein klassisches Bündnis, wie es in der Bronzezeit zwischen einem König und seinen Vasallen geschlossen wurde: Die Vasallen schulden dem König Treue, im Ausgleich erklärt er sich für ihren Schutz verantwortlich.)
Diese biblische Idee des Bündnisses mit Gott ergibt im Islam keinen Sinn, da Gott sich nicht in der Geschichte, sondern in einem Diktat offenbart. Gegenüber diesem Gott gibt es nur eine sinnvolle Haltung: Unterwerfung—und just das ist es ja, was das Wort “Islam” bedeutet.
Will ich damit sagen, dass alle Muslime totalitäre Betonköpfe und alle Juden und Christen nette, freiheitsliebende Zeitgenossen sind? Das widerspräche jeder Empirie. Immerhin stammen die wundervollsten und bittersten Verse, die je ein religiöser Mensch gegen den religiösen Fanatismus gerichtet hat, von einem muslimischen Poeten. Ich zitiere die Übersetzung von Richard Le Gallienne:

And do you think that unto such as you,
A maggot-minded, starved, fanatic crew,
God gave the secret, and denied it me?
Well, well, what matters it! Believe that, too.

Meine Haltung gegenüber den 1,5 Milliarden Muslimen ist also erstmal nicht Feindseligkeit, sondern “polite indifference” (um Ze´ev Jabotinsky zu zitieren).
Ich denke aber im Ernst, dass man nicht so tun kann, als sei der Islamismus ÜBER den Islam und nicht AUS dem Islam gekommen. Und ich denke, es ist kein Zufall, dass islamisch geprägte Länder sich bisher (ich weiß schon, es gibt Ausnahmen) beharrlich demokratieresistent gezeigt haben.
Außerdem denke ich, dass die Rettung für den Islam aus der Schia kommt. Aber das ist ein anderes Thema.
PS Übrigens höre ich gerade, whrend ich dies tippe, den Ruf des Muezzin—wie auf Bestellung. In Brooklyn! Ist das nicht komisch?


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