Richard Wagner / 03.04.2008 / 09:58 / 0 / Seite ausdrucken

Mit der Nato in den Kaukasus?

Die NATO tagt zur Zeit in Bukarest, im Palast des vor fast 19 Jahren hingerichteten Diktators Ceausescu. Die ihn damals zu Tode gebracht haben, waren vorher zum großen Teil seine Mitarbeiter. Das ist so in der Diktatur. Da die Opposition offiziell nicht zugelassen wird, versteckt sie sich in den Institutionen der Macht. So ist die verwirrendste Debatte, die in Rumänien seit 1989 geführt wird, jene über die Frage, wer nun eigentlich Ceausescu gestürzt habe: Seine Gegner, seine Parteigänger oder gar die Russen?

Für die Osteuropäer ist das westliche Militärbündnis ein Türöffner. Einerseits setzen sie dieses mit den Amerikanern in Verbindung, die ihnen weniger naiv erscheinen als die Westeuropäer. Andererseits ist die NATO für die Osteuropäer mit der EU untrennbar verbunden. Obwohl sie regelmäßig den Verdacht äußern, der Westen könne sie durch sein imperiales Vorgehen übervorteilen, wollen sie trotzdem unter das Brüsseler Subventionsdach.

Da die Osteuropäer ein recht unscheinbares eigenes Potential aufzuweisen haben, machen sie sich gerne zum Mitarbeiter und zum Exekutor. Man ist zwar Peripherie, aber es ist nicht egal, wessen Peripherie man ist, und es ist auch nicht egal, mit wem man kollaboriert.

Die Osteuropäer verdanken die Rahmenbedingungen ihrer heutigen Freiheit weitgehend der konsequenten amerikanischen Haltung im Kalten Krieg. So haben die Vereinigten Staaten, im Unterschied zu den Westeuropäern, stets an der Unabhängigkeit der baltischen Staaten festgehalten. Während beachtliche Teile der westeuropäischen Öffentlichkeit in den achtziger Jahren zur Abrüstung drängten, um nicht zu sagen, zur eigenen Entwaffnung, pflegten die USA weiter die militärischen Drohgebärden des Kalten Kriegs. Heute besteht ein gewisser Konsens darüber, dass diese Art Klartext von der kriselnden Sowjetunion ernst genommen wurde. Die Friedensfreunde allerdings wollen es bis heute nicht einsehen, sie feiern ihr Pathos aus dem Bonner Hofgarten immer noch, ja sie belehren mittlerweile die anderen über den Nutzen der Kapitulation, sogar Israel.

Im Grunde sind alle bei ihren Prinzipien geblieben, egal, was die Realität heute verlangt. So bedienen sich die Vereinigten Staaten ihrer Sympathisanten in Osteuropa, um ein Netz von Stützpunkten einzurichten. Damit soll offenbar die Logistik bereitgestellt werden, für die Garantie der Stabilität der Ressourcengebiete des Nahen Ostens und des Kaspischen Meers.

An der Peripherie Russlands gibt es mehrere Länder, die gerne das Zentrum wechseln würden, zumindest Teile ihrer Eliten und deren Anhängerschaft. Das gilt aktuell für die Ukraine und Georgien. Nun ist aber die Ukraine weder kulturell noch ethnisch oder politisch von Russland zu trennen. Sie ist mit diesem und Weißrussland in einem kulturhistorisch gewachsenen, ostslawischen Dreieck verbunden. Es gibt, so gesehen, für die Ukraine und Russland nur eine gemeinsame Option. Das hieße, man möge mir den Scherz verzeihen, auch Russland in die NATO aufzunehmen.

Was Georgien betrifft, würde sich der Westen mit dessen Integration in die NATO mitten ins kaukasische Wespennest begeben. Will man sich dort mit dem ethnischen Chaos herumschlagen und sich den russischen Erpressungen aussetzen? Haben wir auf dem Balkan nicht genug zu tun, lernen wir nichts aus der Situation im Irak und aus den Erfahrungen in Afghanistan? Wir haben nirgends auf Dauer Stabilität erreicht. Nicht einmal in Osttimor, aber wer redet noch von Osttimor?

Hilfreicher wäre es, Europa würde seinen Limes da ziehen, wo er zu ziehen ist, nämlich entlang seiner jetzigen Außengrenzen und sich seiner inneren Konsolidierung widmen. Und was die Ressourcen angeht, sollte man mit dem Geld besser in einem Großprojekt nach einer revolutionären Energieform suchen, die alles bisherige ersetzen würde. Dann könnten wir uns die Scharmützel mit den Fanatikern, Warlords und lupenreinen Demokraten schenken.

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